Festhalte-Therapie - gut gemeint ist das Gegenteil von gut gemacht!

Hallo,

willkommen zurück. Bei meiner Recherche zu Themen, über die ich hier schreiben könnte, bin ich auf die Festhalte-Therapie gestoßen. Sie wurde 1984 von einer Kinderpsychiaterin namens Welch entwickelt. Gleich zu Anfang die Beruhigung: sie wird heutzutage nicht mehr in der Behandlung autistischer Kinder angewendet. 

Was war die Festhalte-Therapie?

Bei dieser "Behandlungsmethode" hat die Mutter/die Bezugsperson ihr autistisches Kind umarmt. Das Kind sollte dadurch Liebe und Zuwendung von ihrer Mutter kennenlernen und erleben. Grundsätzlich ein schöner Ansatz. - Wenn da nicht die, durch den Autismus ausgelöste, Abneigung gegen Berührungen/Körperkontakt/Blickkontakt bestehen würde. Entsprechend dieser Abneigungen hat sich das Kind natürlich gegen diese intensive Berührung gewehrt. Eigentlich müsste man spätestens dann damit aufhören, die Eltern sollten das Kind aber weiterhin festhalten und dabei beruhigend und tröstend auf es einsprechen. Der Therapeut hat den Eltern so lange befohlen, das Kind festzuhalten, bis es vor lauter Erschöpfung aufgegeben und die Umarmung erduldet hat. 

Warum hat man diese Therapie angewendet?

Früher ist man davon ausgegangen, dass Autismus durch mangelnde Zuwendung von Seiten der Mutter/der Bezugsperson entsteht. Dem Kind würde dadurch das Urvertrauen in die Menschheit bzw. im kleineren in seine Mutter fehlen. Durch die intensive körperliche Nähe, sollte das Kind die Bindung zu seiner Mutter wieder stärken und erleben, dass es sich bei ihr geborgen fühlen kann. Zumal die Mutter das Kind ja trösten sollte während dieses Kampfes. Je nachdem wie lange das Kind sich gegen diese Umarmung gewehrt hat, konnte eine Therapie-Sitzung über mehrere Stunden gehen, in denen das Kind gezwungen wurde, diese Berührung zu erdulden. Aber mit einer Therapie-Sitzung war es nicht getan, sie wurde täglich durchgeführt! Wenn das nach einer Weile weniger problematisch war, musste das Kind die Prozedur immerhin noch wöchentlich über sich ergehen lassen. 

Warum wird diese Therapie heute nicht mehr genutzt?

Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen weiß man heutzutage, dass die Mutter rein gar nichts für den Autismus ihres Kindes kann. Die Mutter kann sich noch so liebevoll und rund um die Uhr um das Kind kümmern und es kann trotzdem Autismus haben. Autismus entsteht nicht durch falsche Erziehung oder mangelnde Zuwendung, sondern ist angeboren! Ergo ist die Therapie vollkommen wirkungslos. Der Autismus kann dadurch nicht geheilt werden. 

Zum zweiten ist die Therapie für autistische Kinder der reinste Stress und unfassbar unangenehm. Im Prinzip ist die Festhalte-Therapie wie eine Form von ABA (einer Verhaltenstherapie, die auf die Umprogrammierung autistischer Kinder abstellt, ich habe dazu schon einen entsprechenden Beitrag geschrieben.) Die Kinder werden gezwungen, etwas zuzulassen, dass sie freiwillig niemals zulassen würden. Versteht mich nicht falsch: es ist sinnvoll, wenn Kinder wissen, dass sie sich auf ihre Mutter verlassen können und sich bei ihr geborgen fühlen können. Und ich kann auch verstehen, dass Eltern autistischer Kinder sich teilweise wünschen würden, dass ihr Kind mehr mit ihnen kuschelt. Aber die Bindung lässt sich auch anders und vor allem stressfreier aufbauen. Grundsätzlich muss man dafür gar nicht viel tun, auch autistische Kinder lieben ihre Eltern grundsätzlich erst mal abgöttisch, weil sie die ersten Bezugspersonen sind, die ein Baby sieht und kennenlernt. Dafür ist nicht unbedingt Extremkuscheln erforderlich, sondern liebevolles zu dem Baby sprechen, es versorgen, mit ihm spielen, etc. 

Mit dieser Therapie bricht man eigentlich komplett den Willen der Kinder. Man geht nicht darauf ein, dass sie deutliche Anzeichen von Stress und Abneigung zeigen. Es wird einfach komplett ignoriert, dass sie in dem Moment tatsächlich leiden, und das finde ich abartig. Was ist das für eine Therapie, die den Betroffenen quält, statt ihm zu helfen?

Zum Abschluss meine Bitte an die Eltern unter euch. Ihr wollt eurem Kind helfen und ihm das Leben so angenehm wie möglich gestalten, dass so normal wie möglich ist. Dafür sind zum Teil Therapien notwendig, um das Kind auf den richtigen Weg zu bringen. Aber schaut euch jede Therapie genau an und informiert euch ausgiebig darüber, bzw. schaut während der Einheit, wie es eurem Kind geht. Wenn ihr nur den leisesten Zweifel an der Methode habt oder spürt, dass es eurem Kind absolut nicht gut geht damit - brecht ab. Egal was euch die Therapeuten vermitteln wollen. Nur ihr allein kennt euer Kind und wisst was gut für es ist. Vertraut eurem Bauchgefühl. Ihr könnt das. 

Habt einen tollen Tag.
Anne

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