Welt-Autismus-Tag 2024 : Nicht unsichtbar

Hallo ihr Lieben! 

Am 02.04.2024 ist wieder Welt-Autismus-Tag! 

Ein Datum, das ich mir im Gegensatz zu Geburtstagen immer merken kann. 😂 

Der diesjährige Welt-Autismus-Tag steht unter dem Motto: "Nicht unsichtbar!" Klingt zunächst mal ein bisschen merkwürdig, macht aber auf den zweiten Blick durchaus Sinn! Eine Gehbehinderung lässt sich beispielsweise nur schwer verstecken, weil man eben nun einmal entweder Hilfsmittel wie Rollstuhl, Stützen, Rollator, etc. benötigt, mindestens aber ein "auffälliges" Gangbild hat. Blinde Menschen erkennt man an einem Führstock, dem Anstecker mit den drei schwarzen Punkten auf gelben Grund, oder gar einem Blindenführhund. Hörgeschädigte tragen in aller Regel ein Hörgerät oder CI (Cochlear Implantat), bzw. lassen sich leicht "enttarnen", weil sie Gebärdensprache zur Kommunikation benötigen. Bei manchen Behinderungen / Besonderheiten / Einschränkungen (nennt es, wie ihr gern mögt), benötigt man als Außenstehender noch nicht mal Hilfsmittel um zu erkennen, dass das Gegenüber eine Besonderheit hat, weil sich die Behinderung eben auch auf körperliche Merkmale auswirkt. Die Autismus-Spektrums-Störung dagegen gehört zu den Störungsbildern, die auf den ersten Blick quasi unsichtbar sind. Betroffene benötigen in der Regel keine offensichtlichen Hilfsmittel und sehen genauso aus, wie die Neurotypen in ihrer Umgebung.

Dazu kommt, dass viele autistische Menschen versuchen, ihren Autismus zu verstecken, weil sie die Erfahrung gemacht haben, dass die meisten Neurotypen von Autismus so gut wie keine Ahnung haben. Autismus ist relativ selten, ungefähr 0,5 - 1 % der Weltbevölkerung sind davon betroffen. (Quelle: Max-Planck-Institut) Die Wahrscheinlichkeit, dass die neurotypischen Personen bereits autistische Menschen kennengelernt haben, ist also relativ gering. Das "Wissen" über dieses Störungsbild entspringt in der Regel Kinofilmen und Serien, deren Produzenten sich vorab in der Regel nicht mit Autismus auseinandergesetzt haben, sondern mit Vorurteilen spielen und ihn einfach als witzigen Zusatz einbauen, weil Betroffene ja so herrlich unbeholfen und merkwürdig sind. (Ironie off) Autistische Menschen müssten meistens also erst einmal Aufklärungsarbeit betreiben, bzw. mit Irrtümern über dieses Störungsbild aufräumen, bevor sie mit Verständnis beim Gegenüber rechnen könnten. Sehr anstrengend und häufig nicht unbedingt von Erfolg gekrönt. 

Betroffene "outen" sich häufig nicht, man sieht es ihnen aber auch nicht sofort an, es handelt sich also um eine, für Außenstehende unsichtbare, Behinderung.

Warum führt eine unsichtbare Behinderung häufig zu noch mehr Problemen?

Menschen mit einer unsichtbaren Behinderung (und dazu zählen noch deutlich mehr Störungsbilder / Erkrankungen als nur die Autismus-Spektrums-Störung) haben häufig das Problem, dass ihre Umwelt nicht auf dem Schirm hat, dass es auch Einschränkungen gibt, die auf den ersten Blick für sie nicht zu erkennen ist. Wenn Betroffene dann z. B. kommunizieren, dass sie aufgrund ihrer Behinderung bei bestimmten Aktivitäten / Veranstaltungen nicht mitmachen können oder kurzfristig absagen müssen, weil es ihnen aufgrund ihrer Erkrankung spontan nicht gut geht, wird das häufig als "Stell dich doch nicht so an, du hast doch gar nichts." ausgelegt. Das ist höchstwahrscheinlich noch nicht mal eine böse Absicht - wer nicht von einem Störungsbild / einer Krankheit betroffen ist, kann nicht nachvollziehen, wie es ist, mit einer solchen zu leben. Sie bekommen einfach nicht zusammen, dass jemand auch krank sein oder Schwierigkeiten haben könnte, dem man das nicht ansieht. Bei Personen mit einer offensichtlichen Behinderung, wie eben beispielsweise einem Rollstuhlfahrer oder Blinden ist meistens automatisch Verständnis und Hilfsbereitschaft da, weil man ja eindeutig sehen kann, dass derjenige nicht alles so kann, wie man selbst das vielleicht könnte. Menschen mit unsichtbaren Erkrankungen stoßen dagegen in der Regel auf Unverständnis und müssen unglaublich viel Aufklärungsarbeit leisten, damit ihnen überhaupt geglaubt wird. Manchmal benötigt es sogar Fachleute, um zu "beweisen" das dieses oder jenes wirklich nicht möglich ist. Eine Tatsache, die enorm viel Kraft kostet.

Unsichtbar = Unter dem Radar

Unsichtbar bedeutet aber nicht nur, dass man Personen ihre Einschränkung nicht auf den ersten Blick ansieht, sondern dass nicht-betroffene Menschen bestimmte Störungsbilder aufgrund ihres seltenen Auftretens einfach nicht auf dem Schirm haben und darum auch nicht auf die störungsspezifischen Bedürfnisse Rücksicht nehmen können. Das geht bei ganz bekannten Behinderungen los - wie viele Gebäude sind beispielsweise nicht barrierefrei eingerichtet, obwohl man auf Personengruppen mit diesem Hilfsmittel deutlich häufiger im Alltag trifft? Autistische Menschen stoßen häufig auf Schwierigkeiten, weil einfach niemand an die Besonderheiten gedacht hat, die der Autismus so mit sich bringt. So mangelt es bei Großveranstaltungen häufig an Rückzugsmöglichkeiten. Stillräume für Mütter dagegen sind in den meisten Gebäuden Standard. Dabei würden nicht nur Menschen mit einer Autismus-Spektrums-Störung davon profitieren, sich mal von der Menschenmenge abzusetzen und Energie zu tanken. Ein anderes Beispiel ist die "Stille Stunde" beim Einkaufen. Dabei handelt es sich um einen Zeitraum, in dem die Reize im Laden auf ein Minimum reduziert werden. Inzwischen weitet sich das Angebot auch in Deutschland Schritt für Schritt aus, es gibt aber durchaus Supermarktketten, die eine solche Einführung kategorisch ausschließen. Frei nach dem Motto: "Stellt euch mal nicht so an, die anderen Kunden müssen ja auch unter normalen Voraussetzungen einkaufen." Ich glaube, dass das daran liegt, dass die Leute einfach nicht wissen, wie es ist, mit Autismus zu leben. 

Und genau aus den oben genannten Gründen finde ich das Motto des diesjährigen Welt-Autismus-Tages absolut genial. Die Autismus-Spektrums-Störung muss bekannter werden, um endlich mit den üblichen Vorurteilen aufzuräumen und darauf aufmerksam zu machen, wie es wirklich ist, mit Autismus zu leben. Welche Stärken wir haben, was wir nicht gut können, wie man uns das Leben leichter machen kann... Ich habe mir inzwischen einen Anstecker mit dem Autismus-Symbol an den Rucksack gepinnt. Liebe autistische Menschen: versteckt euch nicht länger! Ihr seid genial - genauso wie ihr seid und dazu trägt auch der Autismus ein Teil bei!

Anne


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