Tipps um gut durch die Weihnachtstage zu kommen

Guten Tag!

Nur noch wenige Tage - dann steht der Weihnachtsmann bzw. das Christkind/Santa Claus/Väterchen Frost/... (je nach Region) vor der Tür. Ich wette, dass einige Kinder schon mächtig aufgeregt sind. Mit Weihnachten beginnt für viele Familien zusätzlich auch eine Zeit mit vielen freien Tagen. Viele Schulen und Kitas sind von Weihnachten bis zum Jahreswechsel geschlossen (in manchen Bundesländern wurden die Ferien ja sogar verlängert, damit die Kinder sich weniger anstecken) und es ist endlich mal wieder Familienzeit. Zeit um mal wieder gemütlich mit der Verwandtschaft bei einer Tasse Tee/Kaffee oder Kakao zusammenzusitzen, es gibt Geschenke, es ist Zeit mal wieder gemeinsam zu spielen, etc. Ich persönlich mag die Weihnachtszeit - den Heiligen Abend, die Feiertage aber auch die Tage kurz davor oder danach (man kann sich ja nicht mit allen Verwandten gleichzeitig treffen.). Für einige AutistInnen bedeuten die Feiertage allerdings leider auch Stress:

- der Tagesablauf ist vollkommen anders, als wenn es in Schule/Kita geht
- meistens trifft man sich in der Weihnachtszeit mit viel mehr Menschen als sonst (und das am Stück)
- alles sieht anders aus (Deko, Weihnachtsbaum, ...)
- es riecht möglicherweise ganz anders als sonst (Duftkerzen, Kekse, Weihnachtsbraten, ...)
- es gibt viel mehr Reize, die es zu verarbeiten gilt (wie oft dudelt denn sonst z. B. fast überall Weihnachtsmusik im Hintergrund?)
- ...

Was kann man also tun, damit auch der autistische Mensch, der möglicherweise ein bisschen sensibel auf die ganzen Veränderungen reagiert, die Weihnachtszeit genießen kann?

1. Überlegen, zu welchen Veranstaltungen der Autist zwingend mit, bzw. anwesend sein muss.

Das ist natürlich vor allem bei Corona sinnvoll, gilt aber auch für "normale" Weihnachtsfeiern bzw. Familienfeiern im Allgemeinen. Natürlich ist es wunderschön, wenn die Familie mal wieder zusammen kommt. Für Menschen mit Autismus sind solche Zusammenkünfte oft allerdings auch sehr anstrengend. Gerade jugendliche AutistInnen bemerken schon recht gut, welches Verhalten ihr Umfeld von ihnen erwartet und bemühen sich, dieses Verhalten auch an den Tag zu legen. Das bedeutet allerdings auch, dass sie sich mitunter verstellen müssen - das kostet Kraft. Gleichzeitig bedeuten viele Menschen auf einem Haufen auch viele Reize, die es zu verarbeiten gilt. 

Möglicherweise kann man die Anzahl der Festivitäten auf die der autistische Mensch mitkommen muss, limitieren. Natürlich kommt es hier auch immer auf den Betreuungsbedarf des Autisten an. Wenn das Kind/der Jugendliche zu keinem Zeitpunkt allein gelassen werden kann, führt am mitnehmen mitunter kein Weg vorbei. Dann kann man aber in Erwägung ziehen, die Dauer der durchgängigen Anwesenheit zu begrenzen. Den Großeltern ist es vielleicht wichtig, gemeinsam Kaffee zu trinken und dabei sollte auch der Enkelsohn dabei sein. In Ordnung. Dann trinkt man eben gemeinsam Kaffee und dann geht der Onkel mit dem autistischen Kind gemeinsam eine Runde spazieren, um es wieder ein bisschen zu entlasten und anschließend wird noch eine Runde gespielt. 

Oder wenn der Besuch nach Hause kommt: muss das Kind zwingend die ganze Zeit mit im Wohnzimmer sitzen? Vielleicht kann es auch einfach zu bestimmten Events (z. B. dem gemeinsamen Essen oder dem spielen oder dem Spaziergang) hinunter kommen und dann entspannt es sich wieder in seinem Zimmer oder einem anderen Rückzugsort. Glaubt mir - es ist für alle entspannter, wenn das Kind immer wieder Zeit hat, um sich zurückzuziehen, dafür aber nicht hinterher aufgrund einer Reizüberflutung anfängt auszuflippen. Das verstehen garantiert auch die Großeltern... 

2. Wenn möglich sollte mind. 1 Raum zur weihnachtsfreien Zone erklärt werden.

Manche AutistInnen sind durch Weihnachtsdeko, Tannenbaum, Weihnachtsduft, Weihnachtsmusik ein Stück weit überfordert. Sie sind es nicht gewöhnt - der Raum wirkt anders, und außerdem bedeutet das mitunter auch wieder mehr Reize. (z. B. blinkende Lichterketten am Tannenbaum) Es kann helfen, wenn es mindestens ein Raum im Haus/der Wohnung gibt, an dem alles so bleibt wie es ist, wo sich nichts verändert und wo der Autist eine Pause von Weihnachten machen kann. Optimal ist natürlich das Kinder/Jugendzimmer, denn das ist ja in der Regel der natürliche Rückzugsort. Möglicherweise ist das auch möglich, wenn man jemand besuchen fährt. Wenn man das vorher abspricht, kann ja recht einfach die Deko in einem Raum entfernt werden. Ansonsten ist aber auch immer hilfreich, wenn der autistische Mensch beim dekorieren helfen darf. So erlebt er stückweise die Veränderung, bzw. sorgt selbst dafür und wird nicht von ihr "erschlagen".

3. Für Vorhersehbarkeit sorgen

Gerade an den Weihnachtstagen wo fast nichts so ist wie immer, kann es helfen, wenn man einen speziellen Weihnachtsplan erstellt. Ich verliere gerade zwischen Weihnachten und Neujahr gern mal die zeitliche Orientierung - da weiß ich dann mitunter nicht welcher Tag ist, bzw. wie lange noch frei ist, was wann zu erledigen ist, etc. Mir hilft dann ein Papierstreifen am Whiteboard, wo ich jeden Tag den vergangenen Tag abschneiden kann. So kann ich einerseits sehen: was steht heute an, aber auch wie viel Zeit ist noch frei. Hier muss man natürlich individuell schauen, wie konkret die Angaben für den Autisten sein müssen. Auf jeden Fall ist es hilfreich, wenn man immer wieder mit dem Kind darüber spricht. Wann kommt jemand zu Besuch? Wer kommt zu Besuch? Wie lange bleibt der Besuch? Was wird gemacht? Was gibt es zu Essen? Also so konkret wie möglich, am allerbesten ist es natürlich, wenn man das zusätzlich noch visualisiert - mittels TEACCH zum Beispiel.

4. Der Tagesablauf sollte möglichst ähnlich zur Nicht-Weihnachtszeit sein.

Natürlich ist Weihnachten etwas besonderes, das zelebrieren viele Menschen auch sehr gern. Aber möglicherweise hilft es dem Kind, wenn sich der Tagesablauf auch in der Weihnachtszeit nicht allzu stark von dem des Alltags unterscheidet. Man könnte zum Beispiel trotz der Tatsache, dass der 1. Weihnachtsfeiertag ist, erst einmal gegen 08:00 Uhr aufstehen (vorausgesetzt es wird auch sonst so an Wochenenden gehandhabt) und dann wird erst einmal wie immer ausgiebig das Vogelbuch betrachtet. Oder wer sagt denn, dass es zum weihnachtlichen Kaffee trinken für das Kind unbedingt Plätzchen geben muss? Ich bin sicher, dass sich niemand daran stört, wenn es einfach seinen geliebten Pfannkuchen bekommt, den er nun mal auch an jedem anderen Wochenende isst. 

Oder wenn die Bade-/Duschtage identisch bleiben. Wenn das Kind normalerweise Samstagabend badet, nun aber zur gewohnten Zeit Samstag Besuch geplant ist, liegt es nahe, das baden auf einen anderen Tag zu verschieben. Für autistische Kinder, die sich an gleichbleibenden Dingen orientieren, kann es allerdings wesentlich stressfreier sein, wenn es stattdessen Samstagvormittag badet. Hier muss man natürlich individuell mit dem Kind besprechen, was ihm wichtiger ist - der identische Tag oder die identische Uhrzeit. Und natürlich zu erklären, warum das baden zum gewohnten Zeitpunkt ausnahmsweise nicht möglich ist. Kontinuität und vorhersehbare Dinge im Tagesablauf sorgen auf jeden Fall dafür, dass das Kind ausgeglichener ist.

5. Vielleicht nicht alle Geschenke auf einmal geben und die Reize reduzieren.

Gerade ältere Familienangehörige sind meistens ganz erpicht darauf, dass das Enkelchen ihr Geschenk vor ihren Augen auspackt, damit sie die Begeisterung genießen können. Gleichzeitig haben aber vermutlich auch die Eltern und möglicherweise noch Onkel/Tante, etc. kleine Päckchen für das Kind vorbereitet. So toll Geschenke auch sind, sie bedeuten natürlich jedes Mal neue Reize. Raschelndes Geschenkpapier, der Umgang mit den eigenen Gefühlen (Aufregung, Freude, Begeisterung, selten Enttäuschung wenn es nicht das Geschenk gab, das man sich erhofft hat), die Unsicherheit - was steckt hinter der Verpackung, dann der Umgang mit dem neuen Gegenstand... Je nach Schwere des Autismus kann die Bescherung für ein autistisches Kind Schwerstarbeit sein. Es kann helfen, wenn man nicht alle Geschenke auf einmal gibt. Sondern vielleicht erst das Geschenk von der Oma. Dann macht man erst einmal eine Pause. Nach dem Kaffee trinken kommt das Geschenk von Tante Elsbeth. Dann wieder eine Pause. Nach dem Abendbrot kann man sich das Geschenk von Mama anschauen... Und so weiter. 

Außerdem ist es empfehlenswert, das benutzte Geschenkpapier möglichst schnell beiseite zu räumen. Je mehr bunte Dinge wuselig in der Umgebung herumliegen, desto höher ist das Risiko, dass das Kind eine Reizüberflutung bekommt. In dem man das Papier nach dem auspacken direkt wegräumt, halten sich die Eindrücke in der Umgebung natürlich deutlich in Grenzen. Möglicherweise kann man auch direkt ganz auf das einpacken verzichten. Dadurch verhindert man das rascheln des Papiers, außerdem haben manche Autisten Probleme mit Unvorhersehbarkeit. Wenn das Geschenk eingepackt ist, wissen sie nicht, was sie erwartet wenn sie es auspacken. Wenn es gar nicht erst eingepackt wird, ist es natürlich ungleich vorhersehbarer. Ich habe auch schon von einem autistischen Mädchen gelesen, das vorher gemeinsam mit ihren Eltern die Weihnachtsgeschenke einkauft und bereits in Ruhe verarbeitet und dann wird es eingepackt und am Weihnachtsabend kann sie sich viel besser darüber freuen, weil sie nicht durch die Unvorhersehbarkeit bzw. Überraschung überfordert ist. Viele Kinder und Erwachsene lieben aber auch Geschenke auszupacken (ich zum Beispiel). 

Schaut individuell was ihr oder euer Kind braucht. Lasst euch nicht von anderen reinreden. Ihr müsst euch auch nicht an die üblichen Traditionen klammern. Niemand zwingt euch, Weihnachten so zu feiern wie es alle anderen tun. Weihnachten ist genau so richtig, wie IHR es gern gestalten wollt. Erst dann kann man doch das Fest erst so richtig genießen. Wir lassen uns zum Beispiel dieses Jahr nicht davon beeindrucken, dass es zu Weihnachten traditionell Kartoffelsalat und Wiener oder Fisch gibt - wir machen uns eine schöne weihnachtliche Bolognese.

Probiert euch aus! Ein frohes Fest!
Anne

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