Warum halten AutistInnen oft keinen Blickkontakt?

Guten Tag,

viele autistische Menschen halten bei Gesprächen mit ihren Mitmenschen in der Regel keinen Blickkontakt. Auf die meisten Neurotypen macht dieses Verhalten einen negativen Eindruck:
  • ihr Gesprächspartner wirkt unehrlich
  • er wirkt uninteressiert
  • es wirkt unhöflich
  • ...
Das wird AutistInnen von z. B. ihren neurotypischen Angehörigen auch regelmäßig zurückgemeldet. Warum schauen sie ihren Gesprächspartnern dennoch nicht in die Augen? Ist es ihnen einfach egal, wie sie auf ihre Umwelt wirken? Wer könnte diese Frage am allerbesten beantworten, als ein Autist selbst? Genau das möchte ich heute machen, denn auch ich schaue den meisten meiner Gesprächspartner nicht in die Augen, während ich mit ihnen spreche.

Zuallererst: nein, vielen AutistInnen ist es definitiv nicht egal, welchen Eindruck sie auf ihre Mitmenschen machen. Wir möchten nicht, dass man glaubt, dass wir uns nicht für unseren Mitmenschen oder das Gespräch interessieren und wir wollen definitiv nicht unhöflich wirken. Stattdessen gibt es gute Gründe dafür. 
  • Ohne in die Augen zu schauen, kann man dem Gespräch viel besser folgen.
Das ist tatsächlich einer der Hauptgründe, warum ich anderen oft nicht in die Augen schaue. Wenn ich das tun würde, könnte ich mich nämlich nicht adäquat auf den Inhalt konzentrieren. In die Augen schauen entspricht nicht meinem natürlichen Verhalten während eines Gesprächs, ich müsste dementsprechend meine volle Aufmerksamkeit darauf richten. Es ist daher schwierig sich auch noch auf das zu konzentrieren, was mir mein Gegenüber mitteilen möchte. Zusätzlich irritieren mich Augen irgendwie, weiß nicht so richtig, wie ich das beschreiben soll. Dazu kommt die Mimik meines Gesprächspartners, die ich beim Versuch ihm in die Augen zu sehen, unweigerlich mit im Blick habe. Diese gibt mir aber wenig bis gar keine Informationen preis. Wenn ich dennoch versuche, sie zu entschlüsseln, komme ich wieder beim selben Problem raus - ich kann nicht mehr richtig zuhören.
  • Bekannten Menschen kann ich leichter in die Augen schauen.
Das können vermutlich auch viele anderen Autisten bestätigen. Wenn ich mit jemand sprechen soll, den ich kaum kenne, versuche ich es gar nicht erst, ihm in die Augen zu schauen. Dann konzentriere ich mich nämlich hauptsächlich auf die Kommunikation, die fällt mir in diesem Fall schon schwer genug. Viele AutistInnen (inkl. mir) sind nämlich zusätzlich noch extrem schüchtern. Mir geht es wie den meisten neurotypischen schüchternen Menschen - ich gewöhne mich an die Person und taue mit der Zeit auf. Dann klappt auch mein Trick 17 besser...
  • Ich kann Blickkontakt simulieren.
Jeder weiß, dass es mitunter darauf ankommt, einen optimalen Eindruck beim Gesprächspartner zu hinterlassen. Zum Beispiel bei einem Vorstellungsgespräch. Was machen AutistInnen in solchen Fällen? Eine Variante ist natürlich, dem Personaler zu sagen, dass es einem schwer fällt, ihm aufgrund des Autismus in die Augen zu schauen und es einfach sein zu lassen. Man kann aber auch sagen, dass es einem schwer fällt und so tun, als würde man in die Augen gucken. Wie denn das? Ich konzentriere mich in der Regel auf die Stirn meines Gegenübers (in der Regel kann man das kaum unterscheiden) oder schaue auf einen Gegenstand der im Hintergrund ist, aber ungefähr auf Höhe der Augen des Gesprächspartners sind. So kann ich ihm optimal zuhören, ohne abgelenkt zu werden und das Gegenüber denkt, dass ich ihm in die Augen schaue, ich wirke also zugewandt und freundlich.

Fazit

Blickkontakt ist für die meisten autistischen Menschen extrem anstrengend, darum wenden wir auch den Trick 17 nicht an, wenn es nicht unbedingt erforderlich ist. Denn auch dafür müssen wir uns ja entgegen unserer üblichen Verhaltensweisen verhalten und uns darauf konzentrieren, die korrekte Richtung beizubehalten. Wenn man möchte, dass wir dem Gespräch adäquat folgen, ist es wirklich am günstigsten, wenn man einfach akzeptiert, dass wir knapp an eurem Gesicht vorbeischauen. Wir wollen euch wirklich mitnichten vermitteln, dass wir uns nicht für euch oder unsere Unterhaltung interessieren, wie ihr heute erfahren habt, tun wir das, um das Gegenteil sicherstellen zu können.

Habt einen schönen Tag!
Anne

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