Apps für Autisten: Emotionen, Gefühle, Ausdrücke

Hallo!

Genau wie viele Neurotypen auch, besitzen viele Menschen mit einer Autismus-Spektrums-Störung ein Smartphone, ein Tablet, einen Computer, etc. Es gibt natürlich einige Menschen die kein Freund davon sind, dass gerade Jugendliche und junge Erwachsene häufig ständig das Handy in der Hand haben und kaum noch mit ihren Mitmenschen in Kontakt treten. Ja, das tritt auf und das ist auch wirklich nicht schön. Aber man kann das Telefon ja auch sinnvoll benutzen. Ich habe schon häufiger im Google Play Store gescrollt und nach Apps gesucht, die AutistInnen entweder das Leben vereinfachen oder ihnen etwas beibringen sollen. Leider halten viele Apps nicht das, was sie versprechen bzw. sind vollkommen unlogisch in ihrer Verwendung. Ich möchte unter der Kategorie "Apps für Autisten" verschiedene dieser Apps "unter die Lupe nehmen" und sie für euch ein bisschen bewerten. Ich starte mit der App: Emotionen, Gefühle, Ausdrücke - Wie fühle ich?"

Was ist der Sinn von dieser App? / Wer ist die Zielgruppe?

Mit dieser App sollen die Anwender lernen, Emotionen von ihnen selbst und ihren Mitmenschen besser zu erkennen und zu verstehen. Zur Zielgruppe zählen eindeutig autistische Kinder (bzw. Kinder mit geistigen Einschränkungen) im Alter zwischen 3 bis maximal 5 Jahren. In dieser Altersgruppe könnte die App auch für neurotypische Kinder recht gut geeignet sein, da diese in dieser Entwicklungsphase vielleicht auch noch Schwierigkeiten in diesem Bereich haben. Schwerer betroffene Autisten bzw. andere Kinder mit einer Intelligenzminderung könnten noch etwas länger an dieser App Spaß haben und dabei auch noch etwas lernen, aber grundsätzlich würde ich eher sagen, dass sie danach für die Kinder zu langweilig/zu einfach ist. Eine Funktion ist aber unter Umständen auch für erwachsene Autisten bzw. ältere Kinder interessant/hilfreich.

Kosten?

Die App ist vollkommen kostenlos. Sie finanziert sich durch Werbung, welche aber wirklich sparsam und dezent eingesetzt wird. Alle paar Durchläufe kommt mal eine Werbung, die man sofort wegklicken kann, bzw. sind auch ganz selten mal 10s-Clips dabei. Ich habe die App eine Weile ausprobiert - es sind keine klassischen Spiele-Werbungen dabei, sondern eher neutrale, die Kinder vermutlich eh nicht interessiert - in meinem Test war es jetzt eigentlich ausschließlich Werbung für Babbel. Die Kinder, die diese App nutzen, werden also nicht dazu angeregt, andere Spieleapps zu probieren, die dann u. U. Geld kosten. 

Wie ist die App aufgebaut?

Die App hat 3 Funktionen: Nachschlagewerk, Vergleich zwischen echter Mimik und Emoticons bzw. Piktogrammen und die Trainingsfunktion. 

Nachschlagewerk

Diese Funktion ist noch am ehesten für die Übungen erwachsener Autisten geeignet. Hier werden Fotos von echten Kindern gezeigt, die unverfälscht mit ihrer Mimik ein bestimmtes Gefühl ausdrücken. Es stehen keinerlei zusätzliche Informationen dazu da, wirklich ausschließlich die Fotos. Dadurch kann man selbst Überlegungen anstellen: wie mag sich das Kind auf dem Foto gerade fühlen. Wenn man sich dann entschieden hat, kann man auf das Foto klicken und eine männliche Stimme sagt einem, welche Emotion sich dahinter verbirgt. So kann man sich selbst überprüfen, ohne von Anfang an direkt drauf gestoßen zu werden. Die Funktion ist so ähnlich wie das Buch, dass Toni aus Club der Roten Bänder mit sich führt, wo sein Opa verschiedene Gesichtsausdrücke imitiert und fotografiert und anschließend beschriftet hat, damit Toni die Gesichter seiner Mitmenschen mit denen aus dem Buch vergleichen kann. 

Vergleich Mimik - Emoticon

Diese Funktion ist für Kinder gedacht, die (noch) stärkere Probleme mit dem erkennen der Mimik haben. Bei dieser Funktion steht zum Beispiel das Wort "traurig" da, zusätzlich sieht man ein Foto von einem traurigen Kind und zusätzlich noch ein gezeichnetes trauriges Gesicht, also so etwas: 😔 Es wird davon ausgegangen, dass das Kind 😔 auf jeden Fall versteht und so auswendig lernen kann: wenn ein Mensch sich so fühlt, hat er dazu folgenden Gesichtsausdruck und dieser drückt das Gefühl "traurig" aus. Nachteil hier ist, dass man überhaupt nicht überlegen muss, weil wirklich alles vorgegeben ist. Dadurch hat man meines Erachtens keinen Übungseffekt. Es hilft aber vermutlich, den Gesichtsausdruck besser mit der Emotion in Verbindung zu setzen.

Training

Hier geht es darum, das in der App gelernte Wissen zu vertiefen und zu überprüfen, ob man das Wissen anwenden kann. Es wird wieder ein realistisches Foto von einem Kind gezeigt und außerdem je nach Schwierigkeitsgrad Emoticons die man dem Gesicht zuordnen soll. Leider gibt es nur diese Variante - für erwachsene Autisten bzw. ältere Kinder wäre es viel sinnvoller, wenn das Foto gezeigt werden würde und dann verschiedene Emotionen in Schriftform vorgeschlagen würden, aus denen man dann die passende aussuchen muss. So ist es meines Erachtens aber für Kinder ab 5 schon zu leicht. In der einfachen Variante des Spiels wählt man aus zwei Emoticons, bei der schweren Variante aus vier. Die Geräusche im Trainingsmodus finde ich tendenziell ein bisschen anstrengend, aber man kann es meines Erachtens auch ohne Ton spielen. Gut finde ich: egal wie viele man richtig hatte, man bekommt immer ein lobendes Feedback. Es wird nicht angemerkt, dass man sich bitte noch verbessern soll, sondern es wird immer gelobt - auch wenn es nur eine richtige Zuordnung gab. So werden die Kinder zumindest nicht demotiviert. 

Benutzerfreundlichkeit / Sind Sinn und Funktionen logisch?

Die App ist meines Erachtens ziemlich übersichtlich aufgebaut und ausgesprochen reizarm, was autistischen Kindern ja grundsätzlich immer zu Gute kommt. Es wird großen Wert darauf gelegt, dass sich die Kinder wirklich auf das Wesentliche konzentrieren können - es gibt keine überflüssigen Schaltflächen, wo irgendetwas "lustiges" passieren soll. Man kann nichts falsch machen und es ist innerhalb von wenigen Sekunden klar, was gemacht werden soll. 

Fazit:

Als Trainingsmethode für erwachsene Autisten kann ich die App nicht empfehlen, autistische Kinder können davon aber tatsächlich einiges lernen. Da die Kinder nicht ungewollt irgendwelche In-App-Käufe tätigen können, muss man sie dabei nicht permanent beaufsichtigen, es ist auch eine Nutzung im Selbststudium möglich. (Wobei es natürlich immer sinnvoll ist, wenn man gleichzeitig mit dem Kind darüber spricht und unter Umständen zusätzliche Erklärungen abgeben kann.) Insgesamt würde ich die App so mit 3 von 5 Sternen bewerten.

Habt einen schönen Tag.
Anne

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