Hallo!
Wie oft sagen neurotypische Menschen (und auch Asperger-Autisten gelegentlich, weil sie diese Sätze regelmäßig hören...) Sachen wie: "Ich komme gleich!" / "Ich brauch Zeit um mir das zu überlegen..." / "Ein paar Minuten..." / "Komm ungefähr 15:00 Uhr."/ "Ich komme zwischen 13:00 Uhr und 13:30 Uhr." / ... Es sind Standartfloskeln, mit denen Neurotypen ausdrücken möchten, dass sie aktuell noch nicht agieren können und möglicherweise auch noch nicht haargenau wissen wann sie es machen, es aber zeitnah tun wollen. Die meisten Neurotypen wissen intuitiv was ihr Gegenüber damit meint, sie können sich dann irgendwie darauf einstellen und wissen wie lange sie noch ungefähr warten müssen. AutistInnen können mit diesen unbestimmten Begriffen allerdings meistens nichts anfangen.
Wo ist das Problem?
Wie viele Minuten sind ein "paar"? Wie viel Zeit benötigt jemand, wenn er sagt, dass er Zeit für irgendetwas braucht? - Zwei Monate, vier Jahre oder doch nur 2 Stunden? Das große Problem ist, dass diese Zeitbegriffe jeder für sich ganz individuell auslegt - es gibt keine allgemeingültige Übersetzung (also z. B. gleich = immer 3 min, ich komme gleich = immer 10 min). Meist wissen nicht mal die Neurotypen selbst, was sie damit meinen, wenn sie diese Begrifflichkeiten verwenden. Weil das von verschiedenen Faktoren abhängt (kommt noch etwas dazwischen/fesselt einen die Aktivität die man gerade macht so sehr, dass man die Zeit vergisst/mache ich das noch fertig?). Was mich immer wieder überrascht: Neurotypen wissen in der Regel ziemlich genau, mit wieviel Wartezeit sie in der Regel rechnen müssen, wenn ihr Gegenüber eine solche Zeitangabe macht. Offenbar haben sie schon Erfahrungswerte gemacht, was der Durchschnittsmensch damit meint. Autisten gelingt das in der Regel nicht, weil sie Schwierigkeiten damit haben, die kleinen statistischen Ausreißer zu ignorieren. Sie beziehen alle Erfahrungen in ihre Überlegungen mit ein und stellen dann fest, dass es keine gemeinsame Konstante gibt. Sie können sich also quasi überhaupt nicht darauf einstellen, wie lange sie jetzt auf irgendetwas warten müssen, oder was sie noch machen können, bevor X/Y passiert.
Wir wollen ja zum Beispiel pünktlich fertig sein. Wenn jemand aber nur einen ungefähren Zeitraum nennt oder überhaupt nicht sagt, ob etwas stattfindet, können wir uns eigentlich die ganze Zeit nicht mit dem beschäftigen, was wir gern tun würden. Angenommen zwischen 13:00 Uhr und 13:30 Uhr - dann würde ich mich für 13:00 Uhr fertig machen - denn ab dem Zeitpunkt könnte derjenige ja kommen. Danach sitze ich meistens auf der Couch und spiele Handy (bereits mit angezogenen Schuhen und Jacke), weil ich ja nicht weiß, wann derjenige tatsächlich kommt. Ich könnte vielleicht noch einen Blogbeitrag fertig schreiben - kann ich aber nicht, weil ich nicht aus der Tätigkeit plötzlich rausgerissen werden möchte. Denn derjenige könnte ja jede Minute klingeln...
Genau wie "Wir reden noch mal um eins, ob wir uns treffen." Für den Neurotypen eine super Sache - er muss sich nicht festlegen - für mich als Autist richtig anstrengend. Ich brauche eine konkrete Angabe: ja oder nein - sonst kann ich ja meinen Tag nicht planen. Wenn derjenige ganz klar nein sagt, wäre ich viel flexibler, wenn andere Menschen mir einen Vorschlag für eine gemeinsame Aktivität machen. Wenn ich aber nur höre: vielleicht, muss ich den anderen absagen, denn ich bin ja quasi so halb verplant... Ihr wisst was ich meine vermute ich.
Was wäre günstiger?
- Ich mache X noch fertig und melde mich danach bei dir. Es dauert mindestens noch 30 min.
Schon ist die Wartezeit vorhersehbar und wir haben die Chance, noch etwas zu machen, worauf wir Lust haben.
- Ich bin 13:45 Uhr bei dir, kann mich aber um ein paar Minuten verspäten.
Das ist doch was, womit wir was anfangen können. Wir haben also mindestens Zeit bis dahin, es kann aber auch noch mehr Zeit sein. Es ist doch für euch bestimmt ein leichtes vorauszuplanen, vor welchem Zeitpunkt ihr garantiert nicht losgeht zu Hause.
- Ich weiß noch nicht, wie ich mit meiner Tätigkeit vorankomme. Wenn dir jemand anders ein Angebot macht, nimm es an, wir suchen uns dann einen anderen Tag für unser Treffen aus.
Na gut - dann wissen wir wenigstens woran wir sind und können auch nachvollziehen, warum sich der andere nicht festlegen möchte. Und dann wissen wir, dass der andere nicht böse ist, wenn wir uns etwas anderes vornehmen.
Am günstigsten ist es, wenn ihr wirklich so konkrete Zeitangaben wie möglich macht. Für uns ist nichts wichtiger, als die Möglichkeit uns auf das was kommt einzustellen.
Habt einen schönen Tag!
Anne
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