Pilotprojekt: Sensory Friendly - Sinnesfreundliche Umgebung

Guten Tag!

Die Idee zu meinem heutigen Beitrag ist durch den Gastbeitrag der lieben Toni entstanden. Sie hat über 

einen sogenannten "Autism Guide", einem Leitfaden für Autisten geschrieben, der von der Warner Bros Studio Tour veröffentlicht wurde. Dieser soll es Menschen im Autismus-Spektrum ermöglichen, sich optimal auf ihren Besuch dort vorzubereiten und vor allem vor Ort möglichst eigenständig agieren zu können.

Genauere Informationen findet ihr alle in ihrem Beitrag, weswegen ich jetzt gar nicht weiter spoilern möchte. 😉 Als sie mir den Link geschickt hat, war ich vollkommen überrascht. Denn bisher habe ich die Erfahrung gemacht, dass die meisten Freizeiteinrichtungen, aber auch andere Einrichtungen gar nicht wirklich auf die Bedürfnisse autistischer Menschen Rücksicht nehmen. Nun wollte ich natürlich überprüfen, ob ich bisher einfach noch nicht darauf geachtet habe, oder ob es sowas in Deutschland wirklich nicht gibt. Dabei bin ich auf das Logo "Sensory Friendly - Sinnesfreundliche Umgebung" gestoßen. Dieses Logo wurde vom Verein "LunA (Leipzig und Autismus)" entwickelt. 

Was ist das Besondere an Einrichtungen mit diesem Logo?

Einrichtungen die dieses Logo tragen, sind sich der sozialen und sensorischen Besonderheiten von Menschen im Autismus-Spektrum bewusst. Natürlich ist es nicht erforderlich, die komplette Ausstellung so einzurichten, dass Autisten sich wohlfühlen und bestimmte Reize von vorn herein ausmerzen. Erstens ist das bei manchen Gebäuden überhaupt nicht möglich (es gibt ja auch Einrichtungen, die sich erst später bewusst werden, dass sie etwas für autistische Besucher tun können) und zweitens sind die Bedürfnisse von Autisten genauso unterschiedlich, wie die von Neurotypen. Man kann aber versuchen einen möglichst genauen Überblick darüber zu schaffen, was AutistInnen wo in ihrer Ausstellung erwartet und auf welche Bedingungen sie dort treffen. Wie sind die Lichtverhältnisse? Was passiert wann? Wird in bestimmten Räumen etwas abgespielt? Gibt es Special Effects? Jeder Autist kennt sich selbst am besten und weiß, welche Bedingungen für ihn eher ungünstig sind / welche z. B. eine Reizüberflutung auslösen. Wenn klar ist, wo welche Reize auftreten werden, kann der betroffene Mensch sein Besuch in der Einrichtung viel besser planen und wird nicht davon überfordert. 

Das wichtigste was Freizeiteinrichtungen tun können für autistische Menschen ist Planbarkeit zu ermöglichen. Es muss quasi schon zu Hause möglich sein, sich in etwa vorzustellen, was im Museum auf die Person zu kommt, damit sie mit möglichst wenig Überraschung überfordert wird und konkret geplant werden kann, wie der Besuch ablaufen soll. Für Autisten kann es nämlich zum Beispiel sehr anstrengend sein, sich sämtliche Einrichtungsgegenstände anzuschauen und durchzulesen. Für sie kann es günstiger sein, gezielt die Ausstellungsstücke anzugucken, die sie wirklich interessieren und den Rest "auszublenden" und vielleicht beim nächsten Mal anzusehen. Wenn man nun aber bereits im Museum steht, mit vielen Leuten und den Umgebungsreizen um sich rum, kann die Entscheidung extrem schwer fallen. Zu Hause, in Ruhe, ist das viel leichter. Die Einrichtungen, die all das berücksichtigt haben, werden als sinnesfreundlich beschrieben.  

Bachmuseum Leipzig als Pilotprojekt

Das Bachmuseum in Leipzig ist bisher das einzige Museum, dass dieses Prädikat von LunA erhalten hat. Ich selbst habe es noch nie besucht, aber habe mir die Website angeschaut und muss sagen, dass diese Idee ziemlich gut umgesetzt ist. Es gibt Informationen zu:

- Ablauf des Museumsbesuchs (wo ist das Museum, was muss beachtet werden - z. B. fotografieren, Garderobe, Toiletten, in welchen Etagen erwartet einen was, 

- Inhalte der Ausstellung - sogar mit Fotos und Angaben, wo was zu finden ist 

- Materialien um sich optimal auf den Besuch vorzubereiten, mit Bildkarten, einer Checkliste und praktischen Piktogrammen. 

- ein konkreter Lageplan des Gebäudes, sowie ein Überblick, wo welche akustischen bzw. visuellen Bedingungen herrschen

- Informationen dazu, wann das Museum voraussichtlich besonders voll bzw. angenehm leer ist oder wann das Museum definitiv geschlossen hat.

Außerdem bieten sie an, dass man im Vorfeld an das Museum eine Email schicken kann, damit sie prüfen können, ob sich für diesen Tag zum Beispiel eine Gruppe angemeldet hat (es also voraussichtlich lauter/voller als sonst werden kann). Es wird aber auch darauf hingewiesen, dass sich manchmal auch spontan Gruppen für einen solchen Besuch entscheiden. 

Fazit

Ich bin LunA extrem dankbar, dass sie diese Idee hatten und so ein gutes Konzept entwickelt haben. Meistens scheitern Besuche von Freizeiteinrichtungen für AutistInnen daran, dass sie nicht wissen, worauf sie sich einstellen müssen, oder daran, dass sie von spontanen Reizen überfordert werden. Außerdem kann uns die Menge an Informationen teilweise "erschlagen". Durch die Vorab-Informationen ist es uns viel leichter möglich, unseren Besuch vorzubereiten. 

Besonders gut finde ich auch, dass es eine unauffällige Hilfestellung ist. Wir bekommen keine Extrawurst (die Infos stehen ja auch allen anderen Menschen, die sich gern intensiver darauf vorbereiten, jederzeit zur Verfügung) und wir müssen nicht extra darum bitten. Zusätzlich profitieren davon nicht nur autistische Menschen, sondern auch andere Personengruppen, z. B. Menschen mit psychischen Erkrankungen, anderen Behinderungen, die ebenfalls zu Besonderheiten in der Wahrnehmung führen können oder anderen Einschränkungen. 

LunA möchte dieses Jahr (2022) zusätzlich damit beginnen, die Mitarbeiter zu schulen, was die Bedürfnisse von Menschen mit Wahrnehmungsbesonderheiten sein können und wie man mit diesen Personen am besten umgeht. Wenn das abgeschlossen ist, ist das Bachmuseum meines Erachtens eines der entspanntesten Museen, die AutistInnen jemals besuchen können... Ich würde mich wahnsinnig freuen, wenn weitere Museen oder Freizeiteinrichtungen in Deutschland oder zumindest in Leipzig nachziehen und es nicht bei dem Pilotprojekt bleibt. Denn ganz ehrlich - es ist mal ein kleiner einmaliger Zusatzaufwand, den eine Einrichtung betreiben  muss, der dann aber so vielen Menschen einen Besuch überhaupt erst ermöglicht oder ihnen zumindest erheblich angenehmer werden lässt! Und ganz davon abgesehen ist es natürlich eine gute Werbung: wir achten auf die Bedürfnisse autistischer Menschen bzw. Menschen mit  Besonderheiten im Bereich der Wahrnehmung...

Ich werde demnächst mal das Bach-Museum besuchen und dabei die Zusatzinformationen benutzen und dann noch mal berichten, wie angenehm der Besuch tatsächlich ist. Kennt ihr noch andere Einrichtungen, die eurer Meinung nach sehr autismusfreundlich gestaltet sind? 

Habt einen schönen Tag!
Anne 









Quelle Bild: https://www.bachmuseumleipzig.de/de/bach-museum/sensory-friendly

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