Aufreger der Woche: Wenn Neurotypen glauben, sie wüssten was besser ist

Hallo!
Neulich musste ich mal wieder zum Friseur. Es ließ sich nicht vermeiden, weil mein Personalausweis ausläuft und ich, um neue Passbilder machen zu lassen, zum Fotograf musste. Wer mich schon ein bisschen länger verfolgt weiß: ich hasse Friseurbesuche. Am schlimmsten sind die Kopfmassage beim Haare waschen und das föhnen, schneiden an sich geht eigentlich (das verursacht ja auch die wenigsten Reize, bzw. eigentlich gar keine, wenn man vom Geräusch absieht). 

Bereits bei der Terminvergabe war ich skeptisch. Es gab nämlich mal eine Friseurin, die richtig gut auf meine Bedürfnisse eingegangen ist (keine Kopfmassage, möglichst wenig Berührungen der Kopfhaut, niedrigste Stufe beim föhnen, keine Rundbürste zum Kämmen). Bei ihr hatte ich hinterher keine Reizüberflutung, bei den restlichen Malen ist es immer schief gegangen. Wäre ich also bei ihr gewesen, wäre vermutlich alles gut gewesen. Ich hätte noch mal vor Beginn des schneidens gesagt, was wichtig ist und hätte mich anschließend darauf verlassen können, dass sie sich danach richtet. Problem: sie arbeitet nicht mehr in dem Friseursalon. Die Mitarbeiterin die mit mir den Termin vereinbart hat meinte: "Ach das ist doch kein Problem, das bekommen wir doch auch hin. Ich schreibe etwas zu dem Termin dazu, dann wird das schon!" Na ihr Wort in Gottes Ohr...

Es ging schon damit los, dass sie offenbar nicht die Notiz ihrer Kollegin gelesen hatte. Beim Haare waschen hat sie selbstverständlich die bescheuerte Kopfmassage gemacht und das auch noch richtig stark. Es war nicht angenehm, es ging eher in Richtung weh tun, auch wenn diese Beschreibung nicht hundertprozentig passt. Leider war ich nicht in der Lage zu sagen, dass sie damit aufhören soll. Also hab ich es einfach hingenommen. Als es dann ans Föhnen ging, habe ich sie extra darauf hingewiesen, dass sie die niedrigste Stufe nehmen muss, weil es sich sonst so anfühlt, als würde sie mir glühende Kohlen auf dem Kopf verteilen. "Ja, kein Problem, mache ich." Direkt als der Fön angemacht wurde, habe ich wieder das Glutgefühl auf dem Kopf gehabt. Habe allerdings nichts gesagt, weil ich dachte, der Fön hat bereits die unterste Stufe, so hatte ich es ja schließlich auch gefordert. Als sie mein angespanntes Gesicht gesehen hat, hat sie den Fön runtergestellt, kurz darauf aber wieder hoch. Ich habe zu ihr gesagt, dass sie bitte unbedingt wieder runterstellen solle. Die Friseurin daraufhin: "Ich dachte ich mach schnell, damit Sie hier schnell wieder raus sind!" (Ich hatte vorher gesagt, dass Friseur immer furchtbar für mich ist.)

WAS ZUR HÖLLE SOLL DAS??? Ich kann verstehen, dass die Friseurin meinen Wunsch nicht hundertprozentig für sich nachvollziehen kann. Sehr wahrscheinlich kennt sie dieses Gefühl nicht.  Aber: Wenn ich sage, dass es die niedrigste Stufe sein muss (und das auch noch begründe), dann meine ich das auch genau so!! Und dann hat das auch seinen Grund! Es gibt sehr viele Aktivitäten, die für AutistInnen schwierig ist, ich bin sicher, dass Friseur bei vielen dazu gehört. Nun sind manche Dinge aber manchmal trotzdem notwendig und wir müssen da durch. Das einzige dass wir tun können ist, unsere Bedürfnisse zu benennen, damit es für uns wenigstens erträglich ist. Beim Friseur ist man im Prinzip dem Mitarbeiter ausgeliefert, man kann ja erst mal nichts machen, weil man auf dem Stuhl sitzt und an einem herumgewerkelt wird. Umso wichtiger ist es also eigentlich, dass der Friseur auf das achtet, was man zu ihm sagt und dazu gehören auch Bitten, die die Wahrnehmung betreffen. Die Aktion, die die Friseurin gebracht hat, geht meines Erachtens in folgende Richtung: Kunde wünscht sich grüne Haare, er macht anschließend die Augen zu um sich zu entspannen (so etwas soll es ja auch geben), irgendwann macht er die Augen auf und sieht, dass die Haare gerade lila gefärbt werden. Er fragt die Friseurin entrüstet, was sie denn da tut und sie antwortet: "Ach, sie haben so schöne lila Socken an, ich dachte lila sieht bei Ihnen auch ganz hübsch aus." Der Kunde würde verständlicherweise ausrasten. Weil es einfach mega übergriffig ist.

Meine Bitte an die Neurotypen mit Kundenkontakt:

Wenn ihr einen Kunden / eine Kundin habt, die euch sagt, dass sie autistisch ist und euch konkrete Dinge sagt, die ihr beachten sollt bzw. die sie benötigen: bitte, bitte haltet euch daran. Selbstverständlich müsst ihr sie nicht wie Prinzessin/Prinz behandeln und im jeden Wunsch von den Lippen ablesen. Das werden die meisten aber auch gar nicht wollen. Es geht um Wünsche, die einfach erfüllbar sind (und Fön auf niedrigster Stufe gehört meines Erachtens absolut zu den erfüllbaren Wünschen). Auch wenn ihr diese Bitte aufgrund eigener Erfahrungen nicht nachvollziehen könnt, vertraut uns einfach. Wir wissen was wir brauchen und was uns gut tut. Wenn ihr glaubt, dass ihr die Situation durch bestimmte Maßnahmen zu unseren Gunsten verbessern könnt: stimmt das vorher mit uns ab. Unsere Wahrnehmung unterscheidet sich teilweise deutlich von denen neurotypischer Menschen. Gut gemeinte, aber unabgesprochene Ideen können also das Gegenteil bewirken. Beachtet das nicht nur bei AutistInnen und die Zufriedenheit eurer Kunden wird sich um mindestens 40 % steigern.

Habt einen schönen Tag!
Anne

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