Hallo!
Ist es nicht irre, wie schnell die Zeit vergangen ist? Gerade haben wir doch noch am See gelegen und uns bräunen lassen und jetzt ist auf einmal fast wieder Weihnachten. In einem knappen Monat werden wieder zahlreiche Adventskalender die Wohnungen zieren. Seien es die klassischen aus Schokolade oder doch etwas extravaganter, wie z. B. Chips, Gewürzmischungen, Getränke, etc. Es gibt ja inzwischen kaum noch Firmen, die sich keinen Adventskalender hätten einfallen lassen. Eigentlich ist für jeden etwas dabei. Sinn und Zweck ist natürlich, die Wartezeit auf Weihnachten mit kleinen Minigeschenken zu versüßen und zu verdeutlichen wie lange es noch bis Weihnachten ist. Natürlich gibt es nicht nur zu Weihnachten Momente, wo man auf etwas warten muss/bzw. herausfinden muss wie lange etwas noch andauert. Sei es Geburtstage, Urlaub, oder Zeiträume, es gibt zahlreiche Anlässe. AutistInnen haben meist Schwierigkeiten, Zeiträume zu überblicken bzw. zu verstehen, wie lange sie noch auf etwas warten müssen. Grund dafür ist, dass die Zeit (sei es Uhrzeiten/Wochen/Monate) etwas abstraktes sind, die man grundsätzlich erst einmal nicht sehen kann. Es gibt aber viele Möglichkeiten, Zeiträume zu visualisieren. Ich möchte heute in diesem Beitrag ein paar kreative Möglichkeiten nennen.
1. Papierstreifen, an dem man jeden Tag ein Abschnitt abschneiden kann
Diese Methode eignet sich besonders, wenn man den Zeitraum in Wochen bemessen kann. Hierfür nimmt man einen Pappstreifen und klebt Papier darauf. Dann misst man zum Beispiel 7 gleichmäßige Abschnitte ab und markiert sie auf dem Streifen. Anschließend muss man sie nur noch mit Tag/Datum und bei Bedarf zusätzlichen Angaben, wie z. B. Besonderheiten beschriften, die an diesen Tagen auf den Autisten zukommen könnten. In der Adventszeit wären das zum Beispiel besondere Feierlichkeiten - Weihnachtsmärchen, die Feier mit dem Verein, Kekse backen, etc. Hier muss man natürlich individuell schauen, welche Informationen wirklich notwendig sind, um den Autisten nicht mit einem "zuviel" zu irritieren. Diese Methode habe ich bereits selbst ausprobiert, als eine Bezugsperson, mit der ich täglich Bahn fahre, im Urlaub war um vorhersehen zu können, wie lange ich noch allein fahren muss. Bzw. um meine Urlaubsdauer zu visualisieren. Ich werde sie auch für die Adventszeit nutzen, weil die klassischen Adventskalender für mich nicht wirklich hilfreich sind. Es bleibt ja nachwievor die gleiche Anzahl an Türchen, die noch nicht mal in einer Reihe angeordnet sind. Es ist daher schwierig abzuschätzen, wie viel Zeit ich noch habe, um alle Weihnachtsgeschenke zu beschaffen.
2. Abstreich-Kalender
Wenn man etwas visualisieren möchte, dass länger als zwei - drei Wochen dauert. könnte die obige Methode zu unübersichtlich und vor allem zu umständlich werden. Einfach aus dem Grund, dass man nicht unendlich viele Pappstreifen aneinanderhängen kann, irgendwann bekommt man Platzprobleme. Aber kein Problem, stattdessen könnte man die klassischen Monatskalender verwenden, die in den meisten Büros an der Wand hängen. Jeden Tag kann der vorangegangene Tag durchgestrichen werden. Die übrig bleibenden Felder symbolisieren die verbleibenden Tage bis zum "Ziel". Die Wochen, die bereits vergangen sind und nicht zu dem zu zählenden Zeitraum dazugehören kann man zum Beispiel schwärzen oder abschneiden, sodass sie nicht weiter irritieren. Das Zieldatum kann eingekreist werden.
Im Bedarfsfall können die Kalenderfelder natürlich ebenfalls abgeschnitten werden.
3. Time Timer verwenden
Wie lange hat das Kind für eine bestimmte Aufgabe bzw. zum fertig machen für die Schule Zeit, bzw. wie lange hat es noch die Möglichkeit mit seinem Freund zu spielen, bevor die Eltern es gern abholen möchten? Für solche Zwecke eignet sich ein Time Timer. Dabei handelt es sich um eine Art Wecker (in der Regel hat er eine Skala von 1 min bis 60 min, es gibt aber auch längere Zeiträume), der eine Farbscheibe enthält. Je mehr Zeit vergeht, desto kleiner wird die Farbscheibe. Das ist eine super Möglichkeit für autistische Menschen, die mit einer klassischen Zeitangabe wie 20 min nichts anfangen können. Sie wissen zwar, dass 20 min länger als 10 min, sowie kürzer als 30 min sind, wissen aber nicht, wie viel Zeit es wirklich ist. Was man in dieser Zeit machen könnte, etc. Anhand des Time Timers kann man super sehen, wie viel Zeit noch übrig ist und kann sich darauf einstellen. Natürlich kann man es auch mit einem klassischen Handytimer versuchen, aber das ist in der Regel nicht so wirkungsvoll, weil das wieder voraussetzt, dass man mit der Zeitangabe etwas anfangen kann. Nachteil: ein echter Time Timer ist ziemlich teuer, mind. 40 € aufwärts. Es gibt aber kostenlose Apps, die man auf Handy/Tablet nutzen kann, wie z. B. den Time Box Timer.
4. Tagesabläufe lassen sich mit TEACCH verdeutlichen
Bei TEACCH handelt es sich um eine therapeutische Methode zur Visualisierung verschiedenster Pläne/Abläufe/Aufgaben. Dabei kann ganz individuell auf die Bedürfnisse des Autisten eingegangen werden, weswegen es sowohl für Autisten mit Intelligenzminderung als auch für Autisten mit normaler Intelligenz verwendet werden kann. Man kann hierfür zum Beispiel einen Klettstreifen senkrecht an der Wand anbringen. Darauf können die einzelnen Programmpunkte im Tag (z. B. Spaziergang mit Oma, Mittagessen, Spielen, duschen gehen, etc.), ebenfalls mit Klett in der entsprechenden Reihenfolge befestigt werden. Wenn der Tagesordnungspunkt abgearbeitet ist, wird er abgenommen und in eine extra Box gelegt. So ist für das Kind immer vorhersehbar, was noch auf es zukommt. Man kann natürlich auch anderes Material als Klett verwenden, z. B. ein Whiteboard oder Wäscheklammern an einer senkrechten Leine.
5. Wie lange muss man noch warten - kurze Zeiträume
Auch hier kann man den TEACCH-Ansatz verwenden. Ein Beispiel: das Kind soll lernen, am Tisch sitzen zu bleiben, bis alle aufgegessen haben. Das kann durchaus anstrengend sein, vor allem wenn nicht vorhersehbar ist, wie lange das noch dauern kann. Hier könnte man Fotos von allen Essensteilnehmern auf den einen Klettstreifen machen. Kinder die aufgegessen haben, nehmen ihre Karte und heften sie auf einen anderen Streifen mit der Aufschrift "fertig", so behält das Kind den Überblick, welche Kinder noch essen und wie lange es ungefähr noch dauern könnte.
Ich hoffe ich konnte euch ein paar Anregungen geben, die ihr im Alltag für euch selbst (falls ihr autistisch seid), bzw. für eure Kinder anwenden könnt.
Habt einen schönen Tag!
Anne
Anne
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