Tipps und Tricks beim Zähne putzen

Hallo!

Genau wie Neurotypen sind auch autistische Menschen nicht vor Karies gefeit - ergo gehört Zähne putzen zum täglichen Pflichtprogramm. Ich kenne niemanden, der Zähne putzen über alles liebt. Die meisten tun es einfach, weil es nun mal dazu gehört und wichtig ist, wenn man nicht ständig beim Zahnarzt sitzen will. Mögen tun es jedoch die wenigsten. Für autistische Menschen dagegen kann Zähne putzen aufgrund sensorischer Überempfindlichkeit im Mund zur täglichen Herausforderung werden, besonders Kinder im Autismus-Spektrum haben häufig Schwierigkeiten, die hygienische Maßnahme über sich ergehen zu lassen, bzw. selbst an sich durchzuführen. Heute möchte ich Tipps geben, wie man das Zähne putzen für Menschen (Erwachsene und Kinder) erträglicher und angenehmer gestalten kann, vielleicht findet der eine oder andere Neurotyp der nicht gern Zähne putzt oder unwillige Kinder hat (auch die mögen das bekanntlich eher nicht so gern), ebenfalls etwas für sich. 

1. Vorhersehbarkeit schaffen

1x früh, 1x mittags, 1x abends wenn man dreimal putzt, ansonsten früh und abends mindestens - reicht doch an Vorhersehbarkeit, oder etwa nicht? Nicht unbedingt... Gerade bei Aktivitäten die eher unangenehm sind, kann es helfen, das Ganze noch zu konkretisieren. So kann man zum Beispiel mithilfe des TEACCH-Ansatzes eine Morgen- und Abendroutine erstellen. 1. Gemeinsam aufräumen, 2. Waschen / Duschen / Baden, 3. Schlafanzug anziehen, 4. ... Am wichtigsten ist dann natürlich, dass die Routine immer gleich abläuft, damit sich das Kind optimal darauf einstellen kann. 

Außerdem kann man auch den Ablauf vom Zähne putzen noch mal konkreter verdeutlichen, zum Beispiel mit Fotos oder Piktogrammen, so kleinschrittig wie möglich. 1. Zahnbürste nass machen, 2. Zahnpasta drauf - am besten mit Abbildung wie viel Zahnpasta da drauf kommt, 3. ... Jeder weiß wie Zähne putzen funktioniert, darum werde ich jetzt mal auf die genaue Beschreibung verzichten. Es kann sinnvoll sein, wenn man zusätzlich bildlich darstellt, in welcher Reihenfolge welche Teile des menschlichen Gebisses geputzt werden und vor allem wie (kreisförmig von oben nach unten). Dann kann man gemeinsam durchgehen: "Wir sind jetzt bei Schritt 3!" All das ist auch sinnvoll, wenn die Kinder selbst lernen soll Zähne zu putzen, weil sie dann jeden Schritt selbstständig ablesen und nachmachen können. 

Zusätzlich ist es natürlich immens wichtig, dass das Kind einen Überblick darüber bekommt, wie lange das Zähne putzen dauert. Hier können logischerweise die klassischen Zahnputzuhren helfen, es geht aber auch ein gestellter Time Timer. Alexa bietet übrigens einen Zahnputzsong - abzurufen mit der Aussage: "Alexa, lass uns Zähne putzen", der Song geht genau so lange, wie das Zähne putzen bei Kindern dauern soll. Es gibt aber auch Kinderzahnbürsten, die eine bestimmte Melodie spielen nach einer gewissen Zeit. Der Kreativität sind hier keine Grenzen gesetzt. Wichtig ist nur, das dann immer dasselbe Medium genutzt wird und vielleicht auch das identische Lied.

2. Sinn und Zweck verdeutlichen

Wenn etwas unangenehm ist und zudem nicht sinnvoll erscheint, macht es die ganze Aktivität logischerweise noch schlimmer. Man kann dem Menschen die Sinnhaftigkeit des Zähneputzens aber recht einfach verdeutlichen. Es gibt spezielle Kautabletten bzw. eine Mundspülung für Kinder, die Zahnbeläge lila verfärben. Wenn man dann Zähne putzt, verschwindet die lila Verfärbung. Damit sollte das Kind recht schnell verstehen, warum das Zähne putzen wirklich notwendig ist.

3. Verschiedene Zahnbürsten / Zahnpasta ausprobieren

Bei autistischen Menschen liegt mitunter eine sensorische Überempfindlichkeit im Mund vor. Dadurch können sie gewisse Beschaffenheiten von Material oder Nahrungsmitteln nur ganz schlecht ertragen. Ich zum Beispiel kann Kartoffelmus überhaupt nicht essen, die Konsistenz ist unerträglich - stückiger Kartoffelbrei (also fast schon nur wie mit der Gabel zerdrückt) ist dagegen völlig in Ordnung und wird gelegentlich gegessen (wenn auch sehr selten). Genau wie bei der Konsistenz vom Essen kann man auch mit Zahnbürsten und Zahnpasta experimentieren. Vielleicht ist die Zahnpasta zu schaumig oder sie ist zu scharf... Oder die Zahnbürste ist zu weich und kitzelt so extrem auf dem Zahnfleisch. Es kann mitunter dauern, bis das richtige "Werkzeug" gefunden wird, aber es lohnt sich logischerweise. Sinnvoll ist es immer, die Kinder zu fragen, was sie genau stört. Natürlich ist das nicht immer von Erfolg gekrönt, weil sie das zum Teil gar nicht wissen, aber ein Versuch ist es auf jeden Fall wert. Ansonsten hilft nur probieren, probieren, probieren. Ein Tipp: auch bei erwachsenen Autisten kann es sinnvoll sein, Kinderzahnpasta auszuprobieren. Lieber mit einer Kinderzahnpasta putzen als überhaupt nicht. Wenn überhaupt keine Zahnbürste akzeptiert wird, kann man auch versuchen, einen Lappen um den Finger zu wickeln, die Zahnpasta dort drauf zu machen und damit zu putzen.

4. Ablenkung ist die halbe Miete.

Mir hilft es, wenn ich beim Zähne putzen eine interessante Doku auf dem Handy gucke, mit meiner Freundin telefoniere oder ein Hörspiel höre. Ja, man sollte sich auf die Aktivität konzentrieren, aber wenn ich etwas nebenbei gucke was mich interessiert, schaffe ich es viel länger "durchzuhalten" und auch wirklich alle Stellen zu putzen, auch die, die eher unangenehm sind. Ich hatte noch nie ein Loch im Zahn - also scheint es mich nicht derart abzulenken, dass es dem Zweck zuwider laufen würde. Und gerade wenn Eltern ihren Kindern die Zähne putzen, ist Ablenkung natürlich noch viel sinnvoller. Einfach weil es dann viel leichter auszuhalten ist. Hier kann man auch mit dem Spezialinteresse arbeiten. Wenn das Kind zum Beispiel unfassbar gern Bibi Blocksberg hört, kann man sich darauf einigen, dass immer beim Zähne putzen ein Stück von der Folge gehört wird, am nächsten Tag wieder ein Stück, oder wenn es besonders spannend ist, vielleicht der Rest zum schlafen gehen.

Vielleicht wird das Zähne putzen auch besser akzeptiert, wenn nicht Mama oder Papa die Zahnbürste führen sondern zum Beispiel die ältere Schwester (Voraussetzung ist logischerweise, dass sie weiß, worauf sie achten muss und selbst schon die Zähne ordentlich putzt) oder der Lieblingsteddy... 

Belohnungen halte ich nicht unbedingt für sinnvoll. Das Kind sollte schon auch lernen, dass das Zähne putzen "normal" ist und dazugehört und einfach wichtig ist.

5. Kind selbst putzen lassen

Viele Kinder (auch neurotypische) finden es sehr unangenehm, wenn an ihnen herumgepuzzelt wird, ohne dass sie einen Einfluss darauf haben. Ja, es besteht das Risiko dass dann nicht alle Stellen erwischt werden, aber das ist immer noch besser, als wenn es jeden Abend ein absolutes Theater gibt. Außerdem kann man sich hier die Verfärbungstabletten zu nutze machen. Erst wenn alles ab ist, wird mit dem Zähne putzen aufgehört. Wenn man es regelmäßig macht, sollte das ja auch nicht allzu lange dauern. Ansonsten bleibt natürlich immer noch das "nachputzen". Wenn das Kind bereits gut vorgearbeitet hat, dauert das aber in der Regel dann auch nicht mehr lange und lässt sich daher vielleicht besser aushalten. Das selber putzen fördert logischerweise auch die Selbstständigkeit.

6. An Zahnbürste gewöhnen lassen und Putzzeit langsam steigern

Gerade wenn Zähne putzen ein täglicher Kampf mit Tränen/Wut ist, ist es sinnvoll sich langsamer heranzutasten. Man könnte zum Beispiel eine Zahnbürste zum spielen mit ins Kinderzimmer geben und beispielsweise der Puppe die Zähne putzen (es gibt auch Handpuppen, mit extra großen Zähnen), vielleicht steckt sich das Kind ja die Bürste aus Spaß auch einfach mal selbst in den Mund, wenn es das immer bei der Puppe macht... Außerdem ist es sinnvoll, wenn man nicht direkt bei 3 min anfängt und auch noch nicht mit Zahnpasta, sondern vielleicht erst mal nur Zahnbürste nass machen und mal 10 s im Mund rumfahren (natürlich ist das kein putzen, aber es geht darum, das Kind an das Gefühl zu gewöhnen). Wenn das problemlos akzeptiert wird, kann man schon mal Zahnpasta drauf machen und wieder 10 s. Und so weiter.

Ich hoffe, ihr konntet ein bisschen was für euch mitnehmen. Ich mag Zähne putzen überhaupt nicht, aber ich tue es, weil ich meine Challenge nie ein Loch zu bekommen, unbedingt beibehalten möchte.
Habt einen schönen Tag!

Anne


Quelle Bild:https://www.zahnaerztekammernordrhein.de/fuer-patienten-beratung-service/zaehneputzen-mit-system-kinderzaehne-kai-plus/

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