Berufsbildungswerk Hamburg (kurz BBW): Dass es Autist: innen schwerfällt, nach der Ausbildung in sozialpflichtigen Beschäftigungen Fuß zu fassen stimmt. Unsere Statistik zeigt einmal den Bundesdurchschnitt ganz rechts und in der mittleren Spalte die Kennzahlen im BBW Hamburg - jeweils in Prozent.
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BBW Hamburg 2021 |
Bundesdurchschnitt
(51 BBWs) 2020 |
Berufsvorbereitung Eingliederung nach 12 Monaten |
85,6 % |
83,6 % |
Ausbildung Eingliederung nach 12 Monaten |
67,0 % |
64,5 % |
Ausbildung Abbruchquote |
11,3 % |
12,4 % |
Ausbildung Prüfungsquote |
67,0 % |
64,5 % |
Bei der Kennzahlenerhebung handelt es sich um ein standardisiertes Verfahren, hier bezogen auf alle Absolvent: innen bzw. bei der Abbruchquote bezogen auf alle Teilnehmer: innen (TN) die in der letzten abgeschlossenen Maßnahme waren. Das Verfahren wurde zwischen der Bundesagentur für Arbeit und den Berufsbildungswerken abgestimmt und festgelegt. Uns ist nicht bekannt, dass unsere Quoten für Autist: innen stark von denen anderer - nicht autistischer Teilnehmer: innen - abweichen.
A: Haben Sie „Partner-Unternehmen“, die besonders bevorzugt autistische
Absolventen einstellen?
BBW: Wir arbeiten seit vielen Jahren mit einigen Unternehmen
zusammen, die mit festen Teams auf beiden Seiten, autistische Azubis ausbilden
und zum Teil dann auch nach der Ausbildung einstellen. Im BBW Hamburg gibt es
Teams, bestehend aus Sonderpädagog: innen, Psycholog: innen und Sozialpädagog:
innen, die mit den Teilnermer: innen als multiprofessionelles Team zusammenarbeiten.
Diese Teams arbeiten langfristig mit Ausbilder: innen – der Partnerunternehmen und
Berufsschullehrer: innen der zuständigen Berufsschulen zusammen. Da diese
Professionen untereinander gut verzahnt sind und bestehende Prozesse in Ablauf
und Betreuung eingespielt sind, können wir dieses Zusammenarbeiten als
erfolgreich bezeichnen.
A: Wie bereiten Sie autistische Azubis auf den Bewerbungsprozess
vor?
BBW: Da wir nach den Standards der BAG BBW eines
autismusfreundlichen Berufsbildungswerkes arbeiten, halten wir auch für die
Bewerbungsphase ganze Prozesse zur Unterstützung unserer autistischen Teilnehmer:
innen vor. Im gesamten Bewerbungsprozess werden die Teilnehmenden eng
begleitet. Das beinhaltet u.a. die Vorbereitung des Gesprächs und die Bearbeitung
von Themen wie „Was ist Autismus? und „Was ist mein Autismus?“, da es
Teilnehmende gibt, die sich der Besonderheiten nicht bewusst sind. Auch zu den
Gesprächen werden die Teilnehmenden begleitet und sollen dann auch die
Möglichkeit haben, Probearbeitstage im Betrieb zu machen. Das BBW hält für
Betriebe, die noch keine Erfahrung mit Menschen aus dem Autismus-Spektrum
haben, eine Broschüre bereit, die auf die speziellen Bedürfnisse und
Problemlagen autistischer Menschen eingehen.
Das Abschlussmanagement gewährleistet, dass der gegangene Weg reflektiert wird und das Erreichte aber auch die Schwierigkeiten beleuchtet werden.
A: Welche
Möglichkeiten gibt es für Autist: innen, bei denen sich herausstellt, dass sie
auch nach einer berufsvorbereitenden Maßnahme nicht in der Lage sind, eine
Ausbildung zu absolvieren?
BBW: Bei uns in Hamburg gibt es die Möglichkeit, wenn Autist: innen nicht oder noch nicht in der Lage dazu sind, eine Berufsausbildung für den ersten Arbeitsmarkt zu absolvieren, die BVB zu verlängern. Für autistische Teilnehmer: innen gibt es auch die Möglichkeit beispielsweise ein Jahr der „Reifung“ in der unterstützten Beschäftigung zu wählen. Es gibt auch immer die Alternative „zu pausieren“, um eine medizinische Reha zur Stabilisierung anzustreben. Für autistische Teilnehmer: innen, für die eine Berufsausbildung für den ersten Arbeitsmarkt aufgrund ihrer kognitiven Einschränkungen, trotz aller möglichen Nachteilsausgleiche und zur Verfügung stehender Kompetenzen, nicht in Frage kommt, gibt es immer die Möglichkeit, in eine der großen oder auch kleinen Hamburger Werkstätten für Menschen mit Behinderung zu arbeiten. Diese wiederum sind vielfältig im Angebot und haben unter anderem auch Ateliers im Angebot.
A: Haben
Sie auch Erfahrungen mit nicht-sprechenden Autist: innen bzw. mit Autisten, die
eine zusätzliche (leichte) geistige Behinderung haben? Wie groß ist bei Ihnen
die Chance, eine geeignete Ausbildung zu finden?
BBW: Wir haben immer wieder Autist*innen mit der zusätzlichen
Diagnose Mutismus. Da diesen Teilnehmer: innen in der Regel andere
Kommunikationskanäle zur Verfügung stehen, gestaltet sich zwar die Begleitung
der Teilnehmer: innen anders, aber unterscheidet sich nicht grundlegend in der
Arbeit mit anderen Autist: innen. Jedoch spielt die Berufswahl eine
entscheidende Rolle dabei. Denn je nach Berufswunsch sind auch entsprechende
Kommunikationsfähigkeiten notwendig oder eher nicht. Zum Beispiel im
Dialogmarketing mehr, als im Bereich Friedhofsgärtner. Auch
Autist*innen mit einer leichten geistigen Beeinträchtigung haben wir immer
wieder mal in der Berufsvorbereitung, wobei es in diesen Fällen besonders
wichtig ist, welche der Diagnosen die auftretenden Barrieren verursachen. Also,
was genau ist der Autismus und was die kognitiven Fähigkeiten? So können wir gemeinsam
in genaueres Leistungsprofil erstellen und mit unseren Teilnehmer: innen
gemeinsam beraten, welche Berufe perspektivisch möglich sind. Natürlich im
Hinterkopf mit dem Gedanken an den ersten Arbeitsmarkt und ob wir in Hamburg die
notwendige Förderung überhaupt leisten können. Selbst mit der Möglichkeit einer
theoriereduzierten Ausbildung.
Anne
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