Autismus und Monatsblutung - besondere Probleme autistischer Frauen

Guten Tag,

der heutige Beitrag richtet sich ausnahmsweise mal an einen ausgewählteren Leserkreis als sonst: autistische Frauen/Mädchen! Aber natürlich auch an helfende Angehörige und/oder Menschen, die mit autistischen Frauen arbeiten. Ich lese auf einigen Blogs mit, aber zu diesem Thema habe ich bisher noch gar nichts gefunden. Vermutlich liegt das daran, dass es sich bei der Menstruation/Regel/Monatsblutung eher um ein Tabuthema der Gesellschaft handelt. Aber nur, weil die Menschen nicht gern darüber sprechen, heißt das noch lange nicht, dass das Problem nicht besteht. Da ich, wie ihr vermutlich schon mitbekommen habt, weiblich bin, möchte ich heute meine Erfahrungen einbringen, um vielleicht anderen autistischen Mädchen/Frauen Tipps geben zu können oder ihnen zumindest zu vermitteln: ich kenne das Problem. Welche Probleme können durch den Autismus bedingt bei der Monatsblutung auftreten?

  • Überlaufende Hygieneprodukte, weil man nicht spürt, dass sie "voll" sind
Ob es sich nun um Tampons, Periodentassen oder Binden handelt - irgendwann muss jedes Hygieneprodukt gewechselt werden, wenn man keinen roten Fleck in der Kleidung haben möchte. Nur - wann? Die meisten Frauen entscheiden das gewissermaßen nach Gefühl. Sie haben ein Gefühl dafür, wie voll die Binde zum Beispiel sein könnte, weil sie merken, wenn gerade viel rausgeblutet ist bzw. spüren sie irgendwie wenn es vollgesogen ist, weil es sich dann anders als im trockenen Zustand anfühlt. Für Frauen im Autismus-Spektrum ist das ein komplizierteres Unterfangen, weil manche von ihnen kein besonders gutes Körpergefühl haben. Sie merken schon, dass etwas rausläuft, aber wie viel mag das sein? Und auch auf das Gefühl, wie es sich anfühlt wenn es voll ist, können sich autistische Frauen auch nicht immer verlassen. Zudem kommt die Tatsache, dass wir uns manchmal so intensiv mit irgendwelchen Tätigkeiten beschäftigen, dass wir glatt weg vergessen, das Hygieneprodukt zu wechseln. Eben weil wir es nicht so gut wahrnehmen und es dann einfach ignorieren. Was kann hier helfen? 

- Timer/Erinnerung auf dem Handy oder der Digitaluhr/Smartwatch stellen

Wenn man nicht spürt, dass das Hygieneprodukt vollgelaufen ist, muss man eben Rituale daraus machen. Zum Beispiel stellt man dann immer eine Stunde ein und wenn die um ist, geht man die Binde wechseln. Je nachdem wie schlecht man dann einschätzen kann, ob die Binde gewechselt werden muss oder nicht (kommt ja auch auf den Füllgrad an) wechselt man dann eben unabhängig vom Füllstand. Also grundsätzlich. Wie lange die Zeitspanne ist, bis das Hygieneprodukt gewechselt werden muss, hängt natürlich immer individuell von dem Körper und den äußeren Umständen ab. Wenn man hier noch keine Erfahrungswerte hat, kann garantiert jede weibliche Frau im Umkreis behilflich sein. Wenn man jede Stunde nach z. B. der Binde schaut, kann man aber eigentlich nichts falsch machen. 

- dass ein Tampon voll ist, erkennt man daran, dass sich das Rückholbändchen rot färbt

- Wechselwäsche mitnehmen, wenn man länger unterwegs ist und solche Probleme öfter hat

- Boxershorts (gibt es auch für Frauen) über die eigentliche Schlüpfer ziehen, dann liegt alles fester an und außerdem kann sie ein bisschen Blut auch abfangen, bevor es in die Hose geht

- mehrere Hygieneprodukte verwenden - z. B. einen Tampon nutzen und zusätzlich eine Binde in die Unterhose kleben > wenn man den Tampon vergessen sollte, hat man immer noch die Binde, die es dann auffängt

Achtung: Tampons müssen regelmäßig gewechselt werden, da sonst die Gefahr einer Blutvergiftung besteht. (Da spricht man nicht von 2 Stunden, sondern ab 8 Stunden aufwärts.) Wenn ihr sehr stark dazu neigt, das Produkt zu lange drin zu lassen, rate ich euch von der Nutzung von Tampons dringend ab!

  • Unsicherheit darüber, welches Hygieneprodukt das Richtige ist
Aufgrund der sensorischen Überempfindlichkeit von autistischen Menschen, haben manche Autistinnen das Problem, dass sie gewisse Hygieneprodukte nicht ertragen können. Ich zum Beispiel trage nur unfassbar ungern Tampons, weil sie mir irgendwie weh tun und allgemein unangenehm sind (trage sie nur, wenn ich wirklich mal schwimmen gehen will), andere halten es nicht aus, wenn die feuchte Binde so an einem dran klebt.

- probiert Mini-Tampons, wenn ihr Binden nicht ertragt, mit Tampons aber auch Probleme habt (die sind schmaler und kleiner und man spürt sie nicht so stark), Nachteil: man muss sie öfter wechseln

- Es gibt spezielle Menstruationsunterwäsche. Die saugt das Blut einfach auf und man benötigt keine weiteren Hygieneprodukte. Man muss sie natürlich jeden Tag wechseln, kann sie aber ganz normal waschen und sie fühlt sich beim tragen nicht anders an, als eine normale Unterhose, außer dass sie möglicherweise etwas fester sitzt. Man soll wohl auch nicht das Gefühl haben, dass sie nass ist. (Leider habe ich keine eigene Menstruationsunterwäsche, überlege aber ernsthaft, mir welche anzuschaffen.)

  • Man wird von der Periode überrascht, weil man nicht spürt, dass sie kommt
Klar, viele Frauen haben vor der Periode das sogenannte Prämenstruelle Syndrom (PMS), woran sie dann erkennen können, dass die Monatsblutung bald bevorsteht. (z. B. Heißhungerattacken, Brustspannen, schlechte Laune, Unterleibsbeschwerden, Rückenschmerzen, etc.) Da diese Symptome aber logischerweise auch ohne drohende Menstruation ab und zu mal auftreten und manche Frauen die Symptome auch nicht zwangsläufig mit ihrer Periode in Verbindung bringen, ist das kein zuverlässiger Anzeiger. Noch dazu für autistische Frauen, die ohnehin oft kein besonders gutes Körpergefühl haben. Dann könnte man auch noch sagen, dass man doch spürt, wenn etwas aus der Vagina läuft - aber normaler Ausfluss fühlt sich fast genauso an, daran kann man es also nicht fest machen. Wenn man noch nicht so richtig verstanden hat, in welchem Zeitraum die Periode immer kommen müsste, bzw. wenn sie wie bei jungen Mädchen üblich, noch unregelmäßig ist, wird man dann durchaus ab und zu von ihr überrascht und hat plötzlich einen roten Fleck in der Kleidung. Peinlich, peinlich. 

- grundsätzlich eine Slipeinlage tragen (verhindert einerseits die Flecke, die durch den normalen Ausfluss entstehen und außerdem fängt sie die ersten Blutstropfen ab, wenn man überrascht wird. Wenn man dann auf der Toilette ist und sieht, dass die Monatsblutung begonnen hat, kann man dann ja immer noch seine Hygieneprodukte verwenden!)

- Probiert eine Zyklus-App aus. Gibt es für jedes Handy dutzende im Appstore/Google-Play-Store und ist unglaublich simpel. Man trägt ein, wann man seine Periode hatte und wie lange, macht das ein - zwei mal und dann errechnet die App zuverlässig, wann die nächste Monatsblutung beginnen sollte und kann einen sogar warnen. Ich habe eine und bin immens begeistert, sie stimmt fast immer eins zu eins, ich wurde seit der Nutzung nicht mehr von der Periode überrascht, sondern konnte mir immer schon Binden einstecken. Eine Alternative zur App ist der klassische Periodenkalender. 

  • Habe ich genug gegessen oder wirklich noch Hunger? (Schwierigkeiten bei der Einschätzung von Heißhungerattacken während der Periode, bzw. kurz davor)
Das Problem habe ich meistens. Ich habe kurz vor und während der Periode grundsätzlich immer Heißhunger auf alles was ungesund ist (Schokolade, Chips, Gummibärchen, Fastfood) und verwandele mich in eine Raupe Nimmersatt. (Na, wer kennt sie noch?) Ich habe ohnehin schon ein nicht so gutes Sättigungsgefühl, aber wenn ich meine Tage bekomme, habe ich das Gefühl, dass ich überhaupt nicht satt werde. Ich könnte dann essen, essen, essen und danach habe ich immer noch Hunger. Aber wie soll ich entscheiden, ob ich genug gegessen habe und aufhören sollte? Ich würde denken, dass das Problem auch einige andere weibliche Autistinnen haben. Was kann helfen? 

- Haltet euch strikt an die Mengen, die ihr sonst auch essen würdet. In 99 % aller Fälle wird das ausreichend sein. Es ist nämlich nachgewiesen, dass der Körper auch während der Periode keinen besonderen Mehrbedarf an Kalorien hat. Unser Heißhunger hat nur etwas mit den Hormonen zutun!)

- Esst Gemüse/Obst statt Fastfood und Co. Ist natürlich nicht dasselbe, ganz klar. Wenn es einem aber nur darum geht, den Hunger zu stillen (sei er nun echt oder ein Produkt unserer Hormone), dann greift auf so etwas zurück. Erstens sind Vitamine immer gut für den Körper und zweitens machen sie nicht dick. Selbst wenn man von Möhren etwas mehr isst, als man braucht, fällt das nicht so sehr ins Gewicht. 

Solche Probleme haben natürlich auch neurotypische Frauen/Mädchen, an der Stelle sind wir alle gleich. Für uns ist es aufgrund der veränderten Körperwahrnehmung manchmal halt ein bisschen komplizierter, wenn es um Dinge geht, die neurotypische Frauen hauptsächlich nach Bauchgefühl entscheiden, aber es gibt für fast alle Probleme auch kleine Lifehacks/nützliche Apps, etc. Und denkt daran: auch neurotypische Frauen stellen manchmal mit Entsetzen fest, dass sie schon wieder einen Fleck in der Hose haben. Auch denen kann das passieren, das ist manchmal einfach so. Und nach einer Woche ist es ja dann auch meistens wieder vorbei. 

Habt einen schönen Tag!
Anne


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