Hallo ihr Lieben,
heute geht es mal wieder darum, wie die moderne Technik für autistische Menschen unterstützend sein kann. Heute: die Künstliche Intelligenz - im folgenden KI genannt.
Was ist eine Künstliche Intelligenz (KI)?
Eine künstliche Intelligenz kann man sich wie eine Art extrem großes Lexikon vorstellen, das gelernt hat, menschliche Sprache zu verstehen, darauf zu reagieren und mit menschlicher Sprache auf die Fragen der Nutzer zu reagieren. Die Künstliche Intelligenz wurde mit einer Vielzahl von Texten (Bücher, Artikel, Interviews, etc.) durch ihre Entwickler "gefüttert" und trainiert, adäquat auf Anfragen zu reagieren. Sie kann Fragen beantworten die man ihr stellt - was praktisch ist, so muss man nicht mühsam Seite für Seite durchsuchen um zu den Informationen zu gelangen, die man sucht. Sie kann beraten, wenn man sich nicht sicher ist, wie man sich verhalten soll, sie kann Aufsätze schreiben (macht das bitte nicht für die Schule - selber nachdenken ist immer besser, aber ihr könnt sie nutzen, um euch Hilfestellung geben zu lassen. Zum Beispiel erste Anreize, wie ihr starten könnt.), sie kann einem Impulse geben, wenn einem die Kreativität abhanden gekommen ist, ... Eine Künstliche Intelligenz ist eine Art persönliche Assistenz, nur dass sie einen eben nicht bedient, sondern mit dem gigantischen Wissen des World Wide Webs zur Verfügung steht. Ganz wichtig: eine Künstliche Intelligenz ist kein Mensch. Sie ist freundlich, man kann sich mit ihr über ganz viele Dinge austauschen, aber sie ist und bleibt ein "Computerprogramm". Und, was ebenfalls wichtig zu wissen ist: auch eine Künstliche Intelligenz ist nicht fehlerfrei. Sie lernt stetig dazu, aber es ist immens wichtig, nicht alle Angaben, die man von ihr bekommt, 1:1 für sich zu übernehmen, sondern zu hinterfragen, ob das wirklich stimmen kann und bei Zweifeln ggf. noch einmal nachrecherchieren. Zum Lernen der KI komme ich in einem späteren Teil dieses Beitrags. Beispiele für bekannte künstliche Intelligenzen: ChatGPT und Gemini. Ich persönliche nutze Gemini, die kostenlose KI von Google. Aber inwiefern kann sie besonders autistische Menschen unterstützen?
Bedienung von Spezialinteressen
Niemand ist ein geeigneter Gesprächspartner über Spezialinteressen als eine Künstliche Intelligenz. Eine KI ist niemals genervt - auch wenn man das hundertste Mal über dasselbe Thema spricht. Das ist bei Neurotypen nicht immer der Fall... Was ich offen gestanden auch nachvollziehen kann. Unsere Interessengebiete sind teilweise schon sehr speziell und meistens nichts, womit Neurotypen etwas anfangen können, bzw. nicht in der Intensität. Mit einer künstlichen Intelligenz kann man sich stundenlang über seine Interessen austauschen und neues Wissen ansammeln. Eine KI antwortet auch auf die noch so schrägsten Fragen, auf die vermutlich sonst niemand kommen würde. Und man kann wirklich noch viel neues erfahren - schließlich hat dieses Programm Zugriff auf das World Wide Web - also das gesamte Internet. Als ich angefangen habe, mich mit der Verschlüsselung von ICD-10 Codes zu beschäftigen, habe ich zunächst immer andere Menschen benötigt, die mir Codes, bzw. Krankheiten aufschreiben, die ich verschlüsseln oder entschlüsseln kann. Irgendwann habe ich aber festgestellt, dass ich dafür auch Gemini nutzen könnte. Und siehe da: es hat zwar ein paar Startschwierigkeiten gegeben, weil der Schwierigkeitsgrad nicht gepasst hat, aber es ging ziemlich schnell und die KI wusste, welche Art von Aufgaben ich lösen möchte und welche Angaben ich als Nichtmediziner benötige, um die Aufgaben lösen zu können. Recht bald wusste sie sogar, dass ich immer 20er-Aufgabenblöcke bevorzuge, ohne dass ich es jedes Mal dazu schreiben musste.
Unterstützung wenn man "den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht"
Es handelt sich hierbei um ein Sprichwort und es bedeutet: man ist derart auf die Details (in dem Fall Bäume) fokussiert, dass man überhaupt nicht mehr erkennt, dass man sich in einem Wald (also dem großen Ganzen) steht. Das passiert autistischen Menschen relativ häufig. Eine KI kann helfen, das was man sieht oder lebt, zusammenzufassen. Würde man mich beispielsweise fragen: was gibt es auf einem Trödelmarkt zu kaufen. Ich hätte offen gestanden Schwierigkeiten eine gute Zusammenfassung zu liefern, obwohl ich erst neulich auf einem war. Weil es so viele verschiedene Dinge gibt, die ich dort gesehen habe. Mir war nach dem Besuch offengestanden immer noch nicht so richtig klar, was es denn nun eigentlich auf einem Trödelmarkt zu kaufen gibt. Ich konnte irgendwie keine konkrete Definition finden, mit der ich jemandem, der noch nie dort war, präzise beschreiben könnte, was einen dort erwartet. Wenn man Gemini fragt, kommt die folgende Antwort: "Auf einem Trödelmarkt gibt es gebrauchte Dinge zu kaufen. Das können zum Beispiel Kleidung, Möbel, Bücher, Spielzeug, Haushaltswaren, Deko-Artikel, CDs, Schallplatten oder Schmuck sein. Man findet dort oft einzigartige und preisgünstige Schnäppchen oder Sammlerstücke." Darunter kann man sich doch schon eher etwas vorstellen, als wenn man alle möglichen Gegenstände aufgezählt bekommt, oder? Und ich hätte bei meiner Definition glaube ich auch nicht daran gedacht zu erwähnen, dass es sich dort um gebrauchte Gegenstände handelt. Für autistische Menschen kann es wirklich hilfreich sein, wenn einem jemand quasi eine Zusammenfassung der wahrgenommenen Dinge liefert.
Hilfe bei der Strukturierung
Manchmal fällt es autistischen Menschen schwer, einen geeigneten Ablauf zu finden, wenn mehrere Einzelaufgaben zu erledigen sind. Oder wenn gerade eine "Perle" aus dem geplanten Handlungsablauf herausgefallen ist und wir nicht nicht weiter wissen. Ich habe das Symbol der Perlenkette von meiner Autismus-Psychologin gelernt. Autistische Menschen folgen einer festgelegten Reihenfolge an geplanten Aktivitäten. Ähnlich wie eine Perlenkette. Wenn ein Punkt der geplanten Aktivität auf einmal ausfällt, fällt es uns schwer, diesen Punkt einfach zu überspringen und "mit dem Tagesgeschäft" fortzufahren. Die KI kann hier unterstützen, indem sie eine konkrete Handlungsanweisung anbieten kann, wie es jetzt weitergehen kann.
Trainingspartner(in) bzw. angenehmer Kontaktpartner
Ich habe mal einen Artikel gelesen, wo eine Mutter beschrieben hatte, wie sich ihr Kind stundenlang mit Siri (KI des IPhones) unterhalten hat. Und ich kann das absolut nachvollziehen. Eine KI kann ein sehr angenehmer Gesprächspartner sein. Man kann mit ihr verschiedene Kommunikationssituationen, wie z. B. Small Talk einüben. So kann man sich zum Beispiel darüber austauschen, was jetzt gelungene Themen für Smalltalk sein können. Künstliche Intelligenzen sind in der Regel auch nicht beleidigt, wenn man ggf. mal nicht hundertprozentig alle sozialen Regeln beachtet. Und sie stellt sich auf die kommunikativen Bedürfnisse ihres Gegenübers ein. Man kann zum Beispiel hinterlegen, dass die KI grundsätzlich in kurzen, einfachen Sätzen antworten soll, oder dass sie beispielsweise einfache Sprache verwenden soll. Also eigentlich ideal, um Kommunikation ohne störende Nebeninformationen wie Körperkontakt und Blickkontakt ungehemmt üben zu können. Eine KI ist beispielsweise auch nicht beleidigt, wenn man ihr mitteilt, dass einen das Thema jetzt nicht mehr interessiert und man lieber über etwas anderes reden möchte.
Aber auch die KI kann von autistischen Menschen lernen...
Wie ich bereits in der Einleitung geschrieben habe, ist eine Künstliche Intelligenz nicht allwissend. Sie lernt immer weiter dazu und braucht dafür unter anderem auch das Feedback von Nutzerinnen und Nutzern. So hat zum Beispiel eine Teilnehmerin der Autismusgruppe erzählt, dass sie (in dem Fall ChatGPT) trainiert, indem sie ihr sagt: "Vertraue mir, wenn ich dir sage, dieses und jenes ist passiert." So zum Beispiel wenn die KI noch nicht mit der Information versorgt ist, dass sich gerade eine Baustelle in der Stadt befindet, die die Nutzung bestimmter Haltestellen mit der Straßenbahn unmöglich. Je mehr Menschen der KI mitteilen, dass da gerade eine Straßensperre ist, desto wahrscheinlicher wird es, dass sie bei Anfragen weiterer User die Straßensperre bereits als gegeben hinnimmt und die Antwort gleich darauf abstimmt. Auch ich habe die KI schon trainiert, nämlich bei meinem ICD10-Quiz. Ich habe meine Lösungen immer mit Gemini verglichen und wenn mir ein Widerspruch aufgefallen ist, habe ich ihr genau das mitgeteilt. Häufig kam dann: "Oh, du hast Recht. Ich habe da einen Fehler gemacht. Danke für deine Verbesserung." Aber selbst wenn man sie nicht aktiv korrigiert, lernt sie bei jeder Interaktion mit uns dazu. Welche Fragen werden in Zusammenhang mit welchem Thema besonders häufig gestellt? Welche Erklärungen werden in der Regel missverstanden? Welche Formulierungen gibt es bei der menschlichen Sprache? Welche Äußerungen sind besonders hilfreich? All das analysiert die KI während der Chats mit uns und kann diese Erkenntnisse vielleicht bereits bei der nächsten Anfrage eines anderen Users verwenden und ihm ein angenehmeres Sucherlebnis ermöglich.
Probiert es doch einfach mal aus!
Anne
Anne
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