Was ist Mutismus?

Guten Tag!

Heute möchte ich euch von einem Störungsbild berichten, welches von Außenstehenden leicht mit Autismus verwechselt werden kann, aber im Grunde genommen nichts damit zu tun hat: der Mutismus. 

Was ist Mutismus?

Der Mutismus ist ein Störungsbild, das häufig im Kindesalter das erste Mal auftritt, in der Regel im Alter von ca. 2 - 5 Jahren. Es gibt auch erwachsene Menschen mit diesem Störungsbild, dies ist allerdings sehr selten. Bei ihnen liegt es dann entweder daran, dass der Mutismus bereits im Kindesalter aufgetreten ist und nicht behandelt wurde, oder es liegt eine schwere Depression, Psychose vor. Selten kann der Mutismus bei Erwachsenen aus traumatischen Erlebnissen entstehen. In der Regel tritt Mutismus aber eher im Kindesalter auf.

Die Störung wirkt sich auf die Kommunikation aus. Man unterscheidet zwischen totalem und selektivem Mutismus. Menschen mit selektivem Mutismus sprechen ausschließlich mit vertrauten Personen, wie zum Beispiel engen Freunden oder der Kernfamilie (Mama, Papa, Geschwister). Außerhalb dieses Personenkreises sprechen sie kein Wort. Es kann auch genau umgedreht sein, also dass sie außerhalb sprechen, aber in ihrer Familie nicht, das ist jedoch wesentlich seltener. Beim absoluten Mutismus dagegen, sprechen die betroffenen Personen überhaupt nicht, egal mit wem. Wichtig: bei den Betroffenen liegen keinerlei organischen Probleme vor, die das schweigen begründen würden. Es handelt sich um psychische Probleme, die diese Kommunikationsstörung auslösen. Konkreter: bei Mutismus handelt es sich um eine Form der Angststörungen

Gibt es außer dem schweigen noch andere Symptome?

Die Störung beschränkt sich allerdings nicht nur darauf, dass Betroffene nicht sprechen können. Sie machen auch keine anderen Geräusche, wie z. B. husten, singen, weinen, lachen. Die Patienten sind wirklich komplett stumm. Außerdem haben sie meistens einen relativ starren, unbewegten Gesichtsausdruck und nutzen sehr wenig Körpersprache. Das macht es schwierig, ihnen anzumerken, wie es ihnen gerade geht. Meistens wirken sie ängstlich. 

Außerdem kann sich der Mutismus darin äußern, dass in einer Gruppe von Menschen keine Nahrungsaufnahme stattfindet, also weder gegessen, noch getrunken wird. Manche Kinder mit Mutismus essen auch nur bestimmte Lebensmittel, also eingeschränkt. Es kann auch vorkommen, dass die Kinder sich nach dem Toilettengang weigern, sich zu reinigen (abwischen, Hände waschen, etc.), wieder andere Kinder gehen ausschließlich in ihrer gewohnten Umgebung auf die Toilette. Zusätzlich versuchen sie in der Regel Kontakt mit anderen Menschen aus dem Weg zu gehen, sie spielen nicht mit anderen Kindern und beschäftigen sich in der Regel mit Dingen, die keine anderen Personen erfordert. Ein wichtiges Merkmal des Mutismus ist, dass Eltern in der Regel vorhersehen können, wann das Kind sprechen wird und wann nicht. 

Was sind die Ursachen für Mutismus?

 Wie ich oben bereits erwähnt habe, liegen zumindest keine gesundheitlichen Probleme vor, die sich auf die Stimme auswirken könnten. Dennoch gibt es Ansätze, woran Mutismus liegen könnte. Eine Theorie ist, dass das Kind genetisch vorbelastet ist. Wenn in einer Familie häufig Depressionen oder Angststörungen auftreten, sind die Kinder wesentlich gefährdeter Mutismus zu bekommen. Eine andere Möglichkeit ist, dass das Angstzentrum im Gehirn "übermotiviert" ist. Die Amygdala (der Teil des Gehirns der für das erkennen, einordnen und melden von Gefahren zuständig ist) befindet sich bei den Betroffenen in permanenter Alarmbereitschaft. Ungefährliche Situationen werden als Gefahr interpretiert und das Gehirn greift auf das Steinzeitverhaltensmuster zurück und stellt sich quasi tot. Es kann aber auch sein, dass es ein Ungleichgewicht im Gehirnstoffwechsel gibt. DEN Grund warum Mutismus vorliegt, gibt es aber nicht. Deswegen muss bei jedem Patienten individuell geschaut werden, woran es tatsächlich liegt.

Ist Mutismus heilbar? Wenn ja - was hilft Betroffenen?

Diese Frage lässt sich erfreulicherweise mit einem klaren JA beantworten. Mutismus gehört zu den sogenannten "überwindbaren" Störungen. Darum tritt diese Störung ja auch am häufigsten bei Kindern auf. Wenn es nicht heilbar wäre, könnte man sie nicht einem gewissen Alter zuordnen. In der Regel hilft den Kindern eine Kombination aus Psychotherapie und Logopädie. Es gibt in Deutschland drei bekannte Mutismustherapien:

- Systematische Mutismustherapie
- Kooperative Mutismustherapie
- Dortmunder Mutismustherapie

Ich kenne mich im Bereich der Logopädie nicht besonders gut aus. Im Groben lässt es sich aber folgendermaßen zusammenfassen: die Kinder lernen, wie sie mit negativen Gefühlen wie Angst, Traurigkeit sowie Konfliktsituationen wirkungsvoll umgehen können, ohne ins Schweigen zu verfallen. Außerdem erfahren sie, dass sprechen mit fremden Menschen unter Umständen nicht nur unangenehm und anstrengend sind, sondern teilweise sogar Vorteile mit sich bringt. Sie lernen kleinschrittig auch außerhalb ihres gewohnten Umfeldes angstfrei zu sprechen. Es wird nonverbal bekommen und sollte immer am Kind ausgerichtet sein.

Am wichtigsten um den Mutismus nicht noch zu verschlechtern ist, dass man das Kind nicht zum sprechen zwingt. Weder dazu Gedichte aufzusagen/Lieder vorzusingen, noch es unter Druck setzen, irgendwem zum Beispiel Guten Tag zu sagen. Sonst speichert das Gehirn diese Situationen, in denen ja ohnehin schon nicht gesprochen wird, als noch schlimmer ab und das Kind spricht erst recht nicht. Es gilt quasi am Anfang jeden Druck, der auf sozialen Situationen lastet zu vermeiden. 

Unterschiede Mutismus / Autismus

Wenn man die Symptome des Mutismus liest, gibt es einige Ähnlichkeiten zum Autismus. Zum Beispiel die Vermeidung sozialer Interaktion, das eingeschränkte Essverhalten, verminderte Körpersprache, ... Tatsächlich gibt es aber einige gravierende Unterschiede zwischen den beiden Störungsbildern:

- Heilbarkeit: Autismus ist nicht heilbar, er wird angeboren und bleibt das ganze Leben lang. Mutismus dagegen gehört zu den überwindbaren Störungen.

- Störungsart: Mutismus gehört zu den Kommunikations- und Angststörungen, Autismus dagegen ist eine tiefgreifende neurologische Entwicklungsstörung. Es sind also zwei völlig verschiedene Störungsarten.

- Wann tritt Verhalten auf: Menschen mit selektivem Mutismus legen je nach Umfeld ein unterschiedliches Verhalten an den Tag. Bei Menschen denen sie vertrauen, sind sie offen und sprechen zum Teil wie ein Wasserfall, bei fremden Menschen sind sie ängstlich und verschlossen. Auch AutistInnen haben Personen, denen sie eher vertrauen und gegenüber denen sie auch offener sind, aber grundsätzlich sind sie immer relativ introvertiert, bevorzugen reizarme Umgebungen, und haben gegenüber fast allen Menschen Schwierigkeiten mit dem Kontaktaufbau.

- spezifische Verhaltensweisen: Im Prinzip legen fast alle autistischen Menschen irgendeine Form von stereotypen Verhalten an den Tag. Manche schaukeln vor sich hin, andere pflegen ihre Arme/Hände in einer bestimmten Art und Weise zu bewegen, wieder andere summen vielleicht vor sich hin, etc. Es gibt dutzende Möglichkeiten wie ein solches Verhalten aussehen kann. Das ist von Autist zu Autist unterschiedlich. Tatsache ist aber, dass es vorhanden ist. Bei Menschen die von Mutismus betroffen sind, fehlt das dagegen komplett.

Mir ist nicht bekannt, dass ein Störungsbild das andere völlig ausschließt. Es ist also möglich, dass ein Mensch mit Autismus zusätzlich die Diagnose Mutismus hat, aber prinzipiell handelt es sich um völlig verschiedene Störungsbilder, die erst einmal nichts miteinander zu tun haben.

Fazit

Mutismus kann die betroffenen Menschen in ihrem Alltag massiv beeinträchtigen. Es handelt sich bei dem schweigen um einen automatisierten Mechanismus des Gehirns - keine bewusste Verweigerung des Kindes. Es handelt sich definitiv nicht um Provokation oder Trotz, das Kind kann das Verhalten nicht einfach so steuern. Das gute ist, dass die Störung behandelbar ist. Wichtig ist aber, dass die Behandlung ausschließlich von psychologisch geschultem Personal erfolgt und nicht auf eigene Faust agiert wird. Denn wenn man von dem Störungsbild keine Ahnung hat, kann man es unter Umständen sogar verschlimmern. Also tut euch und eurem Kind den Gefallen: wenn der Verdacht im Raum steht, dass euer Kind mutistisch ist, wendet euch an eine psychologische Fachkraft. Diese wird eurem Kind helfen, dass es wieder ohne Angst, auch außerhalb des gewohnten Umfeldes sprechen kann. 

Habt einen schönen Tag.
Anne

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