Barnum-Effekt: Warum Horoskope erstaunlich häufig eintreffen

Hallo!

Schön, dass ihr immer noch hier seid. :) Ich hatte ein bisschen Sorge, dass die vierzehntägige Pause viele Leser: innen dazu bringt, diesem Blog den Rücken zuzukehren. Aber offensichtlich seid ihr mir treu geblieben. Das finde ich super schön! Wie versprochen, gibt es heute den 1. Beitrag zum Thema Psychologie. 

Ich gehe davon aus, dass jeder von euch schon mal sein Horoskop gelesen hat. Zum Einstieg möchte ich euch zu einem kleinen Experiment einladen. 
  • Gespräche mit Freunden oder Familie bringen Ihnen heute besondere Befriedigung.
  • Ihr Verstand arbeitet heute präzise und klar.
  • Heute sind Sie besonders freundlich und zuvorkommend.
  • Heute zeigt sich eine Tendenz zum Grübeln.
Von welchem Sternzeichen habe ich aus dem Horoskop zitiert? Wer von euch fühlt sich angesprochen? Die Wahrheit: ich habe diese Sätze aus den Horoskopen von sagenhaften vier verschiedenen Sternzeichen - Fische, Stier, Krebs, Schütze. Ich persönlich fühle mich von allen vier Sätzen angesprochen. By the way: ich bin Zwilling...  Wenn man tatsächlich mal jeden Tag notieren würde, ob man sich von seinem Horoskop angesprochen gefühlt hat, wird man zu dem Ergebnis kommen, dass es erstaunlich häufig zutrifft, was da so geschrieben steht. Hat die Position der Sterne / Planeten im Weltall wirklich so einen enormen Einfluss auf unser Leben hier auf der Erde? 😱 Keine Bange. Ich möchte jetzt keine Grundsatzdiskussion über die Glaubwürdigkeit von Astrologie vom Zaun brechen. Jeder soll daran glauben, an das er gern möchte und Horoskope sind mindestens ein angenehmer Zeitvertreib. Ich glaube aber persönlich eher, dass dem ganzen ein psychologischer Effekt zu Grunde liegt: der Barnum-Effekt.

Was steckt hinter dem Barnum-Effekt?

Die Theorie: Je allgemeiner / unspezifischer eine Aussage ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir uns davon angesprochen fühlen. Und wenn man klassische Horoskoptexte mal analysiert, wird man auf folgende "Techniken" stoßen:

1. Welche Probleme / Sorgen / Wünsche haben die meisten Menschen? 

Dafür braucht man tatsächlich keinen Doktortitel in Psychologie und muss nicht mal eine besonders gute Menschenkenntnis besitzen. Es genügt, wenn man sich mal zwei Stunden in eine Bar setzt und "Mäuschen spielt". Worüber sprechen die Leute? Was beschäftigt sie? Die meisten Menschen sind relativ ähnlich gestrickt und haben ähnliche Probleme oder Bedürfnisse. Zum Beispiel: "Ich fühle mich unsicher, wenn ich vor fremden Menschen einen Vortrag halten soll!" (Sicher gibt es Menschen, die sind absolute Rampensäue und lieben solche Situation, ich kenne persönlich aber sehr wenig Menschen, die es völlig kalt lässt, wenn sie so etwas tun müssen...) oder "Ich wünsche mir einen Partner, der mich so nimmt, wie ich bin!" (Wer möchte schon einen Partner, der ständig auf einem herumhackt?) Wenn man solche Aussagen verwendet, fühlen sich garantiert mindestens 70 % der Bevölkerung angesprochen.

2. Positive Aussagen verwenden.

"Du bist heute sehr geduldig und außerordentlich friedfertig zu deinen Mitmenschen." Das liest und glaubt man doch gern, oder nicht? Wie viele Menschen würden, wenn sie eine solche Aussage in ihrem Horoskop lesen, sagen: "Also nee. Das stimmt ja mal überhaupt nicht - ich bin heute eigentlich ein übelster Kotzbrocken gewesen?" Menschen mögen es, wenn jemand nette Dinge über sie sagt, bzw. ihnen gute Eigenschaften zuweist, und sind in der Regel natürlich gewillt, diese zu glauben... Mag sein, dass wir ausgerechnet an dem Tag, wo der Satz in dem Horoskop stand, eigentlich ein ziemlicher Stinkstiefel gewesen sind. Und trotzdem: wenn wir einen solchen Satz im Horoskop lesen, werden wir ganz sicher irgendwelche Beispiele finden, die darauf hindeuten, dass es stimmt. Ach stimmt ja - ich habe heute beim Bäcker jemand vorgelassen! Oder ich habe meinen Chef nicht angebrüllt, obwohl er es nach der zehnten Erklärung immer noch nicht gecheckt hat - hach, was bin ich doch für ein geduldiger Mensch...

3. Es werden Aussagen genutzt, die schwer zu widerlegen sind.

"Du neigst heute dazu, sehr stark ablenkbar zu sein!" Eine Aussage, für die sich hundertprozentig bei jedem Menschen Beispiele finden lassen. Hat man doch heute wirklich jede vorbeifahrende Straßenbahn gehört... Und eigentlich hätte man sich vielleicht lieber auf die Tabellenkalkulation konzentrieren sollen, anstatt ständig mit der Kollegin zu quatschen... "Du hast heute viel zu oft gequatscht und darum deine Arbeit nicht geschafft.", dagegen, ist sehr viel konkreter und trifft vermutlich auf weniger Leute zu... Das Beispiel ist vielleicht ein bisschen schwierig, aber ich gehe davon aus, ihr wisst worauf ich hinaus will. 

4. Es werden Aussagen genommen, die nie wirklich falsch sind.

Zum Beispiel: "Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf Morgen!" Jeder Mensch hat täglich dutzende Aufgaben. Und viele Personen neigen dazu, gerade unangenehmere / langweiligere Aufgaben eher auf den nächsten Tag zu verschieben... Wisst ihr was ich meine? Es lässt sich eigentlich für jeden Menschen, in jeder Lebenssituation ein passendes Beispiel dafür finden. Sogar wenn derjenige gerade Urlaub hat. Man könnte zum Beispiel heute die Wäsche waschen, statt erst morgen oder übermorgen, Zeit wäre doch genug... 

Warum heißt der Effekt, wie er heißt?

Der psychologische Effekt wurde nach Phineas Taylor Barnum benannt. Er war US-Amerikaner und hatte u. a. einen Wanderzirkus, ein Kuriositätenkabinett und Politiker. Für den Barnum-Effekt war das Kuriositätenkabinett verantwortlich. Alles was irgendwie schräg und einzigartig war, wurde in diesem Museum aufgenommen, er nahm keinerlei Sortierung vor. Das hat dazu geführt, dass dort drin für jeden irgendetwas zu finden war, was derjenige irgendwie spannend findet. Das ist ja auch irgendwie das, was der Effekt beschreibt: eine Aussage wird so formuliert, dass jeder eigentlich irgendetwas daraus entnehmen kann, das auf ihn zutrifft. Eingeführt wurde der Begriff von Paul Meehl. 

Der Barnum-Effekt ist übrigens noch unter einem anderen Namen bekannt: Forer-Effekt, benannt nach Bertram Forer - einem us-amerikanischen Psychologen. Er hat seine Studenten einen Persönlichkeitstest ausfüllen lassen, die mit Aussagen wie "Ich bin tendenziell selbstkritisch!" / "Ich mag ein gewisses Maß an Veränderung." gespickt waren. Anschließend hat er allen Studenten einen Text als Auswertung vorgelegt, den er aus den unterschiedlichsten Horoskopen völlig willkürlich zusammengestellt hatte - und zwar völlig unabhängig davon, was sie bei dem Persönlichkeitstest geantwortet hatten. Anschließend sollten die Studenten beurteilen, wie gut sie sich von dem Text beschrieben fühlen. Das durchschnittliche Ergebnis lag bei 4,26 von 5 möglichen Punkten. Theoretisch hätten also fast alle anwesenden Studenten einen annähernd gleichen Charakter haben müssen.... Hatten sie natürlich nicht. Forer hatte einfach nur allgemeingültige Aussagen verwendet, durch die sich zahlreiche Menschen nun einmal wiederfinden, wenn sie daran glauben wollen...

Fazit

Im Prinzip kann man folgende Aussage treffen: Horoskope stimmen immer. Das liegt daran, dass ihre Vorhersagen so vage formuliert sind, dass man in der Regel nicht in der Lage ist, das Gegenteil zu beweisen, bzw. immer irgendwelche Beispiele finden kann, die beweisen, dass die Aussage stimmt. Ich möchte damit nicht sagen, dass die Sterne überhaupt keinen Einfluss auf unser Leben haben. Wer weiß das schon? Wenn man aber nicht an Astrologie glaubt, kann man in der Psychologie eine recht simple Erklärung dafür finden... 

Und jetzt: Tschakka! Schnappt euch euer Horoskop und überprüft doch mal, ob ihr den Barnum-Effekt entlarven könnt! Habt einen schönen Tag!
Anne 

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