Hallo ihr Lieben,
ich besitze eine Jahreskarte für den Leipziger Zoo und gehe immer wieder gern zu den Koalas, Elefanten und dem Aquarium. Tatsächlich muss ich aber sagen, dass ich Zoobesuche ohne Lärmschutzkopfhörer oder einem Hörspiel auf den Ohren, aufgrund meines Autismus, eigentlich gar nicht ertragen kann. Der Grund: Menschen. Heute möchte ich aufzeigen, mit welchen Herausforderungen autistische Menschen bei einem simplen Zoobesuch zu kämpfen haben und wie einfach es möglich wäre, auch Menschen mit Sozialphobie, Autismus, Posttraumatischer Belastungsstörung oder anderen Einschränkungen in der Wahrnehmungsverarbeitung, den Zoobesuch angenehmer zu gestalten. Und vielleicht liest ja sogar zufällig jemand aus dem Leipziger Zoo mit, der ein bisschen Einfluss hat und vielleicht einige Anregungen mitnehmen möchte. Das ist aber gar nicht erforderlich. Wenn auch nur ein Mensch hier mitliest und sein Verhalten in einem Tierpark überdenkt, hat dieser Beitrag sein Ziel bereits erreicht.
1. Der Eingang
Ich habe den Zoo noch nicht mal betreten und erlebe bereits die erste Herausforderung: die Mitarbeiter / Mitarbeiterinnen die an allen Eingängen postiert sind - auch an denen für die Jahreskarteninhaber. Ich verstehe das Konzept. Die Zoobesucher sollen den Eindruck vermittelt bekommen, dass sie Willkommen geheißen werden und sie persönlich wichtig sind, was darüber kommuniziert werden soll, dass man persönlich begrüßt wird. Außerdem sollen sie beispielsweise unterstützen, wenn es doch irgendwie Schwierigkeiten mit den Eintrittskarten geben sollte oder wenn Kinderwägen reingelassen werden müssen. Alles gut. Aber manchmal besuche ich eben den Zoo, um mich zu beruhigen, wenn es mir nicht gut geht. Und in solchen Momenten möchte ich eigentlich nur meine Ruhe haben, mit niemandem sprechen und sofort ins Koala-Haus oder das Aquarium gehen. Und in so einem Moment ist es massiv unangenehm, wenn man glaubt, man hat einen Eingang gefunden, an dem gerade keine Mitarbeiter stehen und plötzlich tauchen sie doch auf, weil sie einen bemerkt haben. Wie wäre es denn, wenn man nur einen einzigen Eingang einrichten könnte, an dem man ohne Zwangskontakt mit den Mitarbeitern den Zoo betreten kann? Wenn man Unterstützung bei der Handhabung der Eintrittskarte benötigt, kann man doch immer noch proaktiv die Mitarbeiter ansprechen... Und ich bin mir sicher, dass es auch neurotypische Menschen gibt, die nicht unbedingt auf einen 1:1-Kontakt direkt am Eingang stehen...
2. Zu volle Häuser
Es gibt Tierhäuser, die relativ klein sind, weil dort zum Beispiel nur wenige Tiere untergebracht sind oder die einen geringeren Platzbedarf haben, als das bei anderen Tierarten der Fall ist. Umso weniger Platz haben natürlich die Besucher. Das interessiert nun aber leider die wenigsten und so sind die Häuser in der Regel besonders an den Wochenenden brechend voll. So hat im Prinzip niemand etwas von dem Zoobesuch, weil man eigentlich überhaupt nichts von den Tieren sieht. Mir ist unerklärlich, warum der Zoo Unmengen an Besuchern einlässt, obwohl gerade den erfahrenen Mitarbeitern klar sein müsste, dass es sich dann an nahezu allen Gehegen staut. Ja, logisch - Geld. Je mehr Zoobesucher, desto mehr Geld nimmt der Zoo ein. Viel intelligenter wäre aber, wenn man die Besucher gestaffelt einlassen würde, also beispielsweise 5 min zeitversetzt. Dann würde es sich besonders am Eingang deutlich entzerren. Oder auf eine Maximalanzahl an Besuchern an den einzelnen Spotlights achten, damit es nicht überfüllt ist. Beim Aquarium beispielsweise hängt eine Ampel. Ich könnte mir vorstellen, dass es dort auf alle Fälle möglich ist, den Besucherstrom zu messen. Diese Daten könnten beispielsweise dazu genutzt werden, eine elektronische Tafel am Eingang auszuhängen, wo dann z. B. eingeblendet wird, wie voll es gerade im Erdgeschoss oder am Rundbecken ist und dann könnte auch jeder selber entscheiden, ob er das in dem Moment möchte, oder vielleicht doch lieber um eine halbe Stunde verschiebt. Technisch gibt es da garantiert Möglichkeiten. Oder, wenn es technisch nicht möglich ist, könnte man die Mitarbeiter dazu befähigen, den Besuchern solche Informationen zu geben und sie ein Stück weit zu lenken. Denn man sieht von außen ja nicht, wie voll das Tierhaus gerade ist. Ein großes Problem sind aber auch die 1x täglichen Fütterungszeiten, die dafür sorgen, dass die einzelnen Gehege überproportional stark besucht werden. Würden die Fütterungen mehrfach am Tag angeboten werden, wären die Zuschauer nicht so sehr gezwungen unbedingt da stehen bleiben zu müssen.
Eine ganz andere Idee wäre es, Zooübersichtspläne in zwei verschiedenen Varianten auszufertigen. Die eine Route würde dann links herum führen, die andere Route rechts herum und wer welche Route geht, würde dann der Zufallsgenerator entscheiden. Auch so würde es sich wesentlich entzerren, weil nicht alle an dem gleichen Gehegen starten.
3. Lautstärke
Es ist mir ein absolutes Rätsel, warum die meisten Menschen bei ihrem Zoobesuch so einen Höllenlärm veranstalten. Eigentlich besucht man doch einen Zoo, weil man neue Dinge über die dort lebenden Tiere erfahren bzw. ihr Verhalten oder ihr Aussehen beobachten möchte. Das gelingt meines Erachtens am besten, wenn die Tiere sich möglichst unbeobachtet fühlen. Tiere haben ein deutlich besseres Gehör als das bei Menschen der Fall ist, es ist also ganz logisch, dass sie sich bei großem Trubel vor ihrem Gehege eher zurückziehen, weil sie der Lärm stresst. Ich habe immer wieder den Eindruck, dass Leute eigentlich gar nicht unbedingt in den Zoo gehen, weil sie etwas über die Tiere lernen wollen, sondern eher als Event. "STELL DICH DA MAL HIN! ICH WILL MAL EIN FOTO MACHEN!" / "SIIIIEEEEHST DU DAS TIER DORT?" Es wird gekreischt, rumgebrüllt, Tiergeräusche nachgemacht, ... Und das leider nicht nur bei Tieren wie Affen, die ohnehin extrem aktiv sind, sondern auch zum Beispiel bei den Koalas oder dem Aquarium, die ja eigentlich prädestiniert dafür sind, dass man dort zur Ruhe kommt. Die meisten Leute lassen sich einfach partout nicht auf die Atmosphäre ein.
4. Allgemeines Verhalten von Zoobesuchern
Neben der unangemessenen Lautstärke, die viele Zoobesucher an den Tag legen, verhalten sich ganz viele Menschen, als ob sie alleine im Zoo wären. Da wird beispielsweise auf Hauptwegen mit einem Bollerwagen gerannt, man hält sich nicht an die Laufrichtung in bestimmten Häusern, Kinder werden beispielsweise auf Gehegebegrenzungen gesetzt - mein absoluter Favorit war, dass jemand auf einen der Felsen direkt neben dem Erdmännchengehege gesetzt wurde. Leute! Die Scheibe ist nicht aus Spaß da - die dient zum Schutz! Was glaubt ihr passiert, wenn das Kind plötzlich ins Gehege fällt?! Dann ist aber das Theater groß. Bei den Koalas wird regelmäßig ignoriert, dass ohne Blitzlicht fotografiert werden soll, Kinder klettern auf Dekorationselementen herum, ... Viele autistische Menschen sind große Regelfetischisten, ich zumindest kann es absolut nicht leiden, wenn sich Leute aktiv dazu entscheiden, die gegebenen Regeln zu ignorieren oder wenn ich Leuten ausweichen muss, nur weil sie sich nicht benehmen können. Es gibt so viele Spielplätze im Zoo. Bitte bringt euren Kindern doch bei, wie man sich außerhalb von Spielplätzen in Gemeinschaftseinrichtungen wie Zoos sinnvoll benimmt... Bitte, bitte!!
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