Autismus und Spielverhalten

Guten Tag!

Wenn Eltern mit ihrem Kind zu einer Diagnostik bezüglich Autismus-Spektrums-Störung gehen, kommt häufig auch die Frage, wie das Spielverhalten des Kindes ist. Was hat denn das Spielverhalten mit dem Autismus zu tun? Eine ganze Menge, denn viele Kinder im Autismus-Spektrum legen ein anderes Spielverhalten an den Tag, als das ihre neurotypischen Altersgenossen tun würden. Eine Mama von einem vermutlich frühkindlichen kleinen Autisten, mit der ich vor einer Weile auf einem sozialen Netzwerk geschrieben habe, war sogar der Meinung, dass ihr Kind gar nicht so richtig spielen kann. Ich bin anderer Meinung. Auch autistische Kinder spielen - nur eben anders. Und über diese Unterschiede bzw. über die bevorzugten Spiele von autistischen Kindern möchte ich heute schreiben. 

Figuren/Autos/... werden eher aneinander gereiht als bespielt

Wir hatten als Kinder eine grüne Kiste, wo dutzende Spielfiguren von den Überraschungseiern drin gelagert waren. Eine meiner Lieblingsspiele war es, die Figuren auszuschütten und entweder in einer Reihe aufzustellen oder sie alle in einem großen Kreis zu postieren. Nebenbei ein Hörspiel an und ich war glücklich und zufrieden. Mir ist das auch nicht langweilig geworden. Ganz im Gegenteil - man konnte sie ja immer wieder neu aufreihen oder sortieren. Wir hatten zum Beispiel auch Figuren die doppelt vorhanden waren, die hat man dann in dem Kreis natürlich hintereinander gestellt um sichtbar zu machen, dass sie identisch sind. Außerdem hatten wir ein riesiges Playmobilset mit unterschiedlichen Figuren und Spielwelten. Unter anderem war auch ein Karussell dabei. Ich habe damit häufig in der Form gespielt, dass ich sämtliche Playmobilfiguren aneinander gereiht habe - sie mussten geduldig "warten" um an die Reihe zu kommen, wurden in das Karussell gesetzt, kurz gedreht und mussten sich wieder anstellen. Nebenbei habe ich mir schöne Geschichten im Kopf ausgedacht oder nebenbei ein Hörspiel gehört. Ich weiß, dass viele autistische Kinder riesigen Spaß daran haben, Figuren oder etwas anderes in eine Reihe oder eine sonstige Form zu sortieren und das immer und immer wieder zu wiederholen. Meistens gelingt das sogar richtig akkurat! Ich folge bei Facebook einem Mädchen mit autistischen Zügen. Sie hat unter anderem sehr viele Pferde - statt aktiv mit den Pferden zu spielen, werden sie in eine Reihe gebracht. Neurotypische Kinder würden höchstwahrscheinlich eher mit den Pferden wilde Ausritte nachspielen und würden vermutlich weniger auf die Idee kommen, sie zu sortieren. 

Es wird eher allein als mit Gleichaltrigen gespielt

Das dürfte spätestens im Kindergarten auffallen. Viele autistische Kinder haben wenig Interesse an der Interaktion mit Gleichaltrigen, bzw. haben sie vielleicht einen oder zwei feste Spielpartner und die restlichen Kinder sind uninteressant. Das liegt unter anderem daran, dass sie die Spiele von neurotypischen Kindern entweder langweilig finden oder unter Umständen überhaupt nicht verstehen. Viele Kinder spielen sehr gern Rollenspiele. Um diese mitspielen zu können, muss man erst einmal in die Rolle hineinversetzen, die man gerade spielen soll (was Autisten ja nun ohnehin nicht so besonders gut liegt), man muss verstehen, was die anderen Kinder von der Rolle erwarten und wozu sollte man überhaupt etwas spielen, was man gar nicht ist? Das macht ja gleich gar keinen Sinn. Bzw. warum zum Henker machen die Kinder irgendwelche Pferdegeräusche nach? Sie sind doch Menschen und keine Pferde?? Genau wie für neurotypische Kinder das Spiel von dem autistischen Spielgefährten vermutlich langweilig erscheinen wird, können auch autistische Kinder zum Teil nicht nachvollziehen, was die anderen da komisches spielen... Hinzu kommt, dass vielen Kindern im Autismus-Spektrum die anderen viel zu wild und laut sind. 

Die meisten Kinder mit Autismus orientieren sich überwiegend am Erzieher und beschäftigen sich mit sich selbst. Liebe Eltern, ich kann euch beruhigen: in 99 % aller Fälle fühlen wir uns mitnichten einsam dabei - wir haben doch eine spannende Beschäftigung und wenn nicht, können wir ja immer noch mit der Erzieherin zusammen spielen... Mich hat das nie gestört. Viele Eltern haben das Gefühl, dass sie ihrem autistischen Kind einen Spielgefährten suchen müssen und versuchen möglichst viele Treffen mit anderen Kindern zu arrangieren. Glaubt mir: in aller Regel ist das wirklich nicht notwendig. Wenn wir Freunde haben möchten und Unterstützung dabei brauchen, signalisieren wir das schon. In den meisten Fällen macht es eh keinen Spaß mit den anderen zu spielen, die sich so seltsam verhalten. Und wenn wir einen festen Spielgefährten haben, reicht das vollkommen aus.

Es werden gern Materialien benutzt, die einen sensorischen Reiz auslösen.

Es gibt extrem viele Kinder, die sich super gern mit Wasser, Knete oder z. B. Sand beschäftigen. Als Kind habe ich 99 % meiner Freizeit immer in der Sandkiste verbracht. Am allerbesten war furztrockener Sand, der so richtig schön gestaubt hat. Ich konnte stundenlang sieben, oder den Sand durch meine Hände rieseln lassen (mache ich heute noch, ich habe einen Eimer mit Sand im Keller). Außerdem kann ich mich noch super an eine Szene von der Klassenfahrt erinnern. Wir waren im Schullandheim und dort gab es eine Lehmgrube. Eigentlich sollten wir mit dem Lehm eine Wand selber bauen (vermischt mit Gras). Wir waren allerdings derart begeistert von der Konsistenz, dass wir uns von oben bis unten damit eingerieben haben. Ich und ein Mitschüler waren sogar direkt in der Lehmgrube drin. Hinterher sahen wir mit Verlaub gesagt aus wie die Potten :D, aber es war so ein wunderschönes Gefühl diese schwere Pampe überall am Körper zu spüren, es war ein total cooler sensorischer Reiz. In Physio- oder Ergotherapiepraxen stehen auch oft Kästen rum, die mit Linsen oder Bohnen oder Erbsen gefüllt sind, um damit Wahrnehmungsübungen zu machen - autistische Kinder fahren häufig voll darauf ab und wühlen super gern darin herum. Es hört sich ja auch mega schön an! Was auch immer total schön war (wenngleich auch eine extreme Wasserverschwendung): wenn ich im Garten mit dem Wasserschlauch eigentlich gießen sollte, habe ich häufig versucht den Strahl so ins Sonnenlicht zu halten, dass ich meinen eigenen Regenbogen erschaffen habe. Sowas macht autistischen Kindern extrem viel Spaß. 

Sportarten mit immer wiederkehrender Bewegung

Ganz viele Kinder im Autismus-Spektrum lieben es zu schaukeln! Ich selber war quasi so gut wie nie von der Schaukel herunter zu bekommen und liebe es auch noch im Erwachsenenalter. Wenn ich an einem Spielplatz vorbei komme, setze ich mich auf die Schaukel, vollkommen irrelevant, was andere von mir denken. Sehr beliebt sind auch wippen oder Trampolin springen. Bei all diesen Bewegungen handelt es sich um wiederkehrendes/wiederholendes. Es passiert im immergleichen Rhythmus und man muss eigentlich nicht darüber nachdenken, weil sie nahezu automatisch ablaufen. Das ist auch der Grund, warum viele erwachsene Autisten gern mit dem Oberkörper vor und zurückschaukeln. Es beruhigt, weil es eine gleichförmige Bewegung ist. 

Fazit

Natürlich lieben es auch viele neurotypische Kinder im Sandkasten zu spielen, oder zu schaukeln oder ähnliches. Es gibt auch nicht DAS Spielverhalten, das alle Autisten an den Tag legen. Alle können auch bei einem neurotypischen Kind auftreten. Allerdings trifft oben genanntes eben überdurchschnittlich häufig bei autistischen Kindern auf. Ein wesentlicher Unterschied im Spielen besteht aber darin, dass neurotypische Kinder wesentlich mehr Interessensgebiete haben bzw. viel mehr unterschiedliche Spiele ausprobieren, während Autisten in ihren Interessen eher eingeschränkt sind und häufig eher weniger dazu zu bewegen sind, etwas neues auszuprobieren. 

Habt ihr eure Kinder wiedererkannt? Ich wünsche euch einen schönen Tag!
Anne

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