Probleme/Verbesserungsideen bei Studien zu Autismus (1)

Hallo!

Ca. 1 % der Weltbevölkerung ist autistisch - also ein verschwindend-geringer Anteil. Logischerweise kennen sich dadurch ganz viele Menschen überhaupt nicht mit dem Störungsbild Autismus aus, bzw. wissen sogar überhaupt nicht, dass es autistische Menschen gibt. Zudem ist die Forschung zu Autismus auch noch nicht besonders weit fortgeschritten. Das liegt meines Erachtens daran, dass sich die Forschung aufgrund der Einschränkung der möglichen Studienteilnehmer meist schwierig gestaltet. Ich möchte heute darauf eingehen, was für "Baustellen" auftreten können. 

Ich hoffe, dass ich so Studierenden die ihre Master-/Bachelor- oder Doktorarbeit zum Thema Autismus schreiben wollen oder andere Menschen, die zu diesem Störungsbild forschen, dabei unterstützen kann, gewisse Probleme von Anfang an auszuräumen. Denn wenn man als Nichtautist eine Studie zum Thema Autismus plant, hat man mitunter gar nicht so richtig im Kopf, was für Schwierigkeiten aufgrund des Störungsbildes während der Studie entstehen könnten. Um den Beitrag nicht zu lang werden lassen, werde ich meine Anmerkungen splitten: 1. Onlinebefragung, 2. Studien "vor Ort" (also z. B. in Kliniken).

Probleme bei Onlinebefragungen
  • Befragungen dauern zum Teil zu lange
Auch wenn man die Befragung am heimischen Computer macht, ist es dennoch anstrengend, wenn man sich eine ganze Weile auf die Fragen konzentrieren muss. Ich verstehe, dass die Forschenden so viele Fragen wie möglich unterbringen möchten, um auf keinen Fall einen wichtigen Aspekt zu übersehen. Wenn man aber 25 min oder gar noch länger vor dem Computer sitzt und darauf konzentriert ist, auch ja nicht die falsche Antwortmöglichkeit auszuwählen, verliert man die Konzentration. Zudem ist es teilweise wirklich unklar ausgedrückt, wie lange die Bearbeitung der Umfrage ungefähr dauert. "Zwischen 10 - 60 min, je nach Personenkreis" - wie soll man dann einschätzen kann, ob man die Energie aufbringen kann? Viele autistische Menschen wissen nämlich sehr gut, in welchem Zeitumfang, sie sich vollkommen konzentrieren können und entscheiden nach der Dauer, ob sie teilnehmen. 

Besser: Wenn es denn wirklich sein muss, sämtliche Fragen unterzubringen, wäre es wesentlich günstiger, wenn man sie splitten würde. Also wenn man zum Beispiel kommuniziert, dass noch weitere Befragungen folgen werden, die z. B. per Mail zugesandt werden. Das hätte auch den Vorteil, dass man in der ersten Umfrage bereits "abklopfen" kann, ob der Teilnehmer wirklich für die Studie geeignet ist. Dann kann man auch sagen: "Du gehörst zu Gruppe 1, die folgende Befragung dauert 10 min." Das bedeutet ziemlich sicher einen Mehraufwand für die Forschenden, senkt aber die Menge an AutistInnen, die die Studie vorzeitig abbrechen.

  • Es ist nicht möglich, zu überprüfen, ob der Studienteilnehmer wirklich AutistIn ist.
Leider gibt es viel zu viele Fehldiagnosen. Bei weitem nicht jeder Autist, der die Diagnose Autismus hat, ist wirklich von diesem Störungsbild betroffen. Das liegt einerseits daran, dass viele, die die Diagnostik durchführen, gar nicht so richtig auf Autismus geschult sind. Zusätzlich gibt es viele Erkrankungen, wie z. B. Persönlichkeitsstörungen, die Autismus auf den ersten Blick ähnlich sind, aber im Gegensatz zu Autismus heilbar sind, wenn die Betroffenen, die richtige Therapie erhalten. Und zu guter Letzt gibt es ja auch noch die Menschen, die überhaupt keine Diagnose haben und auch nicht bei einer Diagnostik waren, aber von sich selbst glauben, dass sie Autismus haben, weil sie Ähnlichkeiten für sich identifizieren, und die dann auch ohne Diagnose anklicken, dass sie Autismus haben. All das lässt sich bei Onlinebefragungen natürlich nicht ausschließen.

Lösungsansatz: Jeder der die Diagnose Autismus hat, hat Unterlagen bekommen, wo zum Schluss bzw. ganz am Anfang ganz klar da steht, dass Autismus vorliegt. Wenn sich die Forschenden, diese Seite per Mail zuschicken lassen würden (selbstverständlich mit geschwärztem Name und geschwärzten persönlichen Daten) könnte man zumindest letztere Personengruppe von der Studie ausschließen und somit eine Fehlerquelle eliminieren. Denn wenn viele Personen antworten, die überhaupt nicht unter dem Störungsbild leiden, ist das Risiko recht groß, dass zum Beispiel der danach entworfene Fragebogen überhaupt nicht auf Autisten zutrifft, was wieder das Risiko für Fehldiagnosen erhöht.

  • Fragen sind teilweise missverständlich oder werden nicht so gut verstanden.
Viele neurotypische Menschen neigen zu bildhafter Sprache (Sprichwörter, Umschreibungen, umgangssprachliche Bezeichnungen), mit denen Autisten aber zum Teil nichts anfangen können. Das einfachste wäre natürlich, einen oder mehrere Autisten vorher gegenlesen zu lassen, ob die Fragen leicht verständlich sind (was natürlich auch nicht unbedingt leicht zu organisieren ist, schließlich muss man erst einmal Autisten finden.)  Zusätzlich haben manche AutistInnen Probleme, sich selbst in bestimmten Beschreibungen wiederzuerkennen - sie würden dann davon profitieren, wenn die Forschenden ihnen beschreiben bzw. erklären könnten, was gemeint ist, so wäre es für Autisten wesentlich leichter zu entscheiden: passt das bei mir oder eher nicht. Eine Befragung in einer offiziellen Räumlichkeit, wie z. B. einer Klinik oder einem Institut, ist allerdings wieder eine Hürde, die Autisten teilweise davon abschrecken könnte, an der Studie teilzunehmen. 

Hilfreich: Am praktischsten wäre es, wenn zusätzlich zur Onlinebefragung eine Videokonferenz gemacht werden würde, bei der sich der Forschende aber zurückhält. Der Autist beantwortet quasi mit z. B. minimierten Videochat und Kamera abgeschaltet den Fragebogen, der Forschende stört dabei nicht und gibt keine Kommentare von sich, die irgendwie ablenken könnten. Gleichzeitig steht er aber als "Backup" zur Verfügung, falls Unklarheiten auftreten sollten, damit diese sofort aufgedeckt und besprochen werden könnten. So könnte der Autist in seinem sicheren Umfeld bleiben, aber Fehler durch Missverständnisse können wesentlich minimiert werden.

Das waren die Hauptprobleme, die meines Erachtens bei Onlinebefragungen auftreten könnten. Wann Teil 2 kommt, weiß ich noch nicht, ich möchte nämlich einen Autist fragen, der regelmäßig an solchen "Vor-Ort-Studien" teilnimmt. Habt einen schönen Tag.

Anne







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