Wie erklärt man einem Kind, dass es Autist ist?

Guten Tag!

Mit dieser Frage werden sich viele Eltern autistischer Kinder eines Tages zwangsläufig beschäftigen. Vielleicht war das Kind bisher noch zu klein und jetzt wird es langsam älter, spürt, dass es ein bisschen anders als seine Altersgenossen tickt und möchte von seinen Eltern eine Erklärung. Oder die Eltern sind der Ansicht, dass das Kind nun alt genug ist, um diese Information über sich zu erfahren... Eventuell hat das Kind aber auch in den Gesprächen der Eltern mit anderen oder untereinander aufgeschnappt, dass es autistisch ist und möchte nun wissen, was das eigentlich ist. Die Situationen in denen Eltern in die Lage kommen, ihrem Kind erklären zu müssen/wollen dass es autistisch sind, sind quasi unzählig. Aber wie sollte man das am besten machen? Man möchte das Kind nicht mit der Information erschrecken, dass es eine Störung hat und eigentlich will man auch nicht, dass es sich merkwürdig fühlt... Ich möchte heute ein paar Tipps geben, was man bei einem solchen Gespräch beachten könnte, damit das Kind mit dieser Information so gut wie möglich umgehen kann.

1. Die Aufklärung kann durch die psychologische Fachkraft erfolgen.

Egal um welche Diagnose es geht, am Ende eines Diagnostikverfahrens setzt sich der Arzt oder die psychologische Fachkraft (je nachdem um welche Krankheit es geht) mit dem Betroffenen oder den Eltern (je nach Altersstufe) zusammen und klärt genau über die Diagnose auf. Es wird besprochen, welche Auswirkungen die Diagnose auf den Alltag des Betroffenen haben kann, was unterstützen kann, auf was man achten muss, ob es Behandlungsmöglichkeiten gibt, etc. Eltern haben vielleicht die Befürchtung, dass die Kinder möglicherweise überfordert werden, wenn sie diese ganzen Informationen erhalten, schließlich sind ja schon sie erst einmal davon geflasht, und lassen ihr Kind bei diesem Gespräch außen vor und sagen ihnen erst einmal gar nichts von der Diagnose. Je nach Alter kann es aber durchaus sinnvoll sein, das Kind über seine Besonderheiten aufzuklären. Viele Eltern tun sich damit schwer, weil sie Sorgen haben, nicht die richtigen Worte zu finden. In diesem Fall kann es sinnvoll sein, sich entweder vorher von der Person, die die Diagnostik durchgeführt hat, beraten zu lassen, oder ihr diese Aufgabe gleich selbst überzuhelfen.

Ihr müsst euch in der Regel keine Sorgen darüber machen, dass das Kind Informationen bekommt, die es nicht verarbeiten kann. Autismus kann nur von speziell ausgebildeten psychologischen oder medizinischen Fachkräften diagnostiziert werden. Diese Fachkräfte lernen während der Diagnostik euer Kind extrem gut kennen und wissen anschließend ziemlich genau wie es tickt und welche Informationen es verstehen kann und welche nicht. Sie wird es eurem Kind kindgerecht erklären, worum es sich bei Autismus handelt und was das bedeutet, ohne ihm Angst zu machen. Sie hat in der Regel Erfahrungen damit, weil sie das nicht zum 1. Mal tut, sondern schon bei ungefähr hundert Kindern vorher gemacht hat. 

2. Der Autismus sollte nicht als Krankheit, sondern als eine andere Art des Denkens vermittelt werden.

Es muss gar nicht zwangsläufig überfordernd für ein Kind sein, von seinem Autismus zu erfahren. Es kommt ganz darauf an, wie man es verkauft. Man muss nicht zwangsläufig mit den Begriffen Entwicklungsstörung, nicht heilbar, Krankheit, etc. arbeiten. Ja, das sind die medizinischen Fakten, die auf Autismus zutreffen. Die meisten Kinder verstehen aber ohnehin nicht was das bedeutet, wozu sollte man sie damit unnötig belasten? Viel mehr kann man erklären, dass ihr Gehirn eine andere Art und Weise hat, Informationen zu verarbeiten und darauf zu reagieren. Darum versteht es die anderen Kinder manchmal nicht so gut und umgekehrt. Diese Beschreibung beschönigt oder verschweigt nichts, ist aber auch definitiv nicht beängstigend oder verstörend. Älteren Kindern kann man Autismus auch mit einem anderen Betriebssystem erklären (Ios, Android). Iphones sind ja nicht weniger wert, nur weil sie ein anderes Betriebssystem haben als zum Beispiel Huawei oder Samsung! Und genauso sind auch autistische Kinder nicht weniger wert, nur weil sie anders denken!

3. Die Erklärung sollte möglichst neutral und locker erfolgen.

Wie Kinder eine Information verarbeiten, hängt immer davon ab, wie die Bezugspersonen es ihnen rüber bringen. Wenn die Eltern extra vorsichtig und behutsam sprechen und nach den richtigen Worten suchen, vielleicht sogar die eine oder andere Träne unterdrücken müssen, bekommt das Kind logischerweise mit, dass hier irgendetwas ganz und gar nicht stimmt und könnte darauf schließen, dass es eine besonders schlimme Sache ist, wenn man Autismus hat. Dabei hatte es aus seiner Sicht im Leben gar nicht so bahnbrechende Probleme durch den Autismus... Kinder sind in der Regel ziemlich pragmatisch und nehmen Dinge die Erwachsene vielleicht als problematisch ansehen, gar nicht als Beinbruch wahr sondern akzeptieren einfach, dass es so ist wie es ist. Darum ist es besonders wichtig, dass die Information so neutral wie nur irgendwie möglich erfolgt. Am besten vielleicht auch gar nicht bei einem extra dafür anberaumten Gespräch, sondern vielleicht bei einem gemütlichen Herbstspaziergang oder beim gemeinsamen zocken, wenn das Kind vielleicht schon älter, z. B. im Jugendalter ist. So bekommt das Kind mit, dass Autismus jetzt gar nicht sooo weltbewegend ist, sondern einfach zu ihm dazugehört und die Eltern das Kind genau so nehmen, wie es ist.

4. Autismus ist KEINE Superkraft.

Ich habe schon von einigen Eltern gelesen, die ihrem Kind vermitteln, dass Autismus eine Superkraft ist und aufgrund des Autismus super stolz auf sich sein können. Es gibt sogar T-Shirts, Basecaps etc. auf denen folgender Spruch steht: "Ich hab Autismus, was ist deine Superkraft?" und die von autistischen Kindern getragen werden. Ich halte es für absolut falsch, den Autismus irgendwie zu beschönigen oder zu romantisieren. Er ist eine Entwicklungsstörung und kann im Alltag durchaus für viele Betroffene zu einigen Problemen führen. 

Man muss nicht mit medizinischen Fachbegriffen um sich werfen und erläutern, was Autismus alles für Schwierigkeiten mit sich bringt. Das definitiv nicht. Gleichzeitig sollte man aber auch nicht so tun, als wäre Autismus das schönste was es gibt. Denn spätestens wenn die Kinder dann älter werden, besteht das große Risiko, dass sie sich von ihren Eltern veralbert fühlen, wenn sie ihnen die ganzen Jahre vermittelt haben, dass Autismus eine megagroße Stärke ist und dann mitkriegen, welche Schwierigkeiten der Autismus auslöst. Viel sinnvoller ist es, wenn man ihnen erklärt, warum sie bestimmte Probleme im Alltag haben, aber auch die Stärken mitteilt, die es durch den Autismus hat. Ein gesunder Mittelweg quasi. So lernt das Kind, dass Autismus zwar nicht nur schön ist, aber auch Vorteile haben kann und können dadurch besser damit umgehen.

5. Googelt Autismus vorher auf Kindersuchmaschinen.

Viele Eltern wissen zwar ganz genau, was Autismus ist und kennen auch reichlich Hintergrundinformationen zu diesem Thema, schon aus der Erfahrung mit dem Umgang des Kindes. Aber wenn es darum geht, das alles kindgerecht zu erklären, wird es schon schwieriger. Mit den ganzen Fachbegriffen kann es nichts anfangen und vieles muss es vielleicht auch gar nicht unbedingt wissen, weil es sie - je nach Alter, möglicherweise überfordern würde. Hier kann es wirklich hilfreich sein, mal Kindersuchmaschinen im Internet zu bedienen und sich anzulesen, wie Fachkräfte es kleinen Lesern erklären würden und es dann ähnlich machen. Für den Fall, dass ihr nicht mehr so richtig wisst, welche Suchmaschinen für Kinder besonders geeignet sind, kommen hier zum Abschluss noch ein paar passende Seiten:

- Helles Köpfchen
- Blinde Kuh
- fragFinn

Ich wünsche euch ganz viel Erfolg und drücke euch die Daumen, dass ihr euer Kind optimal über seine Besonderheit aufklären könnt.

Habt einen schönen Tag!
Anne

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