Probleme mit Winterbekleidung

Guten Tag!

Mögt ihr den Winter? Ich bin mir immer ein bisschen unsicher, ich finde es gibt an jeder Jahreszeit positive und eher negative Seiten. Schnee zum Beispiel gehört definitiv zu den positiven Seiten - negativ: Schnee gibt es nur, wenn es zusätzlich knacke kalt ist. Und knacke kalt bedeutet auch, dass man sich entsprechend warm ankleiden und "Zusatzzubehör" benutzen muss. Mit Zusatzzubehör meine ich natürlich Mütze, Schal und Handschuhe. Für viele Menschen im Autismus-Spektrum ein echtes Problem. Ich habe das Glück, dass ich im Allgemeinen wenig Schwierigkeiten mit Kleidung habe, also zumindest was Materialien oder dem Reiz "Kleidung auf der Haut" betrifft. Was meinen Klamottenstil betrifft, ist ein anderes Thema. ;-) In der Regel bin ich bei besonderen Festivitäten eher underdressed, so richtig schick machen, fällt mir schwer und die meisten Kleidungsstücke, die Neurotypen als "in" bezeichnen, mag ich überhaupt nicht und gehe eigentlich auch nie shoppen - meine Kleidung ist ja nun mal perfekt auf mich abgestimmt. Bequem, praktisch. Aber das ist ein anderes Thema. Prinzipiell kann ich von der sensorischen Wahrnehmung alle Kleidungsstücke tragen. Aber Winterbekleidung ist mein "Endgegner". Ich hasse Mütze, Schal und Handschuhe und trage sie nur im aller-größten Notfall, da muss es aber wirklich schon echt RICHTIG kalt sein. 

Ich weiß, dass es vielen AutistInnen auch so geht. Leider habe ich zum ersten Mal seit langem auf diesem Blog, keine richtige Lösung für dieses Problem. Der Beitrag dient also eher dazu, neurotypische Eltern darüber aufzuklären, warum diese Kleidungsstücke so schwer zu ertragen sind. Wenn man das weiß, kann man zumindest versuchen, Alternativen zu finden. Ein paar kleine Tipps werde ich dazu schreiben und auch, was es mir persönlich erträglicher macht, diese Dinge zu tragen, vielleicht könnt ihr ja etwas für euch daraus mitnehmen. Also: Wo liegt das Problem: 
  • Handschuhe:
Sie stören einfach nur. Die Hände werden zu warm, feinmotorische Dinge werden erschwert, wie zum Beispiel Geld aus dem Portmonee holen. Weil die Finger durch den Handschuh halt irgendwie eingeschränkt sind in der Bewegung, weil sie ja durch Wolle/Stoff eingebunden sind. Auch was das festhalten, an zum Beispiel Stangen in der Bahn betrifft - es ist ja eine Schicht zwischen Haut und Gegenstand, die sonst nicht da ist. Ich mag dieses merkwürdige schwammige nicht, wenn ich mich irgendwo festhalte. Dann muss es richtig griffig sein und nicht wegrutschen. Je nachdem wie ich drauf bin, regt mich dieses leichte abrutschen richtig auf. Dazu kommt, dass es logischerweise unpraktisch ist. Man muss ja mitunter doch mal schnell etwas auf dem Handy tippen - also Handschuhe aus, irgendwo hinpacken, dann wieder das Handy weg, Handschuhe aus der Jacke rauspulen - wenn es darauf ankommt, fällt dann noch die Hälfte aus der Jackentasche raus, nee... Dann lieber gleich ohne Handschuhe. Ich habe auch schon von einem Autisten gelesen, der beschreibt, dass die Handschuhe ihn jucken auf der Haut, irrelevant welches Material oder wie dicht sie anliegen.

Der einzige Ort, wo ich Handschuhe freiwillig trage, ist auf der Herbst-Kleinmesse. Dort frieren die Hände aufgrund der kalten Haltestangen und des Fahrtwindes immer halb ein. So stark, dass man die Finger noch schlechter bewegen kann, als mit Handschuhen. :) Dort sind sie also das kleinere Übel, sage ich mal so salopp. 

Schal:

Schals bleiben meist nicht so, wie man sie ursprünglich mal angelegt hat, sie verrutschen und müssen dann immer wieder gerichtet werden. Das Gefühl des runter rutschenden Schals nervt richtig krass. Außerdem ist der Schal natürlich auch viel zu warm. Ich weiß, das klingt gerade bei winterlichen Temperaturen echt albern, aber es ist so. Wärme macht mich wahnsinnig, im Sommer versuche ich grundsätzlich immer Kleidung auszuwählen, die so wenig wie möglich meine Haut berührt, um nicht noch zusätzlich Wärme zu erzeugen. Am liebsten wäre ich im Sommer überhaupt nicht bekleidet, aber das ist gesellschaftlich leider so kritisch angesehen. 😅 Schlauchschals (zusammengenähte Schals, die man nur um den Hals legen muss) bestehen meist aus Wolle oder ähnlichem Material und kratzen, außerdem ist dann das Problem, dass ein Teil des Halses warm ist, aber gleichzeitig es nicht so fest anliegt, dass immer noch Regen oder Schnee reintropfen kann, das ist dann so ein gleichzeitiger Gegensatz, der nur schwer zu ertragen ist.

Es gibt aber einen Ort, an dem ich Schals freiwillig trage: beim Eishockey! Dort werden die Schals unter anderem beim Torjubel gebraucht, werden also für etwas spaßiges genutzt und sind nicht nur lästiges Anhängsel. Außerdem kann man sich damit mit seiner Mannschaft identifizieren und zeigen: "Ich gehöre zu den Ice Fighters!" Ohne Schal beim Eishockey zu stehen ist eigentlich kaum denkbar. Dort stört es mich auch nicht, wenn es am Hals ein bisschen wärmer wird, einfach weil es dort dazu gehört. Wenn ich auf der Straße einen Schal tragen muss, dann trage ich auch immer nur den IFL-Schal, weil er mir wenigstens gefällt und mich an angenehme Zeiten erinnert. 

Mütze:

Ihr werdet es kaum erraten: sie ist zu warm. 🙈 Das ist ein echtes Problem. Natürlich möchte ich keine eiskalten Ohren haben, das ist auch für mich nicht angenehm, aber die Mütze ist dann schon wieder zu warm. Ein Dilemma. Ich fange unter der Mütze immer recht schnell an zu schwitzen und dann juckt auch noch der Kopf so stark, dass man denken könnte, man hätte Läuse. Grrr. Dazu habe ich das Problem, dass mir irgendwie keine einzige Mütze richtig passt, die rutschen alle nach oben, egal wie tief runter ich sie ziehe. Das macht mich wahnsinnig, weil der Kopf durch das ständige bearbeiten noch mehr juckt. Mützen sind wirklich so gut wie gar nicht zu ertragen. Auch nicht beim Eishockey. Es gibt selbstverständlich auch passend bedruckte Mützen, aber auch die können mich nicht dazu motivieren, sie zu tragen.

Tipps um Winterbekleidung vielleicht erträglicher zu machen.
  • Bedruckte Schals / Mützen probieren.
Gerade bei Kindern kann das wirklich hilfreich sein, wenn es nicht an den Reizen dennoch scheitert. Es gibt doch eigentlich von allen Kindheitshelden Kleidungsstücke und im Ernstfall kann man sie im Internet bedrucken lassen, im Zeitalter des Internets, gibt es da hundert Mittel und Wege. Man kann sich ja sogar Decken mit einem Lieblingsmotiv bzw. Foto bedrucken lassen. Bei mir hilft es zumindest beim Schal definitiv, und ich bin erwachsen! Wenn zum Beispiel Bibi und Tina einen in den Kindergarten begleiten, trägt man den Schal ja vielleicht sogar mit Stolz!
  • Verschiedene Materialien und Locker-/Festigkeitsgrade probieren.
Bei manchen AutistInnen sind zumindest bestimmte Materialien erträglich und können akzeptiert werden. Wenn vielleicht Wolle nicht klappt, könnte anderes Material funktionieren. Mir fällt gerade nicht ein, woraus Schals und Mützen alles gemacht werden. Aber ich weiß, dass es sie in hundert verschiedenen Beschaffenheiten und Materialien gibt. Außerdem kann man versuchen, auf die Bedürfnisse des Autisten einzugehen. Die Handschuhe sind beengend? Na dann her mit sehr locker sitzenden Handschuhen. Sie sitzen zu locker? Na ihr wisst schon. Es kann sein, dass ihr, wie ich, dann einen Kleiderschrank voll mit Mützen/Schals und Handschuhen habt, aber dann habt ihr es wenigstens versucht. Ich habe dieselbe Technik angewendet und wirklich etliches ausprobiert, aber es ist eigentlich nichts akzeptabel. Leider. 
  • Immer wieder anbieten bzw. für sehr kurze Zeit tragen lassen.
Mein Tipp ist, die Kleidungsstücke immer trotzdem mitzunehmen. Vielleicht kommt es ja doch mal vor, dass es zu kalt am Kopf wird, und dann wird es vielleicht ausnahmsweise doch getragen. Die Möglichkeit besteht, dass der Betroffene dann merkt, dass es doch nicht so schlimm ist, wie es sonst immer den Anschein hat. Wenn man die Mütze aber zum Beispiel immer mal wieder ein paar Minuten trägt, besteht die Chance, dass man sich daran gewöhnt. Darauf kann man aber leider nicht setzen.
  • Kapuze statt Mütze verwenden.
Ich gebe zu, das ist ein billiger Kompromiss, weil sie ja nicht wirklich wärmt, aber zumindest schützt sie ein kleines bisschen vor der Kälte und liegt zumindest nicht so dicht am Kopf an. Aber auch die Kapuze wird nicht von jedem toleriert - von mir zum Beispiel nicht. Es schränkt irgendwie zu stark das Blickfeld ein und außerdem fühlt man sich da drin irgendwie eingesperrt. Auch wenn es regnet, nutze ich eigentlich nie Schirm oder Kapuze, lieber lasse ich es auf den Kopf tropfen, das finde ich irgendwie erfrischend, wenn ich ehrlich sein soll...

Ihr seht, das Thema Winterbekleidung ist ein schwieriges Thema, zu dem auch ich keine passende Lösung gefunden habt. Vielleicht konnte ich euch trotzdem ein paar Anregungen geben, die ihr noch nicht bedacht habt. Besonders nicht-sprechende Autisten können ja teilweise gar nicht richtig ausdrücken, was sie stört. So habt ihr jetzt in solchen Fällen einen guten Anhaltspunkt, woran es liegen könnte. 

Habt einen schönen Tag!
Anne



Kommentare

  1. Noch mehr Tipps: "Marktfrauen-Handschuhe" mit oder ohne Klappe, Taschenwärmer statt Handschuhe, Baumwolltuch oder Shirt mit Rollkragen oder Stehkragen aus Baumwolle statt Schal, Stirnband oder Ohrenschützer statt Mütze.

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    1. Lieben Dank dir für deine zusätzlichen Anregungen. Das bringt mich auf eine Idee - ich habe eine Powerbank, die als Taschenwärmer verwendet werden kann! Ich werde sie gleich einstecken! Aber was sind denn Marktfrauen-Handschuhe?

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