Guten Tag!
Im letzten Beitrag habe ich Vor- und Nachteile der eigenen Wohnung bei autistischen Menschen berichtet. Logischerweise gibt es besonders in der Anfangszeit (auch bei neurotypischen jungen Erwachsenen) die aus der elterlichen Wohnung ausgezogen sind, noch gewisse Schwierigkeiten. Das ist völlig logisch, schließlich muss man erst einmal einen Überblick darüber bekommen, was im Haushalt alles erledigt werden muss und was allgemein bei der eigenen Wohnung beachtet und realisiert werden muss. Darum unterstützen die meisten Eltern ihre Kinder besonders in dieser Anfangsphase (und oft auch darüber hinaus, wenn mal irgendwelche Schwierigkeiten sind). Es gibt aber auch autistische Menschen, die zwar grundsätzlich schon in ihrer eigenen Wohnung leben können, weil sie relativ selbstständig sind, aufgrund ihres Autismus aber mehr Unterstützung benötigen, als das bei neurotypischen Menschen der Fall wäre. Hier kann es sinnvoll sein, die Hilfe von fachlich-geschultem Personal in Anspruch zu nehmen - diese Hilfe nennt sich ABW (Ambulant Betreutes Wohnen).
Wer kann Unterstützung durch das ABW erhalten?
Das Ambulant Betreute Wohnen ist für Menschen mit Behinderung oder psychischen Erkrankungen gedacht, die so selbstständig sind, dass sie in einer eigenen Wohnung leben können, die aber durch ihre Einschränkung in ganz bestimmten Lebenslagen eben doch Unterstützung benötigen. Voraussetzung für das ABW ist, dass der Hilfesuchende keine Rund-um-die-Uhr-Betreuung benötigt, sondern im Regelfall selbstständig leben kann und nur in Teilbereichen Hilfe braucht.
Welche Unterstützung kann man über das ABW bekommen?
Die Möglichkeiten sind ganz vielfältig und werden ganz individuell auf den Klienten angepasst. Bevor die Unterstützung beginnt, bespricht die Fachkraft gemeinsam mit dem Klient, in welchen Lebensbereichen er sich Hilfe wünschen würde und wie er sich die Unterstützung konkret vorstellt. Zum Beispiel kommen folgende Hilfen in Frage:
- Begleitung zu Ärzten/Psychologen, Therapeuten, Behörden
- Begleitung bei Freizeitaktivitäten/Anregungen was man überhaupt in der Freizeit tun könnte
- Hilfen zum verantwortungsvollen Umgang mit Geld
- Förderung der Selbstständigkeit
- Hilfe bei zwischenmenschlichen Konflikten oder akuten Problemen des Klienten
- Unterstützung beim lernen, den Haushalt selber zu führen
- Hilfe beim Aufbau einer sinnvollen Tagesstruktur
- Hilfe bei der Suche nach einer geeigneten Wohnung/Arbeitsplatz
- ...
Die Aufzählung ist bei Weitem nicht vollständig, es kommt wirklich ganz darauf an, was sich der Hilfesuchende konkret wünscht und was er benötigt. Der Umfang dieser Unterstützung richtet sich ebenfalls nach den Bedürfnissen des Klienten, sie kann von mehreren Stunden täglich bis hin zu ein paar Stunden pro Monat variieren, je nachdem, wie viel Hilfe benötigt wird.
Wie wird das Ambulant Betreute Wohnen finanziert?
Das ABW ist eine Leistung der Eingliederungshilfe, was bedeutet, dass sie von einem Amt finanziert wird. Da die Regelungen von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich sind, kann ich hier leider keine konkreten Angaben dazu machen, welche Voraussetzungen der Hilfesuchende erfüllen muss, um ABW erhalten zu können. Wenn ihr diese Unterstützung aber in Anspruch nehmen wollt, müsst ihr euch nur an einen Träger wenden, der diese Leistung anbietet (z. B. Diakonie/Caritas/DRK/...), dort erhaltet ihr auf jeden Fall Unterstützung bei der Beantragung. In der Regel wird es beim Sozialamt, beim Landratsamt oder dem Kommunalen Sozialverband beantragt. Meist darf ein bestimmtes Einkommen bzw. Vermögen nicht überschritten werden, sonst muss ein Eigenanteil von dem Klienten bezahlt werden. Darüber muss man sich aber in der Regel weniger Gedanken machen, die wenigsten "Otto-Normalverbraucher" werden diese Grenze sprengen. In den meisten Fällen müssen die Klienten also nichts dafür bezahlen.
Voraussetzung um das ABW erhalten zu können, ist eine fachärztliche Bescheinigung über das Vorliegen der Behinderung sowie eine Einschätzung dieses Arztes, dass das Ambulant Betreute Wohnen wirklich notwendig und sinnvoll ist.
Vorteil des Ambulant Betreuten Wohnens
Der entscheidende Vorteil ist, dass der Klient in seiner eigenen Wohnung leben kann und größtenteils "sein eigenes Ding" machen kann, ohne ständig kontrolliert zu werden oder permanente Betreuung zu erhalten. Es ist quasi der Mittelweg zwischen komplett alleine wohnen, ohne jegliche Unterstützung / Betreutem Wohnen (in einer Einrichtung wo rund um die Uhr Unterstützung verfügbar ist) bzw. Wohnheim. Dadurch wird die Selbstständigkeit des Klienten enorm gefördert. Er bekommt die Unterstützung die er benötigt, ohne aber in seinen Fähigkeiten ausgebremst zu werden.
Zusätzlich finde ich es super, dass nicht pauschal ein- und dieselbe Unterstützung für jeden angewendet wird, sondern wirklich vorher gemeinsam geprüft wird, welche Hilfe ist notwendig und in welchem Umfang.
Zu guter Letzt finde ich es aber auch sehr hilfreich, dass die Klienten nicht von ihren Eltern abhängig sind. Natürlich helfen die meisten Eltern liebend gern und das Angebot nehmen wir ja auch gern an, aber eine Fachkraft hat viel mehr den Überblick darüber, was man selbst tun kann (wenn man es vielleicht auch noch erlernen muss), Eltern sind da möglicherweise zu vorsichtig. Außerdem verhindert es Konflikte. Die Fachkraft ist nicht persönlich davon betroffen, wenn die Erledigung bestimmter Dinge trotz mehrfacher Übungen noch nicht funktioniert, es ist einfach ihr Job und sie können den Einfluss der Einschränkung auf fehlgeschlagene Dinge vor allem besser einordnen, Eltern machen sich vielleicht doch eher Sorgen, wenn es auch nach der X-ten Wiederholung nicht klappt, ob es die Kinder je lernen.
Schlusswort
Ich hoffe, ich konnte euch einen ersten Überblick über das Ambulant Betreute Wohnen geben. Ich selber nutze zum aktuellen Zeitpunkt keins, bin aber am überlegen, ob die Unterstützung sinnvoll für mich wäre.
Habt einen schönen Tag!
Anne
Anne
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