Autismus in Filmen - Club der Roten Bänder (Toni)

Hallo,

auch wenn die Serie inzwischen nicht mehr läuft, habe ich mich heute mal für diese Serie entschieden. Immerhin wurde ja jetzt eine neue Serie daraus entwickelt (Tonis Welt) und ich denke, dass CDRB recht vielen ein Begriff sein dürfte, auch wenn sie vielleicht nicht jeder intensiv geschaut hat. (Krankenhausserien sind ja doch nicht jedermanns Geschmack, auch ich finde die Serie emotional wirklich anstrengend). Wer die VOX-Serie in Grundzügen verfolgt hat, wird wissen, dass auch Anton Vogel (Toni) darin vorkommt. Er verkörpert einen jungen Mann mit Asperger-Syndrom, gespielt wird er von Ivo Kortlang. 

Es hat mir gefallen, dass auch mal ein Autist mit in eine Serie mit reingenommen wurde, das kommt ja gar nicht so oft vor. Nachdem ich die Serie gesehen habe, stehe ich dem Ganzen leider eher mit gemischten Gefühlen gegenüber. Bei der Darstellung von Autisten wurde leider maximal tief in die Klischee-Kiste gegriffen, es wurde z. T. ein falsches Bild von Autismus dargestellt. Manche Dinge waren aber auch sehr realistisch und gut. Heute möchte ich als Autistin eine Einschätzung geben, wie ich die Darstellung empfunden habe.

Was ich positiv fand:
  • Toni hat gearbeitet.
 Das sendet so ein schönes Zeichen aus. Nicht alle Autisten müssen zwangsläufig arbeitslos sein oder in einer Behindertenwerkstatt arbeiten. Wir sind auch durchaus in der Lage auf dem Arbeitsmarkt zu arbeiten und wie man hier sieht: sogar in einem sozialen Beruf. Toni zeigt wunderschön, wie emphatisch und liebevoll Menschen im Autismus-Spektrum sein können. Er hat alles versucht, damit es den Kindern so gut wie möglich geht in ihrer schwierigen Situation. Außerdem kümmert er sich mit einer absoluten Inbrunst um Hugo, nachdem er aus dem Koma aufgewacht ist - Autisten mit ihrer unglaublichen Geduld und Zuneigung, die sie zu manchen Menschen empfinden, sind manchmal die perfekten Mitarbeiter auf gerade solchen Positionen. Liebe Arbeitgeber - wenn ihr eine Bewerbung von einem Autisten auf den Tisch bekommt und er hat zumindest im Ansatz die notwendigen Qualifikationen - gebt ihm die Chance, sich in diesem Beruf auszuprobieren. Nur weil ihr denkt, dass er nicht zu Autisten passen würde, heißt das noch lange nicht, dass es wirklich nicht geht! Ich fand es wunderschön, dass die Verantwortlichen (in der Serie) Toni die Chance gegeben haben, sich zu beweisen. Dass das gelungen ist, lag aber vor allem auch an Diez (dem Kinderpfleger), der Toni nach einem großen Feaux-Paz erklärt hat, was er falsch gemacht hat. 
  • Er war in eine Clique (einen Freundeskreis) integriert
Auch Menschen im Autismus-Spektrum benötigen Freunde. Wir sind nicht als Einzelgänger geboren. Es ist für uns nur ziemlich schwierig, Menschen zu finden, die uns genauso nehmen wie wir sind. Die meisten neurotypischen Menschen sind recht oft irritiert von uns. Sie gucken nicht hinter unsere Fassade. Sie sehen nur: okay, tickt komplett anders, ist uns suspekt. Ich finde es total schön, dass Toni vom Club der Roten Bänder so toll angenommen wird und integriert ist. Er ist genauso wichtig wie alle anderen Clubmitglieder und seine Besonderheiten werden akzeptiert und er wird wertgeschätzt. 

Was ich nicht so gut fand:
  • Shutdown-Szene
Nachdem Toni von Valeries Freund geschlagen wurde, sinkt er in sich zusammen und reagiert auf nichts und niemanden mehr. Hier wurden mehrere Krankheitssymptome gemischt, die grundsätzlich erst mal überhaupt nichts miteinander zu tun haben. Das Verhalten was Toni an den Tag legt (schweigend da sitzen, zusammengekauert, auf nichts reagieren) ähnelt einem Shutdown - einem Zustand der bei AutistInnen vorkommen kann. Er kann dadurch ausgelöst werden, dass der Autist mit etwas das passiert ist, komplett überfordert ist. Das Gehirn betätigt dann eine Art Not-Aus und der Mensch im Autismusspektrum versinkt dann in eine Art Starre. Soweit so korrekt. ABER:

- dieser Zustand dauert niemals länger als ein paar Stunden (ich hab kein Gefühl dafür, wie lange die Shutdowns bei mir dauern, der längste hat meines Erachtens anderthalb Stunden gedauert. Dass er mehrere Tage im Shutdown verharrt, ist massiv unrealistisch)

- es wird so dargestellt, als wäre dieser Zustand ein Schock, ist er aber nicht zwangsläufig. Am häufigsten wird der Shutdown durch Reizüberflutung ausgelöst. Was versucht wurde darzustellen ist die Reaktion auf ein Trauma, was Toni durch seinen Vater erlitten hat. Das sind zwei vollkommen unterschiedliche Dinge!
  • Die Szene wo Toni vollkommen unsensibel mit den Eltern des krebskranken Jungen spricht
Toni kommt ins Zimmer und wirft der Mutter an den Kopf, dass ihr Kind höchstwahrscheinlich sterben wird, weil es keine großen Heilungschancen hat, wenn es keine Stammzellenspende bekommt. Die Mutter ist total entsetzt über so viel Unsensibilität und fordert den sofortigen Rausschmiss von Toni. (Dietz kann das glücklicherweise noch verhindern.) Wir sind keine emotionslosen Roboter! Klar gibt es Autisten, die schonungslos ehrlich sind, aber die meisten haben durchaus genug Empathie um zu wissen, dass sie so etwas zu den betroffenen Eltern und schon gar nicht in Gegenwart der Kinder sagen darf. 
  • Toni empfängt Sätze von dem Komapatienten Hugo
So schön wie diese Idee auch ist - sie macht mich sauer, weil das komplett an den Haaren herbeigezogen ist. Es wird hier wieder auf Autist als Wundertier abgestellt. Ich kann mir beim allerbesten Willen nicht vorstellen, dass auch nur eine einzige autistische Person Botschaften von einem komatösen Patienten empfangen kann. Komplett erfunden. Auch wenn wir extrem sensibel und feinfühlig sein können - einfach nein. Wir sind keine Wundertiere sondern auch nur "normale" Menschen. 

Fazit:

Ich weiß natürlich auch, dass man bei solchen Szenen nicht alles hundertprozentig ernst nehmen und auf die Goldwaage legen darf, aber ich mag es einfach gar nicht, wenn so stark mit Klischees gespielt wird. Das sorgt jedes Mal wieder für ein falsches Bild in der Gesellschaft. 

Habt einen schönen Tag.
Anne


Kommentare