Positive Auswirkungen von Haustieren auf Autisten

Hallo,

heute möchte ich über den Einfluss von Tieren auf Menschen mit Autismus-Spektrums-Störung schreiben. Dass professionell ausgebildete Tiere (wie z. B. Assistenzhunde - gibt es auch für Autisten, oder z. B. Pferde im Rahmen der Hippotherapie) einen unglaublich positiven und unterstützenden Effekt auf fast alle Erkrankungen, ist unbestritten. Darüber schreibe ich vielleicht mal in einem gesonderten Beitrag. Aber auch normale Haustiere, die nicht besonders geschult sind, können unfassbar positive Wirkung auf Menschen im Autismus-Spektrum haben. Darüber möchte ich heute schreiben.

  • Hunde können Meltdowns verhindern bzw. stoppen.
Dafür müssen sie nicht mal besonders ausgebildet sein. Sie wollen schon von Natur aus, dass es den Rudelmitgliedern gut geht, weil die Gruppe nicht richtig funktioniert, wenn es einem Rudelmitglied schlecht geht. Sie wissen also instinktiv, wie sie sich verhalten müssen. Das habe ich selbst erlebt. Ich hatte zufälligerweise die Hunde bei mir zu Besuch und bin in einen Meltdown gerutscht. Habe also wie immer bei einem Meltdown extrem angefangen zu weinen und mich selbst zu boxen, um die - in diesem Fall überfordernden Gefühle zu überdecken. Plötzlich sind beide Hunde auf mich zugekommen und sind auf Kuschelkurs gegangen. Ich dachte nur so: GEHT!! Eigentlich habe ich es sogar laut ausgesprochen. In dem Moment wollte ich wirklich einfach nur, dass sie mir von der Pelle rücken, sind sie aber nicht. Dadurch musste ich aufhören, mich selbst zu schlagen, weil ich sie ja um keinen Preis verletzen wollte. Gleichzeitig sind sie auch noch auf meinen Schoß gekrochen, wodurch ich dann wirklich überhaupt keine Chance mehr hatte, mich selbst zu boxen oder irgendetwas anderes in meiner Umgebung zu boxen, weil sie ja meine Bewegungsfreiheit eingeschränkt haben. Durch dieses Verhalten haben sie im Null-Komma-Nix meinen Meltdown schon in der Anfangsphase unterbrochen, wo Menschen mitnichten eine Chance gehabt hätten, mich davon abzubringen. Das habe ich sogar schon einmal erlebt, mit demselben durchschlagenden Erfolg. Hunde wissen, was sie tun müssen, damit es ihrem Rudelmitglied wieder besser geht.
  • Hunde spiegeln unsere Gefühle.
Es ist kein Geheimnis, dass autistische Menschen Schwierigkeiten damit haben, ihre eigenen Gefühle wahrzunehmen und angemessen darauf zu reagieren. Tiere, besonders Hunde, nehmen diese Schwingungen aber durchaus wahr und verhalten sich entsprechend. Teilweise erkennen sie noch bevor wir oder ein anderer Mensch erkennt, was gleich passieren wird, wenn sich unsere Stimmung verändert. Außerdem können sie hervorragend unterscheiden, ob wir ihre Unterstützung benötigen oder ob wir gerade einfach nur unzufrieden mit der Welt sind. Wenn ich zum Beispiel aggro bin (nicht mit einem Meltdown zu verwechseln) bleiben sie konstant auf Abstand und lassen sich auch nicht dazu bewegen, zu mir auf die Couch zu kommen. Ich würde ihnen nie irgendetwas tun und das wissen sie auch ganz genau, aber sie spüren, dass ich in dem Moment einfach nur angefressen bin und mich mit dem kuscheln ein bisschen runter-regulieren möchte - sie wissen dass ich das alleine wieder hinkriege und keine Hilfe von ihnen brauche. Beim Meltdown dagegen benötige ich ihre Unterstützung, weil ich alleine sonst mind. 20 - 30 min brauche, um mich wieder ansatzweise zu beruhigen. Beim Meltdown kommen sie ja auch von ganz alleine. Wenn ich unruhig bin, verhalten sich auch die Hunde irgendwie crazy, bzw. kommen sie automatisch zu mir kuscheln, wenn ich Trost brauche. Teilweise bekomme ich durch das Verhalten der Hunde mit, wie ich gerade selbst drauf bin und kann dann entsprechend dagegen arbeiten. 

  • Hunde helfen dabei, Kontakte zu knüpfen und entspannen einen in sozialen Situationen.
Hunde sind wie Bezugspersonen. Wenn eine größere Feier ansteht, wo ich die anwesenden Personen entweder gar nicht, oder nicht so gut kenne, orientiere ich mich am Anfang intensiv an dem Hund von meinem Bruder und seiner Freundin (wenn er dabei ist). Ich streichele sie, spreche mit ihr und verfolge sie erst einmal auf Schritt und Tritt. Sie gibt mir die Möglichkeit, erst mal in Ruhe anzukommen und mich erst mal noch nicht mit den anwesenden Menschen auseinandersetzen zu müssen. Da sie sich einfach so verhält, wie sie gerade drauf ist (meist neutral entspannt bis aufgeregt) rennt sie immer ein bisschen durch die Gegend und beachtet mich gar nicht so unbedingt, ist aber irgendwie doch mein Anker, an dem ich mich orientiere, wenn ich mich noch entscheiden muss, mit wem ich mich unterhalten möchte bzw. was ich jetzt allgemein als erstes tun will. Die blanke Anwesenheit von Hunden wirkt sehr stark beruhigend (vorausgesetzt, der Autist hat keine Angst vor Hunden - ich selber mag nur eine Hand voll Hunde, allen restlichen gehe ich so gut es geht aus dem Weg.) - darum dürfen ausgebildete Assistenzhunde auch mit in Geschäfte, Kinos, etc. Außerdem gibt der Hund Anlass für Gespräche. Im Zweifelsfall kann man sich immer darüber unterhalten, was der Hund gerade für Blödsinn macht oder wie niedlich er ist. 
  • Tiere können einen dazu bringen, Körperkontakt aktiv einzusetzen.
Ich war früher regelmäßig reiten - kein therapeutisches Reiten, sondern einfach im Nachbarort bei einer lieben älteren Frau. Prinzipiell mag ich kein Körperkontakt, auch damals mochte ich es nicht. Beim Umgang mit Pferden gibt es eine Grundsatzregel: niemals hinter dem Pferd langgehen, da es sich sonst erschrecken könnte. Also gut, dann muss es sich also von selbst drehen, damit ich es auf der anderen Seite putzen kann, wenn es gerade mit der zu putzenden Seite am Zaun steht. "Max!! Dreh dich doch mal!" Keine Chance. Leichtes Ziehen am Führstrick - nichts passiert. Meine Reitlehrerin meinte dann, ich soll mich kräftig mit dem Oberkörper gegen das Pferd lehnen, dann würde er sich freiwillig umdrehen. Körperkontakt? Öööhm... Na wenn es nicht anders geht... *lehnt sich vorsichtig gegen Pferd, bemüht es so wenig wie möglich zu berühren (wie gesagt - ich mochte das nicht, weder bei Mensch noch bei Tier.) - Nichts passiert. "Na so wird das nix! Richtig dagegen lehnen!" Mit diesen Worten hat sie mich gegen unseren Haflinger gedrückt - und siehe da - er hat sich gedreht und ich konnte ihn auf der anderen Seite putzen! Ich habe also gelernt, dass Körperkontakt gar nicht mal unbedingt so doof ist und es mir teilweise etwas bringt, wenn ich sie aktiv einsetze. Gut, es ist ein Pferd und kein Mensch, aber dennoch... Irgendwann habe ich dann auch rausgefunden wie kuschlig sein Fell ist und habe mich dann des Öfteren mit der Wange an seinen Bauch gelehnt. 💗
  • Durch Tiere können AutistInnen lernen, ihre Körpersprache besser einzusetzen.
Tiere können bekanntlich nicht sprechen und auch nicht unsere menschliche Sprache verstehen, bzw. nicht so richtig, sie orientieren sich hauptsächlich am Klang der Worte und ihren Erfahrungen, was passiert wenn wir diese Worte sagen. Aber grundsätzlich können wir ihnen mit Worten nicht vermitteln, was wir von ihnen wollen - also müssen wir Körpersprache einsetzen, denn die verstehen sie in der Regel. Nun liegt AutistInnen der Einsatz von Körpersprache jetzt nicht unbedingt im Blut. Wenn wir aber wollen, dass die Tiere das tun, was wir möchten, müssen wir daran arbeiten, mit unserer Körpersprache genau das auszudrücken, was wir wollen. Durch den Hund von meinem Bruder und seiner Freundin, hab ich verstanden, dass Blickkontakt eine Art Aufforderungscharakter hat - weil sie konstant zu mir gekommen ist, wenn ich ihr in die Augen geschaut habe. Am Anfang habe ich das partout nicht verstanden, warum sie immer wieder zu mir kommt, dann hat mein Bruder mir aber erklärt, dass sie denkt, dass ich etwas von ihr will, wenn ich ihr in die Augen schaue. Und das ist ja offenbar beim Menschen genau dasselbe... 

Ein anderes Beispiel: Mein Kumpel und seine Familie haben mehrere Hunde. Mit dem einen wollte ich Ball spielen und wollte erreichen, dass er mir den Ball zurückgibt, damit ich ihn erneut werfen kann. Hund reagiert nicht, hält Ball fest im Maul und hält dagegen wenn ich ziehe. Vater von Kumpel: "Du musst ihm schon zeigen, dass du den Ball haben willst. Du strahlst ihn an und lachst dich kaputt, wenn er dir den Ball nicht rausrückt - ich an seiner Stelle würde dich auch nicht ernst nehmen gerade." Interessanter Hinweis - mir war ernsthaft nicht bewusst, dass das eine Auswirkung auf das Verhalten von dem Hund haben könnte. Gut und schön - aber wie muss man gucken, damit der Hund einen ernst nimmt? Und wie wäre die perfekte Körperhaltung? Ich habe bestimmt eine halbe Stunde intensiv probiert und habe immer wieder Feedback von dem Vater meines Kumpels bekommen, der mich einfach mal hat machen lassen, aber die hauptsächliche Rückmeldung kam tatsächlich von dem Hund selbst - indem er mich einfach ignoriert hat, wenn ich mich missverständlich verhalten habe. Denn im Prinzip hab ich ihm am Anfang nichts anderes vermittelt als: "Ich finde das super witzig, dass du mir den Ball nicht gibst. Bitte mach weiter so." Er versteht die menschliche Sprache nicht - also muss er sich ja an meiner Körpersprache orientieren... 

Fazit:

Tiere, insbesondere Hunde, haben hauptsächlich eine unfassbar beruhigende Wirkung auf jeden Menschen (wenn sie nicht Angst vor ihnen haben) und geben durch ihr Verhalten grundsätzlich eine unverfälschte Rückmeldung für unser Verhalten, wodurch wir lernen können, wie wir wirken. Bei frühkindlichen Autisten bzw. AutistInnen mit einer zusätzlichen geistigen Beeinträchtigung, sollte grundsätzlich immer noch eine Begleitung dabei sein, aber grundsätzlich ist es eine sehr gute Sache, AutistInnen mit Hunden und anderen Tieren zusammen zu bringen. Ihr werdet staunen, was auf einmal möglich ist, bzw. wie entspannt selbst die aufgeregtesten AutistInnen auf einmal werden!

Habt einen schönen Tag!
Anne

Kommentare