Leo Kanner

Guten Tag!

Vor einer Weile habe ich bereits über den schwedischen Kinder- und Jugendpsychiater Professor Christopher Gillberg geschrieben, der umfangreiche Forschungsarbeiten im Bereich Autismus gemacht hat. Aber er ist bei Weitem nicht der einzige, der die Forschung in diesem Gebiet vorangebracht hat. Heute soll es um den Professor für Kinderpsychiatrie Leo Kanner gehen. Als ich für diesen Beitrag mehr über sein Leben und arbeiten recherchiert habe, war ich massiv beeindruckt. Dieser Mann kann definitiv nicht von sich behaupten, dass sein Leben immer glatt gelaufen ist. Ihm wurden vom Schicksal immer wieder Steine in den Weg gelegt und trotzdem hat er niemals aufgegeben. Er hat immer wieder versucht, das beste aus seiner Situation zu machen. Diesen Beitrag heute, hat er sich redlich verdient.

Wer war Leo Kanner überhaupt?

Zuallererst mal seine groben Eckdaten. Geboren ist er am 13.06.1894 in der Ukraine. Er besuchte dort das deutsch-sprachige Gymnasium "Kronprinz Rudolf". Seine Familie war jüdischer Abstammung. Aus wirtschaftlichen Gründen sind sie 1906 nach Deutschland (genauer genommen nach Berlin) gezogen, wo sie ein eigenes Hotel betrieben haben. Im Jahr 1913 hat er sein Abitur abgeschlossen und sein Medizinstudium begonnen. Leider konnte er auch das Medizinstudium nicht ganz ohne Hürden absolvieren, da er im 1. Weltkrieg in die Armee eingezogen wurde und dafür sein Studium unterbrechen musste. Für Kanner jedoch kein Grund aufzugeben. 1920 hat er dann nämlich mit einer Arbeit zum Thema Herz promoviert und wurde anschließend an der Berliner Charité eingestellt und hat außerdem eine eigene Praxis betrieben. In Deutschland hat er auch seine Frau kennengelernt und 1921 geheiratet. 

Durch eine massive Inflation, die zu dieser Zeit in Deutschland herrschte, musste er seine Praxis aufgeben. Für Leo Kanner immer noch kein Grund, die Flinte ins Korn zu werfen (Redewendung). Er hat beschlossen gemeinsam mit seiner Frau in die USA auszuwandern, wo ihm eine Anstellung im "State Hospital" angeboten wurde. Im Jahr 1928 hat er in diesem Krankenhaus die allererste kinderpsychiatrische Station aufgebaut und wurde 1933 zum Professor für Kinderpsychiatrie ernannt. 1935 schrieb er mit dem Buch "Child Psychiatry" das erste englischsprachige Werk, in dem dieser Bereich der Medizin umfangreich beschrieben wurde. Aber... wie hat er überhaupt so gute Kenntnisse in der englischen Sprache gewinnen können? Er ist doch größtenteils in der Ukraine und Deutschland aufgewachsen und hat dort auch überwiegend gelebt?! Nun... Was würdet ihr machen, um möglichst schnell eine neue Sprache zu erlernen? Leo Kanner hat sich gedacht: wenn schon denn schon. Ganz stupide Vokabeln lernen und versuchen irgendwie im Alltag anzuwenden, war ihm nicht genug. Er hat direkt mal an der Meisterschaft im Kreuzworträtsellösen teilgenommen. Denn wobei lernt man so viele neue Wörter kennen, wie in einem Kreuzworträtsel? Kanner setzte sich sein Leben lang für das Wohl (geistig-)behinderter Kinder und Jugendlicher ein. Überhaupt sagt man ihm nach, dass er ein unglaubliches Händchen hatte, mit Kindern umzugehen. Er wurde sogar mit dem Rattenfänger von Hameln verglichen. Die Kinder vertrauten ihm bedingungslos und erzählten ihm Dinge, die sie sonst niemandem anvertraut hätten. Irgendwie schaffte er es mehr als alle anderen, zu den Kindern eine Bindung aufzubauen und sich in sie hineinzuversetzen. Gestorben ist er am 03.04.1981, bis zuletzt hat er durchgängig gearbeitet. 

Aber was hat er eigentlich mit Autismus zu tun?

Leo Kanner hat während seiner Arbeit als Professor für Kinder- und Jugendpsychiatrie natürlich mehrere Kinder betreut, die verhaltensauffällig waren. In der US-amerikanischen Zeitschrift "The Nervous Child" berichtete er 1943 über elf Kinder (drei Mädchen, acht Jungen) mit denen er seit 1938 gearbeitet hat. Er beschrieb, dass diese Kinder extreme Defizite in der Kommunikation haben, außerdem Probleme in der sozialen Interaktion haben und ein äußerst monotones Verhalten an den Tag zu legen pflegten. Alle Kinder hätten theoretisch ein hohes kognitives Potential gehabt, ihre Familienmitglieder waren allesamt höchstintelligent. Es sollte sich herausstellen, dass all diese Kinder unter frühkindlichem Autismus gelitten haben, der deswegen frühkindlich heißt, weil er sich vor dem 3. Lebensjahr zeigte. Da Kanner diese Form als erster beschrieb, wurde der frühkindliche Autismus auch Kanner-Autismus genannt.

Zusätzlich hat er einen Irrtum eines früheren Kollegen aufgedeckt. Autismus wurde nämlich bereits 1910 von dem Psychiater Eugen Bleuler entdeckt. Allerdings ist dieser damals davon ausgegangen, dass Autismus ein Symptom der Krankheit Schizophrenie ist. Kanner hat entdeckt, dass Autismus mit dieser Störung überhaupt nichts zu tun hat, sondern ein eigenständiges Störungsbild ist. 

Fazit

Leo Kanner war meines Erachtens einer der motiviertesten und besten Kinder- und Jugendpsychiater seiner Zeit. Ein Mann der nicht nur in seinem Job gearbeitet hat um Geld zu verdienen, sondern wirklich mit Leib und Seele. Er wollte den Kindern, die er betreut hat, wirklich helfen und hat trotz vieler Schwierigkeiten, die es in seinem Leben gab, niemals aufgegeben. Ein außerordentlich beeindruckender Mensch.

Habt einen schönen Tag!
Anne 

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