Warum mangelnde Smalltalk-Kenntnisse zu Cola-Überdosis führen können

Hallo!

Vor einer Woche bin ich auf die Idee gekommen, mal wieder meine alten Tagebücher aus dem Keller zu holen um mir die witzigsten/schönsten/peinlichsten Momente meines Lebens mal wieder in Erinnerung zu rufen. Dabei habe ich einige Begebenheiten entdeckt, wo ich heute sagen würde: ja, klassischer Fall von autistischer Persönlichkeit, aber damals hatte ich noch keine Diagnose. Da ich mich ohnehin manchmal nicht entscheiden kann, was ich schreiben soll, möchte ich eine zusätzliche Kategorie ins Leben rufen: Momente. Dort werde ich (z. T. anonymisiert) von ein paar solcher Begebenheiten berichten. Entweder es ist für euch nur unterhaltsam, oder ihr merkt vielleicht, dass ihr solche Situationen auch schon mal erlebt habt und habt einen "Aha-Moment", der euch zeigt, dass das bei autistischen Menschen gar nicht so ungewöhnlich ist. 😃

Okay, auf gehts. Ich war ungefähr so 13 - 14 Jahre alt und es war der Geburtstag meiner Oma. Wir
haben in einer Art Gartensparte oder Gaststätte ohne Personal gefeiert. Ich weiß tatsächlich nicht so richtig, was das war. Wir hatten einfach einen Raum und eine Bar im Flur zur Verfügung. Es waren meines Erachtens keine Mitarbeiter da. Essen haben wir bekommen, aber um den Rest haben wir uns selbst gekümmert.

An der Bar war ein Bekannter von uns, nur fünf Jahre älter als ich und damit deutlich jünger als der Rest der Anwesenden. Aus Datenschutzgründen nennen wir ihn einfach mal Tom. An Tom hatte ich schon Ewigkeiten einen "Narren gefressen" (für die Autisten: das bedeutet so viel wie: ich fand ihn irgendwie süß und total nett, war aber nicht Hals über Kopf in ihn verliebt, sondern fand ihn einfach irgendwie toll und war aufgeregt, wenn er in meiner unmittelbaren Nähe war. Eine typische Teenager-Schwärmerei.)

Da auf der Geburtstagsfeier außer meinen Cousinen und meinem älteren Cousin (zu denen ich keine allzu große Bindung hatte) niemand in meinem Alter war und ich ja ohnehin ein etwas gesteigertes Interesse an Tom hatte, wollte ich unbedingt Kontakt zu ihm aufnehmen. Wie ist das abgelaufen? Nun - ich bin hin und habe ihn gefragt, ob er mir ein Glas Cola gibt. Soweit so normal, ist ein gewöhnlicher Kontaktaufbau, mit irgendwas muss man ja anfangen. Nun ja, dabei ist es aber auch geblieben. Ich habe das Glas Cola bekommen und bin erst mal wieder abgetrabt, weil ich keinen Ansatz hatte, was ich als nächstes sagen soll. Ich hatte damals ja noch kein KOMPASS-Training gemacht, sodass ich von Smalltalk irgendwie so gar keine Ahnung hatte. Bisschen geärgert habe ich mich schon an der Stelle, denn eigentlich war das vordergründige Ziel ja nicht, eine Cola zu trinken, sondern eher mit ihm zu quatschen... Na gut, der Abend ist ja noch jung. Neue Cola - neues Glück. 

Was habe ich also gemacht? Ich habe die Cola in einem Affenzahn ausgetrunken um einen neuen Versuch der Kommunikation zu starten. Das einzige was raus kam: "Tom?! Hast du noch ne Cola für mich?" Wieder Abgang Anne. 🙈 To make a long story short: ich war an dem Abend Stammgast auf der Toilette, hatte gefühlt 8 Liter Cola im Bauch, war mega-aufgeputscht und habe an dem Abend ungefähr 100 verschiedene Varianten ausprobiert, wie man jemanden nach dem koffeinhaltigen Getränk fragen kann. Ein Gespräch mit Tom ist nicht entstanden. 😂😂😂 Ich hatte einfach keinerlei Ansatz, wie ich über die Bitte nach der Cola hinaus ein Gespräch anfangen könnte. 

Was ich mich jetzt im Nachhinein aber gefragt habe: er hätte doch theoretisch merken müssen, dass es mir überhaupt nicht um die Cola an sich ging (kein Mensch - außer er hat Diabetes - hat so einen starken Durst, dass er alle 20 min mit dem leeren Glas vor einem steht und ihn nach einem neuen Getränk fragt), sondern das meine Art der Kontaktaufnahme war. Liebe Neurotypen: ihr seid doch die mit der Empathie?! Ich gebe ja zu, wir sind ein bisschen unbeholfen, was den Kontaktaufbau anbelangt, aber ich bin mir fast zu 100 % sicher, dass man uns trotzdem sehr deutlich anmerkt, dass wir mit euch in Kontakt treten wollen, vermutlich genau aus dem Grund (der Unbeholfenheit). Wenn ihr merkt, dass wir verdächtig oft in eure Nähe kommen und immer wieder dasselbe probieren, könnt ihr eigentlich davon ausgehen, dass wir mit euch kommunizieren wollen, aber nicht wissen wie. Solltet ihr nun nicht gerade überhaupt keine Kommunikation mit uns betreiben wollen, tut uns doch einfach den Gefallen und fragt einfach mal konkret nach. In dem Fall, den ich erlebt habe, wäre es quasi gewesen: "Sag mal Anne, willst du wirklich nur Cola, oder möchtest du eigentlich gerade quatschen?" Zack, das Eis wäre gebrochen gewesen. Ich hätte ja gesagt und es wäre bestimmt ein kurzes aber unterhaltsames Gespräch entstanden! Naja, immerhin die Cola war lecker und schön kalt. :D

Habt einen schönen Tag.
Anne






















Quelle Symbolbild: https://pixers.de/fototapeten/ice-cube-droped-in-cola-glas-und-cola-spritzwasser-37467052

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