Wie kann man autistische Menschen an Masken gewöhnen?

Hallo!

Die kalte Jahreszeit geht los und pünktlich dazu steigen die Coronazahlen wieder an und in vielen Bundesländern wird die Maskenpflicht wieder verschärft. Natürlich bieten sie einen relativ guten Schutz vor Corona (und nebenbei auch vor vielen anderen Erkrankungen, die über die Luft übertragen wird), aber angenehm sind sie eben auch nicht gerade. Die meisten Menschen sind deswegen nicht die allergrößten Fans der Maskenpflicht, was ich wirklich gut verstehen kann. Wir müssen nicht darüber diskutieren - es gibt etwas angenehmeres. Für manche Menschen im Autismus-Spektrum sind die Masken allerdings nicht nur unangenehm, sondern eine fast unlösbare Herausforderung. Welche Probleme könnten für sie auftreten beim Maske tragen:
  • Es ist schwieriger Bezugspersonen zu erkennen, weil logischerweise der Großteil des Gesichts bedeckt ist. Am Anfang der Pandemie hatte ich damit wirklich große Schwierigkeiten, weil die Menschen einfach komplett anders ausgesehen haben. 
  • Manche Betroffene verstehen nicht, warum man die Maske überhaupt tragen muss - früher musste man das schließlich auch nicht tun - warum muss diese Veränderung jetzt sein?
  • Es ist eine sensorische Herausforderung: vielleicht beschlägt die Brille, es ist feucht-warm unter der Maske, das Atmen fühlt sich anders an, die Maske drückt vielleicht im Gesicht und übt so einen gewissen Druck aus, ... Wenn noch andere Reize von außen dazu kommen, kann das Maske tragen bisweilen zu einer Reizüberflutung oder sogar einem Meltdown führen. 
Die Schwierigkeiten können so groß sein, dass manche Betroffene sich schlichtweg weigern, eine solche Maske zu tragen. Es ist zwar unter bestimmten Voraussetzungen möglich, autistische Menschen von der Maskenpflicht zu befreien, da sie aber für sich selbst und andere ein wirklich wirksamer Schutz vor Corona ist, sollte man lieber überlegen, wie man ihnen dabei helfen kann, die Maske besser zu tolerieren. Dafür gibt es heute ein paar Tipps und Anregungen. 

Schrittweise Konfrontation mit der Maske

Gerade bei Betroffenen die wirklich massive Probleme mit den sensorischen Bedingungen haben, kann es fatal sein, direkt das anlegen der Maske zu verlangen. Viel sinnvoller ist es, sich langsam an das Maske tragen heranzutasten. Schritt 1: erklären, warum es notwendig ist, die Maske zu tragen. Das kann man auch Menschen mit einer zusätzlichen geistigen Behinderung recht gut erklären, indem man zum Beispiel im Internet nach Beiträgen in leichter Sprache sucht, hier wäre zum Beispiel eine gute Internetseite: Warum Maske - einfache Sprache , es gibt aber noch viele weitere Seiten, die sich mit dem Thema beschäftigen. Schritt 2: Vorbild sein. Tragt die Maske selbst und erklärt immer wieder warum ihr das tut. Es kann hilfreich sein, eine Transparente FFP2-Maske zu nutzen, damit die autistische Person Sie problemlos auch mit der Maske erkennt auch Ihre Mimik gut erkennen kann. Schritt 3: Maske zum befühlen in die Hand geben. Schritt 4: Maske aufsetzen, aber noch ohne das Gummiband zu befestigen und auch nur ganz kurz, Schritt 5: Gummiband hinter den Ohren fest machen - nur ganz kurz. Schritt 6: Tragedauer langsam steigern. Fangt mit ganz kurzen Zeitabschnitten an, am Anfang auch gern nur wenige Sekunden. Wichtig ist auch, dass die Maske jederzeit abgenommen werden darf, wenn es der autistischen Person zu viel wird, damit sie keine Angst davor bekommt, weil sie sich ausgeliefert / hilflos fühlt. 

Vorhersehbarkeit schaffen

Viele Dinge sind für autistische Menschen zwar stark herausfordernd, aber wesentlich leichter zu ertragen, wenn folgende Punkte für sie geklärt sind:

1. In welchen Situationen muss ich das für mich Unangenehme ertragen?
2. Warum muss ich es ertragen?
3. Wie lange muss ich es erdulden?
4. Was hat es für Konsequenzen, wenn ich es nicht tue?

Im konkreten Fall (Maske tragen) gibt es dafür ganz verschiedene Möglichkeiten. Man könnte das Maske tragen zum Beispiel in den Tagesplan einbauen. Wenn zum Beispiel einkaufen auf dem Programm steht, könnte man neben das Einkaufssymbol ein Maskensymbol ans Whiteboard pinnen. Unter die Maske kann man schreiben, wie lange die Maske ungefähr getragen werden muss (in der Regel solange der Einkauf dauert). Oder man formuliert einen extra Maskenplan. Dort stehen dann alle Situationen drauf, in welchen die Maske getragen werden muss und wie lange das in der Regel andauern wird. Wichtig ist dann natürlich, dass der Plan immer griffbereit und in Sichtweite des Betroffenen ist. Wenn dann ein Event ansteht bei dem das Tragen der Maske erforderlich ist, kann zusätzlich auf den Tagesplan geschrieben werden: "Siehe Maskenplan" oder eben dazugehangen werden...

Belohnungen einbauen / Maske mit positiven Aktivitäten verknüpfen

Unangenehmes kann häufig deutlich besser ertragen und toleriert werden, wenn es sich "lohnt". Ich möchte euch nicht enttäuschen, aber sich nicht mit Corona anzustecken ist zwar die logische Konsequenz der Maske, wenn man aber enorme Probleme mit dem Tragen hat, ist das definitiv nicht ausreichend. Da braucht es schon eine größere Motivation. Zum Beispiel könnte man vereinbaren, dass immer wenn die Maske getragen werden muss, ein Bonbon gelutscht werden darf oder das nach erfolgreichem Tragen (also ohne unkontrolliertes absetzen zwischendurch) das Lieblingscomputerspiel gespielt werden darf, wenn man wieder zu Hause ist. Oder das Kind darf z. B. während des Tragens immer das Lieblingshörspiel hören. Wenn der Betroffene das Maske tragen mit etwas positiven verknüpft, ist es für alle wesentlich stressfreier, das tragen durchzusetzen. Es gibt sogar Anbieter, die FFP2-Masken personalisieren - das kostet natürlich ein bisschen mehr, aber vielleicht wird die Maske mit Bibi und Tina ja lieber getragen, als eine stinknormale weiße? Seid kreativ!

Fazit

Maske tragen ist für die meisten Menschen nicht angenehm und für Autisten sogar eine extreme Herausforderung, aber es gibt definitiv Möglichkeiten, wie man sie a) an die Masken heranführen kann und b) es ihnen so angenehm wie möglich gestalten kann. Wichtig ist aber meines Erachtens, dass sie nicht dafür bestraft werden, wenn sie an manchen Tagen daran scheitern und die Maske entweder gar nicht tragen können, oder vorzeitig abbrechen müssen. Ihr müsst immer daran denken, dass eine Maske für unfassbar viele Reize sorgt und Autist: innen sind nun mal leider nicht dafür bekannt, dass sie Reize besonders gut ausblenden könnten... Sie werden es in aller Regel nicht böse meinen, sondern es einfach nicht schaffen. Es sollte auch immer wieder kommuniziert werden, dass die Maske jederzeit abgesetzt werden darf, wenn wirklich nichts mehr geht. Andernfalls wird die Maske mit Hilflosigkeit, Reizüberflutung, Zwang und allen anderen erdenklichen negativen Dingen in Verbindung gebracht und das wird natürlich nicht dazu führen, dass die Maske ohne Theater oder Tränen freiwillig getragen wird.  

Habt einen schönen Tag.
Anne    

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