Sitzecken für Autisten - wie sinnvoll sind sie?

Guten Tag!

In einigen Berufsbildungswerken bzw. Berufsförderungswerken gibt es speziell für autistische Auszubildende speziell für sie eingerichtete Sitzecken bzw. sogar einen extra Speisesaal nur für Autisten. Im BBW Dresden (wo ich gelernt habe), ist dieser Bereich in demselben großen Raum, wie für alle anderen. Allerdings war am Rand des Speisesaals eine Sitzecke angesiedelt, die mit Trennwänden umstellt waren. Außerdem waren dort weniger Tische als im Rest des Speisesaals. Sie wurde Autismusecke genannt. Idee von den Trennwänden ist logischerweise, dass man die vielen anderen Azubis im Speisesaal nicht so wahrgenommen hat. Außerdem hat man dadurch auch allgemein weniger Eindrücke (= weniger Reize). Wenn man praktisch gesessen hat, hat man rechts bzw. links und gegenüber bzw. hinter einem (je nachdem wie man gesessen hat) nur die Trennwände gesehen. Der Lautstärkepegel war natürlich derselbe, es war ja derselbe Raum. Wie die Sitzecken in anderen BBWs gestaltet sind, weiß ich natürlich nicht, das BBW Volmarstein wirbt aber zum Beispiel damit, dass sie einen eigenen Speisesaal nur für Autisten haben. Das BBW Neckargemünd hat einen beruhigten Bereich in der Mensa, der vor Reizüberflutungen schützen soll. Aber wie sinnvoll sind solche Sitzecken bzw. gar spezielle Speisesäle wirklich?

Vorteile

  • Manche Autisten und auch andere Azubis, wie z. B. einer Sozialphobie haben solche Probleme es auszuhalten, mit vielen fremden Menschen in einem Raum zu sein, dass sie ohne diesen abgegrenzten Bereich überhaupt nicht in die Mensa gehen würden. 
  • An Tagen, an denen die Azubis ohnehin schon mit einer Reizüberflutung leiden, macht es eine vollkommen überfüllte Mensa zumindest nicht noch schlimmer. 
  • Vorausgesetzt, dass die befreundeten Azubis mit in diesen separaten Bereich dürfen, gestaltet sich die Kommunikation leichter. Grund dafür ist, dass bei weniger ablenkenden Reizen, die Azubis sich wesentlich leichter auf das Gespräch konzentrieren können.
  • Manche AutistInnen können nichts zu sich nehmen, wenn um sie herum zu viel los ist. Sie können die Umgebung schlecht ausblenden, und wenn diese zu spannend ist, vergessen sie, dass sie seit zwei Minuten die Gabel in der Hand haben, ohne sie zum Mund zu führen. Diesen Umstand verhindert eine solche Sitzecke natürlich.

Nachteile von solchen Sitzecken / separaten Speiseräumen
  • Wenn die Mahlzeiten ausschließlich in solchen Sitzecken eingenommen werden, lernen die Azubis nicht, was sie tun können, um auch die Mahlzeiten in größeren Menschenmengen einnehmen zu können. Denn gerade im Arbeitsleben, gibt es in der Regel in der Kantine bzw. in Gaststätten keine gesonderten Ecken, in die nur Autisten dürfen. Was machen sie dort? 
  • Sollten tatsächlich nur AutistInnen bzw. Azubis mit Sozialphobie o. ä. Problemen in diese Bereiche dürfen, verhindern sie den Kontakt zu den anderen Auszubildenden. Besonders bei Autismus ist es schließlich wichtig, dass die sozialen Kontakte gefördert werden. Wenn sie aber abgesondert werden, naja ihr wisst, worauf ich hinaus will...

Fazit

Dieses Angebot von manchen Berufsbildungseinrichtungen für Menschen mit Behinderung, kann für Autisten bzw. andere Menschen mit sozialen Problemen durchaus hilfreich sein, um ihnen die Mahlzeitenaufnahme zu erleichtern. Es sollte aber auf jeden Fall immer der Kontakt mit den anderen Azubis gefördert werden. Es sollten also zum Beispiel die nichtautistischen Azubis ebenfalls mit dort sitzen dürfen und die Pädagogen, sollten grundsätzlich immer wieder anregen, auch mal in dem größeren Bereich zu sitzen. Schließlich ist das das, was sie im Alltag erwartet. Aber besonders für Tage, an denen man wirklich stark in sich gekehrt ist, bzw. bereits eine Reizüberflutung hat, ist eine solche Sitzecke oder gar ein extra Speisesaal wirklich goldwert - kann ich aus eigener Erfahrung sagen.

Wie seht ihr solche besonderen Maßnahmen? Habt einen schönen Tag.
Anne

Kommentare