Weltautismustag 2025 - Nicht unsichtbar!

Hallo ihr Lieben!

Am 02.04.2025 ist wieder Welt-Autismus-Tag! 

Ein Datum, das ich mir im Gegensatz zu Geburtstagen immer merken kann. 😂 

Auch in diesem Jahr steht der Welt-Autismus-Tag unter dem Motto: "Nicht unsichtbar." Eine Tatsache die mich ehrlich gesagt überrascht hat, denn das Motto im letzten Jahr war genau gleich. Aber gut, ich finde auch unter dem gleichen Motto neuen Inhalt für diesen Blog. Aber zuerst ein paar Grundlagen:

Autismus ist relativ selten, ungefähr 0,5 - 1 % der Weltbevölkerung sind davon betroffen. (Quelle: Max-Planck-Institut) Bei Autismus handelt es sich um eine Spektrum-Störung, die sich hauptsächlich in Besonderheiten in der Wahrnehmung, dem Sozialverhalten, der Kommunikation und dem Verhalten zeigen. Offiziell zählt die Autismus-Spektrum-Störung zu den tiefgreifenden Entwicklungsstörungen. Ein irreführender Begriff meines Erachtens, denn Entwicklungsstörung klingt so, als wäre Autismus heilbar, wenn man nur alt genug ist und genug Förderung erhält. Dem ist aber nicht so. Die Autismus-Spektrum-Störung ist nicht heilbar. Es gibt keine Medikamente und man wächst auch nicht heraus.

Aufgrund der Seltenheit von der Autismus-Spektrum-Störung ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Menschen in unserem Umfeld bisher wenig bis gar keine Berührungspunkte mit autistischen Menschen gehabt haben. Autismus ist für sie unsichtbar - sie haben nicht im Blick, dass es Mitmenschen gibt, die die Welt anders wahrnehmen, als sie es tun. Diese Tatsache macht es Autistinnen und Autisten aber teilweise im Alltag sehr schwer. Hier ein wichtiges Beispiel:

Arztbesuche

Jeder weiß: in Arztpraxen verbringt man die meiste Zeit im Wartezimmer. Das liegt daran, dass die Ärzte in ihrer Sprechzeit, die logischerweise natürlich zeitlich limitiert ist (auch Ärzte sind Menschen und brauchen Erholung), so viele Patienten versorgen müssen. Diese Aufgabe ist nur zu schaffen, in dem man Routinen entwickelt. Routinen machen es dem Gehirn leicht, zu entscheiden, was als nächstes zu tun ist, sie sorgen für Entlastung, weil nicht mehr über jeden Handlungsschritt nachgedacht werden muss. Der Arzt kann sich so zum Beispiel auf die Untersuchungsergebnisse konzentrieren, die er erhebt, statt auch noch intensiv darüber nachdenken zu müssen, was jetzt eigentlich bei so einer Untersuchung gemacht werden muss. Dazu kommt dann die Erfahrung - sie haben viele Krankheitsbilder in ihrem Berufsleben schon mehrfach erlebt und können die Untersuchungsergebnisse daher schnell einordnen und eine entsprechende Diagnose stellen. Dann greift wieder die Routine. Sie wissen, welche Maßnahmen oder Medikamente erforderlich sind, um dem Patienten zu helfen und teilen es ihm mit, schreiben ein Rezept aus. Dann kann der nächste Patient reinkommen. Je effektiver sie dabei sind, desto kürzer ist die Wartezeit für die anderen Patienten. 

Die meisten Patienten kommen mit der routinierten Vorgehensweise gut klar. Sie waren in der Regel schon häufig beim Hausarzt und kennen die Untersuchungsschritte. In den meisten Fällen können sie sogar schon vor Betreten der Arztpraxis vorhersehen, was sie beim Mediziner gleich erwarten wird. Autistischen Menschen dagegen fällt genau dieses Vorhersehen schwer. Das liegt daran, dass ihr Gehirn anders aufgebaut ist als das von Neurotypen. Autistische Personen nehmen beispielsweise viel mehr Details war. In bestimmten Lebensbereichen, zum Beispiel wenn sie irgendwelche Fehler in einem Text finden sollen, ist das von Vorteil. Für das Vorhersehen dagegen, ist es in der Regel eher ein Nachteil. Es fällt ihnen schwer, Erfahrungen zu generalisieren. Jeder Arztbesuch ist quasi neu und unvorhersehbar, weil sie so viele Details bei den unterschiedlichen Besuchen wahrnehmen, dass das Gehirn Schwierigkeiten hat festzustellen, was denn jetzt nun eigentlich nahezu immer übereinstimmt. Sie bräuchten bei jedem Arztbesuch konkrete Informationen des Arztes, was passieren wird, wie es sich anfühlen wird und wo sie berührt werden müssen. Mitunter sind manche Untersuchungen aber auch überhaupt nicht möglich, weil ihre Wahrnehmung es nicht zulässt. In diesen Fällen müssten Ärzte umdenken und ggf. andere Lösungen finden.

Und genau hier ist es so ungünstig das Autismus eine unsichtbare Behinderung ist. Viele autistische Menschen haben Schwierigkeiten, zu kommunizieren, was sie in solchen Situationen benötigen, bzw. können auch nicht zeigen, wenn etwas ganz und gar nicht für sie geht. Das kann dann dazu führen, dass sie beispielsweise ruckartig das Körperteil wegziehen, an dem sie gerade behandelt werden, weil sie von ihrer Wahrnehmung überrollt werden, oder weil sie komplett irritiert sind, weil sie nicht einordnen können, was gerade passiert. Ist mir neulich selbst beim Hals-Nasen-Ohrenarzt passiert. Der Arzt hat leider so gut wie gar nicht kommuniziert, meine Wahrnehmung im Ohrenbereich ist aber richtig extrem stark und deswegen bin ich immer wieder leicht weggezuckt. Er war dadurch genervt und hat immer nur gesagt: "Bitte stillhalten!" Ja nun, als ob ich mich extra viel bewege, um ihm die Arbeit möglichst schwer zu machen. Ganz im Gegenteil - ich habe mir alle Mühe gegeben möglichst ruhig zu sitzen und meine Wahrnehmung zu kontrollieren, und zwar von Anfang an. Wir wollen kooperieren. Wirklich. Nur unser Autismus macht es uns eben manchmal schwer. Gerade im medizinischen Bereich sollte das Fachpersonal eine Pflichtschulung zum Thema Autismus absolvieren. Woran kann man erkennen, dass man evtl. einen autistischen Menschen vor sich hat (falls der Patient es einem nicht kommunizieren kann), oder aber: welche Bedingungen kann ich schaffen, damit mein autistischer Patient die Behandlung gut schaffen kann. Es ist nicht leicht für uns, wenn wir jedes Mal "im Urschleim" anfangen müssen, um über die Wahrnehmungsbesonderheiten im Autismus-Spektrum hinzuweisen und aufzuklären, dass viele autistische Menschen Schwierigkeiten mit Körperkontakt und Unvorhersehbarkeit haben. Es wäre soo hilfreich, wenn man einfach in die Praxis käme und sagen würde: Ich habe Autismus; und der Arzt und das Praxispersonal einfach wenigstens Grundlagenwissen über dieses Störungsbild hätten. Das hilft nicht nur den Patienten, sondern auch den Mitarbeitern an sich, weil sie das Verhalten ihres Gegenübers dann viel besser einordnen könnten... 

Genau deswegen empfinde ich den Welt-Autismus-Tag so wichtig und das diesjährige Motto auch so stimmig. Weil ganz viele Menschen eben leider nachwievor nicht wissen, was Autismus ist und wie er sich auswirken kann, bzw. welche Bedürfnisse sich daraus ergeben. In Ländern wie England ist Autismus übrigens schon deutlich bekannter - es gibt in Museen Stimming-Spielzeuge zum Ausleihen, Rückzugsräume die direkt als solche eingerichtet sind, es gibt Übersichtspläne was einen an sensorischen Reizen in einer Ausstellung begegnen wird, ... Meine Hoffnung ist, dass wir es auch in Deutschland irgendwann dahin schaffen, dass die Autismus-Spektrum-Störung bekannter wird. Und dazu kann jeder autistische Mensch beitragen: 

Nehmt euch die Zeit und gebt Medizinern, Museen, Restaurants, Theatern, etc. Feedback was euch als autistischen Menschen gut gefallen hat und was noch verbessert werden könnte. Traut euch! Die meisten Freizeiteinrichtungen, aber auch Behörden sind sehr interessiert daran, dass diese barrierefrei sind, also auch von Menschen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen gut genutzt werden kann. Dabei denken sie aber häufig nur an die "klassischen" Beeinträchtigungen, wie Hörschädigung, Sehbehinderung, Gehbehinderung und, wenn es gut läuft, geistige Beeinträchtigungen. Autismus haben die wenigsten im Blick. Auf nahezu jeder Website gibt es Emailadressen der Einrichtungen. Habt Mut und schreibt einfach mal hin, was ihr erlebt habt. Selbst wenn ihr keine Antwort bekommt, heißt das nicht, dass eure Maßnahme umsonst war - es ist schon ein riesiger Fortschritt, dass die Verantwortlichen überhaupt mit dem Thema in Berührung gekommen sind. Je mehr von uns ein Feedback schreiben, desto klarer wird ihnen werden, wie wichtig es ist, auch auf diese Personengruppen Rücksicht zu nehmen. Also: probiert es aus! Und habt einen tollen Welt-Autismus-Tag.

Anne


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