Hallo,
heute kommt wie versprochen der zweite Teil mit Tipps für ein erfolgreiches Trockentraining. Dienstag ging es darum, welche Vorbereitungen getroffen werden können.
Routinen einführen
Es gibt kaum Dinge, die autistische Menschen mehr mögen als Routinen. Sie geben Sicherheit und sorgen dafür, dass der Tag planbarer und vorhersehbarer wird. Das kann man sich natürlich gerade beim "Trocken"-Training zu Nutze machen. Ich betone noch einmal: bisher war das Kind nicht gewohnt, dass es sinnvoll ist, in regelmäßigen Abständen auf die Toilette zu gehen. Es muss sich erst einmal daran gewöhnen. Hier können Routinen helfen. Quasi: "Immer bevor wir Frühstück/Mittag/Abendbrot essen (und danach), bevor wir spazieren gehen/nachdem wir XY gemacht haben... gehen wir alle auf die Toilette und schauen, ob wir müssen." Wenn das Kind dieses Ritual verinnerlicht hat, wird es irgendwann anfangen, es selbstständig umzusetzen und spürt dann vielleicht auch irgendwann, dass es genau zu diesen Zeiten oft auf die Toilette muss. Es gewöhnt sich daran, dass es regelmäßig das WC aufsucht. Es kann sinnvoll sein, den Toilettengang in den Tagesplan nach der TEACCH-Struktur einzubinden. Wichtig ist, dass es vorhersehbar und logisch ist.
Nicht fragen "Musst du zur Toilette?"
Es ist gerade am Anfang sinnvoll, das Kind in sehr kurzen und regelmäßigen Zeitabständen immer wieder auf die Toilette zu setzen. Ich empfehle euch: fragt euer Kind nicht, ob es muss, sondern sagt erst einmal "Es ist Zeit auf die Toilette zu gehen." und setzt es dann auf die Toilette. Kinder müssen erst lernen, wahrzunehmen wie es sich anfühlt, wenn die Blase voll ist - das Risiko dass sie nein sagen und dann ist die Hose nass, ist am Anfang noch viel zu groß. Ihr werdet auf die Frage zu Beginn des Trainingsprozesses niemals eine zuverlässige Antwort erhalten, auf die ihr euch verlassen könnt. Und selbst wenn das Spüren des z. B. Harndrangs schon ein bisschen besser ausgeprägt ist, kann das Kind wenn es zum Beispiel gerade im Spiel ist, schlichtweg keine Lust haben, sich jetzt auf die Toilette zu setzen. Früher musste man das Spielen ja auch nicht dafür unterbrechen...
Macht sichtbar, was beim Gang zur Toilette passiert.
Gerade autistische Kinder wird es vermutlich erst einmal irritieren, wenn sie etwas vollkommen neues in ihr Handlungsrepertoire aufnehmen müssen, dass sie vorher nie gemacht haben. Es kann sein, dass sie anfänglich gar nicht verstehen, was vor sich geht. Wenn ihr diesen Eindruck gewinnt, macht einen Toilettengeh-Ablaufplan. So zum Beispiel:
1. Hose herunterziehen.
2. Auf die Toilette setzen.
3. Kurz warten, ob man das Gefühl hat, dass etwas kommt.
4. Pullern oder kackern.
5. Absteigen.
6. Hose wieder hochziehen.
7. Händewaschen und abtrocknen.
So klar wie es für Erwachsene ist, so ungewohnt kann es für autistische Kinder sein - sie kennen es ja noch nicht. Es kann also durchaus helfen, wenn der Vorgang für sie vorhersehbar ist. Bei kleineren Kindern sollte man natürlich Piktogramme verwenden, die es leicht verstehen kann.
Keine Belohnungen für den Toilettengang an sich.
Ich halte übrigens nichts davon, das Kind für einen erfolgreichen Toilettengang mit irgendetwas (Süßigkeit, etc.) zu belohnen. Grund: wenn es irgendwann zuverlässig regelmäßig auf die Toilette geht und das Trocken-Training beendet ist, wird es ja auch nicht mehr dafür belohnt. Es wird irgendwann vorausgesetzt, dass die Kinder auf die Toilette gehen (wir werden ja auch nicht dafür belohnt, auf die Toilette zu gehen). Dann wird es aber nicht verstehen, warum es jetzt auf einmal keine Belohnung mehr erhält und denkt möglicherweise, dass es etwas falsch gemacht hat. Außerdem sollen die Kinder lernen, den Toilettengang als etwas zu begreifen, das vollkommen normal ist und zum Alltag dazu gehört. Das soll keinesfalls bedeuten, dass man das Kind nicht loben sollte, wenn es erfolgreich angezeigt hat, dass es auf die Toilette muss und dann auch noch etwas gemacht hat. Ihr solltet es sogar unbedingt loben und Wertschätzung für den Erfahrungsgewinn des Kindes zeigen - es ist ja auch eine ziemlich schwierige Aufgabe für so einen kleinen Menschen. Ich halte nur nichts von "Minigeschenken" für etwas, dass zum Alltag dazugehört.
Etwas anderes ist es, wenn das Kind bereits gelernt hat, tagsüber im Regelfall trocken zu bleiben und nur ab und zu etwas in die Hose geht. Hier kann man durchaus ein Belohnungssystem einführen. Zum Beispiel: wenn du 10 x den ganzen Tag nicht eingepullert hast, gehen wir gemeinsam ein Eis essen. Der Unterschied liegt hierbei für mich darin, dass hier nicht die Tätigkeit "auf Toilette gehen" an sich belohnt wird, sondern die Fähigkeitsentwicklung dass es seinen Körper schon so gut wahrnehmen kann, dass es nicht mehr einpullert. Immer wenn es geklappt hat, kann ein Smiley auf einen Zettel gemalt werden. Wenn es schief gegangen ist, gibt es natürlich keine Bestrafung, aber eben auch kein Smiley. Je nachdem wie zuverlässig das klappt, kann man die Ziele bis es eine Belohnung gibt, natürlich verkürzen oder verlängern.
Was sonst noch wichtig wäre/Fazit
Bei autistischen Kindern kann das Trocken-Training länger dauern, als bei neurotypischen Kindern. Spätestens wenn das Kind das 5 Jahre alt ist, sollte man aber mal mit dem Kinderarzt sprechen, da es durchaus auch organische Ursachen dafür geben kann, dass das Kind nicht trocken wird. Wenn der Kinderarzt bestätigt, dass alles in Ordnung ist, ist ja alles top - dann gebt dem Kind einfach noch Zeit. In einem früheren Beitrag habe ich erwähnt, dass viele autistische Kinder unter Entwicklungsstörungen leiden und dass sie für viele Dinge einfach länger brauchen, als neurotypische Kinder, weil sie den Entwicklungsschritt viel später erreichen. Auch das kann ein Grund sein, warum es länger dauert, bis euer Kind zuverlässig spürt, dass es auf Toilette muss und dann auch geht.
Solange euer Kind davon überrascht ist, dass seine Hose nass ist, macht ein Toilettentraining übrigens noch gar keinen Sinn. Denn das bedeutet, dass es (noch) nicht in der Lage ist, seinen Körper und dessen Bedürfnisse nicht adäquat wahrzunehmen. Und dann kann man logischerweise auch nicht von ihm erwarten, dass es sich bemerkbar macht, wenn es auf die Toilette muss. Dann kann und sollte man auch erst mal mit den Windeln weitermachen, weil man das Kind andernfalls überfordern würde.
Ich wünsche euch ganz viel Erfolg beim Training. Habt einen schönen Tag.
Anne
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