Methoden um Gefühle verarbeiten

Hallo!

Autistische Menschen haben häufig Schwierigkeiten Gefühle zu verarbeiten. Ich möchte betonen: wir sind keine emotionslosen Roboter, auch wir empfinden Gefühle wie Freude, Wut, Trauer, Angst, etc. (mir fallen gerade nur die Grundemotionen ein, aber es gibt ja noch zahlreiche mehr) Das Problem ist eher, dass viele autistische Menschen nicht klar erkennen können, um welche Emotion es sich handelt. Wir spüren, dass irgendetwas in uns los ist, aber welches Gefühl das nun gerade ist, bzw. was man dagegen tun kann, wenn das Gefühl nicht gerade angenehm auf uns wirkt, das ist verdammt schwierig. Außerdem ist es teilweise problematisch zu erkennen, warum wir diese Emotion gerade erleben. Wenn man sie nicht zuordnen kann, kann man die Gefühle natürlich auch schlecht verarbeiten. Genau das ist aber zwingend erforderlich, damit es einem nach einem ungünstigen Gefühl wieder besser geht oder man sich wieder beruhigen kann, wenn man etwas super aufregendes (auch schönes) erlebt hat. Da ich fest davon ausgehe, dass auch andere AutistInnen Schwierigkeiten damit haben, möchte ich euch heute meine Methoden zur autismusfreundlichen Verarbeitung vorstellen. 

Übersicht vergleichen, wo die Emotionen im Körper wahrgenommen werden 

Auch wenn wir das Gefühl was gerade in uns ist nicht benennen können, fühlen viele eine körperliche Reaktion darauf. Und man kann es kaum glauben, aber alle Menschen fühlen bestimmte Emotionen an ganz bestimmten Körperstellen. Und damit kann man arbeiten. Ich habe bereits einen gesonderten Beitrag darüber geschrieben - wer sich intensiver mit der Methode auseinander setzen möchte, dem sei der frühere Beitrag empfohlen. Wenn man also eine solche Übersicht zur Hand hat (gibt es im Internet zum gratis Download oder anschauen) muss man in der Regel nur noch vergleichen: wo spüre ich gerade etwas ganz besonders stark im Körper oder im Gegenteil: kaum noch. In vielen Fällen stimmt es extrem zuverlässig überein! Ich habe meiner Psychologin zum Beispiel mal in einer Mail beschrieben, dass ich ein komisches Gefühl im Bauch und in den Beinen habe - und genau in diesen Bereichen war auch auf der Karte etwas abgebildet - Traurigkeit! Und als ich näher darüber nachgedacht hatte, war ich in dem Moment tatsächlich etwas niedergeschlagen. Warum das der Fall ist, ist teilweise nachwievor unklar, aber so hat man die Möglichkeit erst einmal herauszufinden, warum der Körper sich gerade so komisch anfühlt. Das kann schon eine Menge Druck rausnehmen. Meist fällt einem dann (vielleicht mit etwas Hilfe von außen) auch der passende Auslöser ein. Diese Methode funktioniert nicht für alle AutistInnen, da manche unter uns auch ein schwächeres Körpergefühl haben, das also gar nicht unbedingt wahrnehmen. Hier hilft einfach ausprobieren!

Musik hören

Das machen tatsächlich auch viele Neurotypen gern, wenn sie in Ruhe über irgendetwas nachdenken wollen. Welche Musik? Das kommt ganz auf die Situation und das persönliche Empfinden an. So genau kann man das gar nicht sagen, da manche Menschen mit Musik auch Erinnerungen verknüpfen. Ich kann zum Beispiel wenn ich überhaupt keine Lust auf gar nichts habe, mich mit Weihnachtsmusik aufraffen. Manchmal macht sie mir extrem gute Laune, in anderen Fällen kann ich davon weinen - sogar vollkommen identische Songs können ganz unterschiedliche Reaktionen in mir auslösen. Das gute ist, dass wir instinktiv spüren, welche Musik wir gerade brauchen. Ich schalte in der Regel in den Zufallsmodus und lasse mich überraschen, welche mich gerade anspricht. Es kann sein, dass ich ungefähr 20 Lieder skippe, weil sie einfach nicht in meine Stimmung passen - aber wenn ich einmal meine Musik gefunden habe, geht es mir quasi schlagartig besser. Man muss beim Musik hören auch nicht aktiv versuchen irgendwelche Gefühle rauszulassen oder sie krampfhaft verstehen zu wollen oder über irgendwas nachdenken. Sie hilft einfach so! Das menschliche Gehirn arbeitet hauptsächlich unterbewusst - wir können unsere Gedankengänge manchmal gar nicht richtig wahrnehmen, so schnell gehen sie. Ihr müsst auch nicht darüber nachdenken, warum ihr gerade die Musik hört - es reicht wenn euer Gehirn das weiß, und darauf könnt ihr euch verlassen.

Tagebuch schreiben

Ich liebe es und auch das machen viele Neurotypen, wenn sie Gefühle verarbeiten wollen. Ihr wisst nicht, was gerade in euch Phase ist also habt ihr keine Ahnung, was ihr schreiben sollt? Fangt einfach an über euren Tag zu schreiben. Auch hier weiß euer Gehirn ganz genau, womit ihr euch auseinandersetzen müsst und ihr kommt ganz automatisch auf dieses Thema. Wundert euch auch nicht darüber, wenn ihr von einem Thema in ein vollkommen anderes übergeht, dass schon gar nichts mehr mit eurem Tag oder euren Gefühlen zutun hat. Lasst euch vollkommen von eurem Instinkt und Gefühl leiten. Darüber worüber ihr gerade nachdenken wollt, ist genau euer Thema in dem Moment. Ihr werdet spüren, dass es euch danach immer besser geht. Ihr habt euch vielleicht gar nicht aktiv mit dem "Problem" auseinandergesetzt, aber ihr habt vielleicht über Umwege darüber nachgedacht, ohne dass ihr es gemerkt habt. Oder ihr gewinnt Erkenntnisse daraus, was ihr in damaligen Situationen gemacht habt. Manchmal weiß ich nach dem Tagebuch schreiben überhaupt nicht mehr, worum es mir in dem Beitrag mal ursprünglich ging, aber das ist überhaupt nicht schlimm. Und wenn ihr euch nur abgelenkt habt - schon das kann weiterhelfen um sich besser zu fühlen. Mir hilft manchmal schon wenn ich einfach nur der feuchten Tinte meines Füllers mit den Augen folge, weil das für mich unglaublich entspannend ist - dann ist es auch vollkommen egal, was ich da gerade schreibe. Hauptsache die Tinte glitzert schön. Setzt euch keine Ziele, schreibt wie ihr wollt und vollkommen aus dem Bauch raus.

Malen

Wer gut zeichnen kann, kann natürlich auch das tun. Aber hier benötigt man eigentlich gar nicht unbedingt eine besonders künstlerische Ader sondern nur Pinsel/Farbe, Buntstifte, Filzstifte, etc. - ganz nach welchem Material euch ist. Wenn euch in dem Moment gar nicht nach bunten Farben ist, könnt ihr selbstverständlich auch mit einem Bleistift oder Kohle oder Tinte arbeiten, ganz wie euch ist. Was sollt ihr malen? Macht euch darüber keinen Kopf. Einfach loslegen und mit den Farben arbeiten, die euch gerade in den Kopf kommen. Wenn ich das mache, kommt meist eine vollkommen abstrakte Form raus - ich gehe aber auch nicht mit dem Ziel ran ein Kunstwerk zu erschaffen, sondern meine Gefühle rauszulassen. Ich habe eine Form der Synästhesie. Ich kann Gefühle mit Farben und Geschmäcken und Formen wahrnehmen. Mein Gehirn weiß auch welche Farben es mit den Emotionen verbindet. Meist weiß ich nicht, welche Gefühle gerade in mir toben - ich wähle die Farben vollkommen "willkürlich" aus - so wie mir in dem Moment ist und versuche währenddessen auch nicht mein Bild zu deuten. Meistens mache ich das überhaupt nicht, sondern zeige es mal meiner Psychologin und sie wertet das mit mir zusammen aus. Mitunter ist das aber auch gar nicht wichtig, denn wenn ich die Gefühle "rausgemalt" habe, sind sie nicht mehr bedrückend, ich fühle mich wieder wohl und könnte die Zeichnung quasi in die Tonne befördern, weil sie keine Bedeutung für mich hat. Mache ich aber nicht, weil es im Nachhinein immer mal wieder spannend ist, wie ich mich an dem oder dem Tag gefühlt habe. Wenn ihr nicht wisst, für welche Emotionen die Farben stehen, ist das überhaupt nicht hinderlich. Euer Gehirn weiß das und kann damit arbeiten. Ihr müsst das nicht tun - euer Unterbewusstsein regelt das für euch. Meist weiß ich nach dem Malen auch besser, was mir am meisten gut tun würde oder ich treffe plötzlich klarere Entscheidungen.

Das waren meine Hauptverarbeitungsmethoden, die für mich trotz meiner Schwierigkeiten Emotionen und Gefühle zu erkennen und zu entschlüsseln, meistens gut funktionieren. Vielleicht ist ja für euch auch eine dabei. Probiert es einfach mal aus!

Anne

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