Ferienzeit - Langeweilezeit? Muss nicht sein!

Hallo ihr Lieben,

willkommen zurück. Einen lieben Gruß an die Schüler geht raus - ihr habt es geschafft, das verrückte Schuljahr (in welchen Schuljahren zuvor gab es bitte Homeschooling?) ist geschafft! 👍💪 Zumindest in den meisten Bundesländern haben die Sommerferien begonnen, ihr anderen: habt noch ein bisschen Geduld - bald ist es auch bei euch soweit! Zusammen mit den Sommerferien der Schulkinder, steht für viele erwachsene Menschen auch der langersehnte Sommerurlaub an. An die Kids - wie steht ihr zu Ferien im Allgemeinen? Freut ihr euch? 

Als ich noch Schülerin war, fand ich die Ferien in der Regel immer nicht so cool... Klar war es mal angenehm nicht so früh aufzustehen und keine Hausaufgaben waren auch mal ganz hübsch, keine Frage. Gleichzeitig war und bin ich nicht besonders gut darin, meine Freizeit sinnvoll zu gestalten. Ich war darum sehr oft in den Ferienspielen angemeldet und bin natürlich mit Mama/Papa in den Urlaub gefahren. Außerdem bin ab und zu mit dem Hort ins Ferienlager gefahren. Als ich aber älter war und daher nicht mehr in den Hort gegangen bin in den Sommerferien und gerade kein Urlaub mit meinen Eltern anstand, saß ich überwiegend zu Hause rum und wusste nicht so richtig was ich anstellen soll. Meist hab ich dann Geschichten am Computer geschrieben, mich mit meiner Freundin getroffen und bin Minigolf spielen gegangen, ansonsten bin ich zwischen Schreibtisch, Fernseher und Bett (zum Lesen) sowie Kühlschrank und Diska zum einkaufen von Chipsnachschub hin- und hergependelt, ohne mich mit irgendwas wirklich intensiv zu beschäftigen. Was war los? Nun, da die Urlaube jetzt wo ich arbeite immer noch so ähnlich ablaufen, würde ich behaupten, dass mir die Struktur vom Schulalltag gefehlt hat und ich nicht wusste, wie ich mir selber eine Struktur basteln soll. 

Ich könnte mir vorstellen, dass es auch vielen anderen autistischen SchülerInnen so geht und sie die Ferien darum nicht besonders mögen. Darum möchte ich heute ein paar Tipps geben, was ihr tun könnt, damit ihr die Ferienzeit nicht mit Langeweile gleichsetzen müsst und ihr vielleicht sogar richtig coole Ferien erlebt. :-)

1. Besucht eure Verwandten. 

Das hat gleich mehrere Vorzüge - zum Beispiel Oma und Opa freuen sich garantiert, wenn ihr sie besucht und zum anderen: ihr mögt euch vielleicht nicht (nicht gut) selbstständig beschäftigen können, aber neurotypische Erwachsene haben meist einige gute Ideen, wie sie die Zeit mit euch verbringen können. Sie werden garantiert einige gute Ausflugsziele in petto haben, und selbst wenn ihr keinen Ausflug macht - gibt es sicher das eine oder andere im Garten zu tun, das man erledigen könnte. Der Vorteil an Besuchen (egal ob bei Freunden oder Verwandten): ihr müsst euch keine eigene Tagesstruktur überlegen, sondern könnt einfach die bestehende von dem übernehmen, den ihr besucht. Wenn eure Eltern zu Hause sind, geben sie natürlich eine sinnvolle Struktur vor, aber wenn sie arbeiten müssen, kann das eine gute Lösung sein. Ihr müsst ja nicht dort übernachten, wenn euch Übernachtungen außerhalb von zu Hause nicht so gut gefallen, aber dann seid ihr tagsüber sinnvoll beschäftigt und vor allem nicht allein (besonders wenn ihr vielleicht keine Geschwister und nicht allzu viele Freunde habt). Und es springt garantiert auch mal ein Eis oder das Lieblingsessen dabei für euch raus. :-)

2. Baut Routinen in euren Tagesablauf ein.

Seit 3,5 Jahren stehe ich jetzt im Arbeitsleben. Bei meinem ersten Arbeitgeber habe ich immer vermieden, zu lange Urlaub zu nehmen (meist nur 2 Tage am Stück, weil ich ja nicht so gut bin, meinen Tag zu strukturieren und mich das irgendwie immer aus dem Konzept gebracht hat). Als bei meinem jetzigen Arbeitgeber der erste richtige Urlaub anstand (2 Wochen am Stück!) hat mir entweder eine Bekannte oder meine Psychologin (weiß ich nicht mehr so genau) folgenden Tipp gegeben: jeden Tag frisch kochen. Der Trick: nicht am Anfang der Woche für alle Tage einkaufen, sondern jeden Tag das einkaufen gehen, was ich für das Gericht benötige. So war ich jeden Tag gezwungen, mindestens 40 min an die frische Luft zu gehen (20 min hin, 20 min zurück) und wusste, dass dieser Punkt jeden Tag auf mich zukommt. Außerdem habe ich jeden Abend das Perfekte Dinner geschaut, was auch ein gutes Ritual war. Ihr findet garantiert noch weitere Dinge, die jeden Tag gleich ablaufen könnten... 

3. Nutzt einen Tagesplan. 

Setzt euch doch mal mit euren Eltern zusammen und erstellt einen Tagesplan, an dem ihr euch langhangeln könnt jeden Tag. Während dem 1. Lockdown hatten wir 2 Tage in der Woche, an denen wir nur "Rufbereitschaft" hatten, für den Fall dass ein anderer ausfällt und an denen wir zu Hause bleiben konnten. An diesen Tagen hat mir ein super strukturierter Tagesplan geholfen, den meine Psychologinnen mit mir erstellt haben. Ich bin jeden Tag um dieselbe Zeit aufgestanden, dann war Zeit für waschen, Zähne putzen, etc. Anschließend Frühstück. Danach Beschäftigung mit meinem Spezialinteresse "Heilkräuter", ... Wir haben ganz konkrete Uhrzeiten festgelegt, sodass ich zu keinem Zeitpunkt des Tages nicht wusste, was ansteht. Das hat mir massiv geholfen. Eure Eltern finden bestimmt mit euch einen sinnvollen Tagesablauf, in dem alles enthalten ist, was euch gut tut. Wenn es für euch eine zu große Umstellung ist, könnt ihr euch ja dabei auch an dem normalen Schulalltag richten. Um dieselbe Zeit aufstehen und euch dann mit Themen beschäftigen, die auf eurem alten Stundenplan standen. Natürlich müsst ihr dann auch die Pausenzeiten einhalten, damit ihr nicht vergesst genug zu essen und zu trinken. Aber vielleicht könnt ihr die Fächer ja auch mit euren Spezialinteressen ausfüllen?! Man muss sich in seiner Freizeit ja nicht unbedingt mit Physik oder Mathe rumquälen (wenn man das nicht mag). 

4. Lockt euch mit eurem Spezialinteresse selbst aus der Wohnung!

Wann hat man mal so viel Zeit für intensives Beschäftigen mit dem Spezialinteresse als während der schulfreien Zeit? Wie wäre es mit einem Ausflug in die Bibliothek? Dort gibt es garantiert neuen Lesestoff, den ihr für eure Recherche nutzen könntet. Oder wie wäre es mit einem Ausflug ins Museum, dass sich mit dem Thema beschäftigt? Oder wenn ihr euch vielleicht für Natur interessiert, geht raus in den Wald und sucht die Pflanzen mit denen ihr euch vorher beschäftigt habt! Auch außerhalb von der Wohnung kann man sich hervorragend mit dem Spezialinteresse beschäftigen - aufgrund der vielen Möglichkeiten sogar noch intensiver (zu Hause hat man ja nur Internet, Fernseher, Handy und Bücher/Zeitschriften). Draußen warten noch so viele andere Möglichkeiten! Oder fahrt ihr gern Zug/Straßenbahn? Na perfekt - rein in das Verkehrsmittel! Der Bahnfahrer muss sowieso fahren - wieso fahrt ihr nicht einfach mit und genießt die Aussicht? Dadurch kann eine Menge Zeit vergehen und wenn euch etwas interessiert, steigt ihr einfach aus. 

5. Lasst euch Aufgaben/Challenges geben/stellen.

Ferien bedeuten viel Zeit. Nutzt diese Zeit doch für etwas sinnvolles. Eure Eltern geben euch garantiert mit Freuden Aufgaben aus dem Haushalt. Ihr seid beschäftigt und sie freuen sich, wenn ihr ihnen ein bisschen Arbeit abnehmt. Dann könnt ihr auch am Nachmittag mehr miteinander unternehmen, weil nicht mehr so viel im Haushalt erledigt werden muss. Natürlich gibt es aber auch spaßigere Dinge. Ihr könntet zum Beispiel: 

- ein langes Gedicht auswendig lernen (z. B. Der Handschuh/Der Osterspaziergang/Der Zauberlehrling)  - eure Eltern/Freunde/Lehrer werden beeindruckt sein, wenn ihr so was könnt und die Gedichte stehen ohnehin auf dem Lehrplan

- probiert die "Krähe" aus (eine Yogastellung, die extrem viel Körperspannung erfordert, sie ist aber theoretisch für Anfänger geeignet. Statt eines Yogablocks könnt ihr übrigens auch ein dickes Buch nutzen.)

- lernt das Fingeralphabet der Deutschen Gebärdensprache (allein in Deutschland gibt es 13, 3 Mio. hörgeschädigte Menschen, das macht 19 % der deutschen Bevölkerung aus! Sie sind also gar nicht mal selten und so könnt ihr mit ihnen kommunizieren!)

-  sucht euch ein Rezept aus dem Internet und kocht es nach (Seid mutig! Probiert ruhig mal ein Gericht, dass ihr zwar gern esst, aber noch nie zuvor selbst gekocht habt!) und lad deine Eltern/Geschwister zum Abendbrot ein. 

- übt ein Lied zu gurgeln und lasst eure Eltern raten, wenn ihr denkt, dass ihr es beherrscht (Achtung: nicht verschlucken)

- geht in den nächsten Supermarkt und sucht dort 7 rote, 7 grüne, 7 gelbe, 7 blaue, 7 schwarze Lebensmittel (ihr müsst sie ja nicht kaufen)

- probiert 10 Spielwürfel übereinander zu stapeln (ist gar nicht so einfach wie es klingt)

- ...

Achtung: Bevor ihr irgendeinen Vorschlag (besonders von Punkt 4) in die Tat umsetzt, sprecht das unbedingt mit euren Eltern ab!! Nur sie wissen, wozu ihr in der Lage seid und worauf ihr persönlich achten müsst und sie haben die Verantwortung für euch. Ich liefere euch lediglich Ideen. 

Ich hoffe, es war der eine oder andere Punkt dabei, der euch die Ferien ein bisschen angenehmer gestalten können. Probiert es doch mal aus und berichtet gern davon! Genießt die Auszeit von der Schule! :-)

Anne

Kommentare