Autismus und Kinobesuche - Probleme

Hallo!
Gehört ihr zu den Menschen, die gern ins Kino gehen? Ich selbst gehe höchst selten ins Kino. Wenn, dann muss es sich schon für mich lohnen. Kinobesuche finde ich extrem anstrengend. Wenn ich ins Kino gehe, beachte ich, dass folgende Punkte erfüllt sind:

- Begleitperson (ohne Begleitperson gehe ich nur ganz selten ins Kino)
- Sitzplatz ganz außen (damit ich jederzeit den Kinosaal verlassen kann)
- Stimmingspielzeug muss dabei sein (z. B. Anti-Stressball, zum ablenken und beruhigen)
- Film darf nicht zu lang sein (länger als anderthalb Stunden sind inakzeptabel)
- Ruhepause hinterher

Ihr seht: ein Kinobesuch erfordert eine Menge Vorbereitung. Aber selbst mit diesen Vorbereitungen kann ich einen solchen Besuch in der Regel nicht genießen. Ich kann mich zwar einigermaßen auf den Film konzentrieren, bin aber durchgängig angespannt. Was für andere eine gelungene Freizeitbeschäftigung ist, ist für mich das ganze Gegenteil. In der Regel gehe ich ins Kino, um anderen Menschen einen Gefallen zu tun (also auch um Zeit mit ihnen zu verbringen) und wenn mich der Film sehr stark interessiert, weil es zum Beispiel die Fortsetzung eines anderen Films ist, oder mein Lieblingsschauspieler mitspielt, oder der Trailer vielversprechend ist.

Die meisten Kinos halte ich nicht gerade für autismusfreundlich. Leider habe ich noch nicht die Gelegenheit gehabt, mit anderen Autisten darüber zu sprechen, darum werde ich anhand von meinen Erfahrungen ungünstige Punkte auflisten. Ich gehe davon aus, dass diese Schwierigkeiten auch auf andere Autisten zutreffen. Sollte das nicht so sein, gebt mir gern über die Kommentare Bescheid!

Ungünstige Bedingungen in einem Kino
  • die Dunkelheit
Es irritiert mich extrem, wenn ich meine Umgebung nicht richtig sehen kann. Man fühlt sich dadurch irgendwie hilflos und sämtliche akustische Reize sind noch heftiger. Ich weiß gar nicht so richtig warum, der Film ist ja an sich nicht lauter, nur weil es dunkel im Kinosaal ist... Vermutlich liegt es daran, dass mein Körper den "beeinträchtigten Sinn" durch das Gehör auszugleichen versucht und man dadurch lauter hört. 
  • die fremden Menschen um mich herum
Außer meiner Begleitperson sind mir die Leute im Kino völlig unbekannt. Während der Pandemie war ich noch nicht wieder im Kino, aber vor Corona war es im Kino in der Regel immer ziemlich voll. Dadurch, dass ich die Menschen nicht kenne, muss ich mich immer wieder umschauen und konzentriere mich dadurch natürlich noch stärker darauf, was es verständlicherweise nicht besser macht. 
  • die unbekannte Handlung
Das werden jetzt viele nicht nachvollziehen können, aber am allerbesten kann ich Filme anschauen, bei denen ich die Handlung bereits in- und auswendig kenne oder zumindest die genaue Handlung vorher gelesen habe. Diese Möglichkeit gibt es bei Kinofilmen natürlich nicht. Ich habe überhaupt kein Problem damit, wenn Menschen spoilern, das kommt mir sogar entgegen! Es sind in dem Kino ohnehin schon extrem viele Eindrücke, wenn der Film auch noch unbekannt ist und somit Hirnkapazität beansprucht, ist das extrem anstrengend für mich. 
  • die Geräuschkulisse/Filmeffekte
Ich fände es wesentlich angenehmer, wenn in einem Film wesentlich weniger Spezialeffekte bzw. Geräusche verwendet werden würden oder ich zumindest wüsste, wann diese auf mich zukommen. Ich mag keine Überraschungen. Der Film muss auch nicht spannend sein, ein gewöhnlicher Film, ohne abstruse Handlungen wäre wesentlich angenehmer. Außerdem ist der Film und die Geräuschuntermalungen in der Regel zu laut, was wieder zusätzlich anstrengend ist. Gleichzeitig gibt es ja noch dutzende Nebengeräusche, wie raschelnde Poppcorntüten, Geflüster der anderen Kinobesucher, unruhige Gäste, die auf den Sitzen hin- und herrutschen, ...
  • in der Regel gibt es keine Rückzugsräume
Wenn man einmal im Film sitzt, muss man eigentlich auch darin sitzen bleiben. Alles andere würde die anderen Kinobesucher vermutlich stören. Darum sitze ja schon am Rand. Aber natürlich kann man den Kinosaal verlassen, wenn es einem wirklich zu viel wird. Nur... Wohin dann? Die Toiletten sind in der Regel nicht besonders angenehm (schon allein olfaktorisch, aber es ist auch nicht unbedingt entspannend, angespannt auf einer Kloschüssel zu hocken, weil man sonst keine Sitzgelegenheit hat). Eine Möglichkeit, sich außerhalb des Kinosaals für eine Weile von den Reizen zu erholen, ist in der Regel nicht gegeben, was ich sehr schade finde.

Ausblick

Ihr seht, ein Kinobesuch bedeutet für viele Autisten einige "Baustellen", sodass er meist nicht entspannend wirkt. Das haben auch schon andere Menschen festgestellt und haben eine Studie zu einem autismusfreundlichen Kino durchgeführt. Dabei wurde Autisten eine Filmvorstellung gegeben, wo so ziemlich alle Dinge berücksichtigt wurden, die für autistische Menschen sinnvoll/angenehm sein könnten. Ich werde versuchen, den Organisator dieser Studie zu einem Gastbeitrag einzuladen. Sollte er ablehnen, werde ich aus meiner Sicht auflisten, welche Punkte beachtet werden müssten, damit es auch für uns angenehmer wird.

Habt einen schönen Tag!
Anne

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