Können Autisten gläubig sein?

Hallo!

Eigentlich wollte ich heute über etwas ganz anderes schreiben, aber nun ist mir diese spannende Frage eingefallen. Grundsätzlich sagt man AutistInnen nach, dass sie eher Kopf- als Bauchmenschen sind, was bedeutet, dass sie sehr viele Entscheidungen von der Vernunft her treffen. Außerdem ist ihr Gehirn so aufgebaut, dass sie sich ihre Umwelt hauptsächlich mit Logik erklären. Nun ist das aber nicht immer möglich... Manche Dinge sind einfach nicht logisch erklärbar. (Zumindest nicht auf Anhieb) Neurotypische Menschen behelfen sich dann mit Konzepten wie Schicksal/Zufall/"Ist halt so". Damit werden die unerklärlichen Dinge quasi abgefangen. Autisten können mit diesen Begriffen in der Regel nicht viel anfangen, sie halten es eher aus, dass etwas nicht erklärbar ist, als es mit etwas noch viel abstrakteren Konzept erklären zu wollen. Wie passt da der Glaube an einen Gott ins Bild? Der ist nicht sichtbar, man kann ihn in der Regel nicht hören und es gibt kaum wissenschaftliche Beweise für ihn. Theoretisch ist also davon auszugehen, dass Autisten absolute Atheisten sind, also Menschen die an gar nichts glauben, sondern der Auffassung sind, dass es nichts "Übernatürliches" gibt und irgendwie alles mit Logik und Naturgesetzen erklärbar ist. Es gibt tatsächlich viele Autisten, die wirklich Atheisten sind. Das trifft aber nicht auf alle Autisten zu.

Ich persönlich glaube an Gott und halte das auch nicht für einen Widerspruch zu meinem Asperger-Syndrom. Tatsächlich kann ich mich noch sehr gut an ein Gespräch mit meinem Kumpel J erinnern. Er ist Christ mit Leib und Seele und ich habe mit ihm diskutiert, wie die Phänomene der Auferstehung Jesu mit logischen Argumenten erklärbar wären. Ich habe ihm immer eine logische Erklärung angeboten und er hat mit Logik zurückreagiert und mir entweder erklärt, dass diese Theorie schon widerlegt wurde, bzw. dass meine Logik in Wirklichkeit doch nicht sooo logisch war wie ich dachte. Irgendwann sind mir sämtliche Argumente ausgegangen und ich musste einsehen, dass es wirklich keine logischen Erklärungen dafür gibt, als das Jesus wirklich auferstanden sein musste. Gut, dachte ich mir, gehst du mal mit in den Gottesdienst - kann ja nicht schaden und ist vielleicht ganz interessant. Im Gottesdienst dann war ich extrem bewegt von dem Lobpreis (Lieder die zu Ehren von Gott gesungen werden.) Ich fühlte mich davon angesprochen. Aber das hat mir noch nicht gereicht, um wirklich an die Existenz Gottes zu glauben. Also habe ich innerlich gesagt: "wenn es dich wirklich gibt, beweise es mir." (Typisch autistisches Denken) Und tatsächlich - der Beweis hat nicht lange auf sich warten lassen. Eine Frau aus der Gemeinde ist aufgestanden und hat mitgeteilt, dass jemand im Raum säße, der viele Fragen hätte, aber Probleme hätte, sie auszusprechen. Es war noch konkreter, aber mir fällt der genaue Wortlaut leider nicht mehr ein. :-( Ich habe ihn aufgeschrieben glaube ich, aber das Buch ist auch gerade nicht da. Auf jeden Fall war es etwas, dass sie nicht wissen konnte. Sie hat mich vor dem Gottesdienst nicht kennengelernt und meine begleitende Freundin war die ganze Zeit bei mir, die anderen kannten mich nicht. Es gab keine andere logische Erklärung dafür, als dass es Gott wirklich geben muss. Denn er war der einzige, der das wissen und weitergeben konnte.

Wenn Autisten also Beweise dafür geliefert bekommen, dass gewisse Dinge nicht anders erklärbar sind als damit, dass es einen Gott gibt, können auch sie davon überzeugt und damit gläubig sein. Mit beten und Bibel lesen kann ich in der Regel nicht so viel anfangen. Die Geschichten in der Bibel sind alle auf sprachlichen Bildern aufgebaut, mit denen Autisten nun mal nicht so viel anfangen können. Ich verstehe sie meist nicht wirklich. Dafür gibt es aber sogenannte Andachten/Predigten, bei denen jemand den Bibeltext auslegt und in alltägliche Beispiele überträgt. Das ist schon eher was für mich, weil ich das nachvollziehen kann. Beten ist zu abstrakt für mich. Wie betet man richtig, was sagt man? Ich bete vermutlich am ehesten indem ich Dinge die mich beschäftigen und für die ich dankbar bin in ein Buch aufschreibe. Vermutlich hat ohnehin jeder seine ganz persönliche Form von beten.

Ich kann die Frage mit ja beantworten. Auch Autisten können an Gott glauben. Und ich bin nicht die einzige autistische Person. Ich kenne mindestens 2 zusätzliche Autisten, die regelmäßig Gottesdienste besuchen. Der Gedanke, dass wir stur an Fakten und Logik festhalten und uns auf nix einlassen was sich nicht hundertpro beweisen lässt, ist also ein Mythos. 

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