Was ist frühkindlicher Autismus?

Hallo,

im Beitrag vom Montag habe ich einen Überblick darüber gegeben, was Autismus eigentlich ist und habe schon mal ein paar Begrifflichkeiten aus dem Wirrwarr an Fachbegriffen herausgepickt und erklärt. Heute möchte ich euch ein bisschen mehr über den Frühkindlichen Autismus erzählen.

Grundsätzliche Informationen

Der frühkindliche Autismus wurde 1943 durch den amerikanischen Kinderpsychiater Leo Kanner entdeckt, weswegen man auch vom Kanner-Autismus spricht. Als frühkindlichen Autismus bezeichnet man ihn, weil betroffene Kinder bereits in den ersten drei Lebensjahren Auffälligkeiten zeigen, teilweise sogar schon in den ersten Lebensmonaten, also im frühen Kindesalter. Häufig leiden frühkindliche Autisten an einer Mehrfachbehinderung, also Autismus und eine oder mehrere zusätzliche Beeinträchtigungen. 

Symptome des frühkindlichen Autismus

Da es sich um eine autistische Störung handelt, müssen natürlich die klassischen Symptome des Autismus vorliegen. (Störung der sozialen Interaktion, stereotype Verhaltensweisen, Schwierigkeiten mit der Kommunikation und Probleme bei der Reizverarbeitung) Frühkindliche Autisten haben häufig extreme Sprachauffälligkeiten. 30 % aller Betroffenen können gar nicht sprechen, sie müssen auf Gebärden oder Kommunikationshilfsmittel, wie z. B. Talker zurückgreifen. Die sprechenden frühkindlichen Autisten haben meistens eine sehr monotone Sprachmelodie - d. h. sie wenden überhaupt keine Betonung an oder verwechseln Pronomen. Andere Personen sind "ich" und sie selbst sind "du". Außerdem haben sie ein extrem wortwörtliches Sprachverständnis.

Weiterhin fällt auf, dass Kanner-Autismus scheinbar kaum bis gar kein Interesse an der Interaktion mit anderen Menschen haben. Sie lehnen Körperkontakt und Blickkontakt von Anfang an ab, reagieren nicht auf Gestik und Mimik (sie wenden übrigens auch selbst so gut wie keine an) und suchen von sich aus so gut wie gar keinen Kontakt, weder zu Bezugspersonen wie Mama oder Papa/Geschwistern, noch zu Gleichaltrigen. In aller Regel spielen sie am liebsten allein und reagieren wenig auf Ansprache. Wenn sie Kontakt zu anderen Menschen suchen, so eher zur Bedürfnisbefriedigung (also wenn sie Hunger haben, etc.). Sie wirken sehr in sich gekehrt, wodurch vermutlich auch das klassische Bild "Autisten leben in ihrer eigenen Welt" entstanden ist.

Frühkindliche Autisten lehnen meistens die mütterliche Brust ab (vermutlich weil sie Körperkontakt als unangenehm empfinden), bzw. haben Schwierigkeiten bei der Nahrungsaufnahme, sie haben z. B. Probleme beim Kauen oder essen nur ganz bestimmte Speisen und lehnen alles andere ab. Außerdem weisen sie ein stereotypes Spielverhalten auf (nur ganz wenige Spielzeuge, die benutzt werden oder es wird gar nicht richtig gespielt, sondern sich nur darauf konzentriert, wie sich ein Gegenstand anfühlt, bzw. welche Geräusche er macht) und haben oft einen gestörten Schlaf-Wach-Rhythmus. Zu guter Letzt leiden Kanner-Autismus oft sehr stark darunter, wenn sich Rituale verändern oder die Eltern z. B. die Möbel im Zimmer umstellen. Das löst bei ihnen starke Unruhe aus. 

Bei 50 - 70 % (hier gibt es je nach Quelle unterschiedliche Angaben) aller Betroffenen liegt eine zusätzliche geistige Beeinträchtigung vor. Meistens sorgt das dafür, dass Kanner-Autisten ein Leben lang Betreuung und Unterstützung benötigen und nicht allein leben können. Es gibt allerdings auch High-Functioning-Autisten - diese haben die üblichen Symptome des Kanner-Autismus, sind allerdings nicht von einer Intelligenzminderung betroffen. High-Functioning-Autisten haben häufig auch eine relativ gute Sprachentwicklung.

Bevor die Kinder nicht anderthalb Jahre alt sind, ist es schwierig eine Diagnose zu stellen. Grund dafür ist, dass auch andere Erkrankungen Ursache für die Störungen sein könnten oder sie sich normal, wenn auch sehr langsam entwickeln.

Sind frühkindliche Autisten hochbegabt?

Ich spiele hier auf das klassische Klischee der betreuungsbedürftigen Autisten an, die aber super intelligent sind und zum Beispiel ein fotografisches Gedächtnis haben, besonders gut musizieren können, etc. Der klassische Rain-Man eben. (Savant-Syndrom) Nein. Bei frühkindlichen Autisten sind Hochbegabungen eher selten der Fall. Die meisten haben sogar eine Intelligenzminderung. 

Was kann frühkindlichen Autisten helfen?

Der frühkindliche Autismus ist nicht heilbar, wie die anderen Autismus-Formen auch, bleibt er ein ganzes Leben lang bestehen. Was allerdings helfen kann: 

- Reittherapie, Schwimmen mit Delfinen (sehr kostspielig, die Wirkung ist auch nicht bewiesen) 
- TEACCH zur Strukturierung des Alltags und zur Förderung der Selbstständigkeit
- Logopädie und Hilfsmittel zur Kommunikation, wie z. B. Talker

Leider wird bei frühkindlichen Autisten auch oft die ABA-Therapie eingesetzt. Dabei handelt es sich um eine sehr intensive Form der Verhaltenstherapie, die den Kindern das stark autistische Verhalten abtrainieren soll. Erfolgreicher Blickkontakt = Belohnung, Berührung zulassen = Berührung, Spielzeug adäquat benutzen = Belohnung. Es handelt sich hierbei meiner Meinung nach um nichts anderes als Drill. Die Kinder werden quasi dazu "dressiert", das von den Erwachsenen erwünschte Verhalten umzusetzen, ob das nun ihrem autistischen "Ich" entspricht oder nicht, sonst werden sie nicht in Frieden gelassen. 

Im nächsten Beitrag schreibe ich dann über das Asperger-Syndrom. Habt einen schönen Tag.
Anne

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