Tipps für das Kennenlernen von Partner(in) und euren Freunden/Familie

Hallo,

wer kennt es nicht? Man hat sich in eine Person verliebt, trifft sie schon eine Weile und möchte sie schließlich der Familie und den Freunden vorstellen, damit auch die endlich mal eine Vorstellung davon haben, mit wem man jetzt so intensiv seine Zeit verbringt. Die Idee löst garantiert sowohl bei dem, der vorgestellt werden soll, als auch bei dem, der seinen Partner vorstellen möchte, eine unglaubliche Aufregung aus. Das geht natürlich nicht nur neurotypischen Menschen, sondern auch Autisten so. Logisch. Was ihr aber wissen solltet: für Autisten ist es grundsätzlich schon mal schwierig, überhaupt fremde Personen kennenzulernen. Sie müssen sich dann ja komplett neu auf sie einstellen und wissen so gar nicht, wie diese Menschen ticken. Damit es für alle Beteiligten stressfrei und positiv verläuft, schlage ich heute ein paar Tipps vor, wie ihr vorgehen könnt und binde ein bisschen meine eigenen Erfahrungen mit ein. 💏
  • Stellt uns zunächst EINER Person vor, nicht gleich eurem ganzen Freundeskreis. 
Wie bei fast allem, an das man Menschen mit Autismus zu gewöhnen versucht, gilt auch hier: Step by Step. Eins nach dem anderen. Wenn wir euch gut kennengelernt haben und langsam nicht mehr einen Aufregungspegel von 110 % , sondern nur noch von 70 % haben, könnt ihr langsam darüber nachdenken, uns eurem Freundes- oder Familienkreis vorzustellen. Wichtig ist hier aber, dass ihr langsam vorgeht. Ich erläutere es mal an einem Beispiel. 

Als ich angefangen habe, mich öfter mit meinem Kumpel zu treffen, hatte er den Wunsch, dass ich auch mal bei ihm übernachte. Das ging am Anfang überhaupt nicht. Einer der Gründe dafür waren, dass ich seine Familie noch so gut wie gar nicht kannte. Wir sind es also langsam angegangen. Er hat zunächst immer Tage ausgesucht, wo so ziemlich alle aus dem Haus waren und wir haben damit angefangen, dass ich erst mal zum Frühstück gekommen bin, als nur sein Papa da war. Das haben wir ein paar mal gemacht, ich konnte mich also in aller Ruhe an seinen Vater gewöhnen (ich kannte ihn sogar schon ein bisschen, weil er mal eine Klassenfahrt begleitet hatte). Dann war beim Frühstück auch mal seine Mama und sein kleiner Bruder mit da und irgendwann haben wir uns bis zum Kaffee trinken vorgearbeitet (wo immer alle Familienmitglieder an einem Tisch sitzen.) Eine Zusammenführung mit allen Familienmitgliedern auf einen Streich hätte mich vermutlich überfordert, weil ich in solchen Momenten nie weiß, wie ich mich verhalten soll, ich weiß nicht wie die Menschen ticken, etc. So konnte ich mich aber Stück für Stück an alle gewöhnen und bin mittlerweile sogar richtig froh, sie zu kennen und verbringe sehr gerne Zeit in der gemeinsamen Runde. :-) 
  • Verbindet die Zusammenführung wenn möglich mit unseren Spezialinteressen.
Es ist immer angenehm, wenn wir uns hauptsächlich mit etwas anderem beschäftigen können, der Fokus also nicht auf dem gemeinsamen Kennenlernen liegt, sondern auf der Aktivität und die Person die wir kennenlernen sollen, ist einfach mit dabei. Das haben mein Kumpel und ich zum Beispiel auch so gemacht. Ich habe mich sehr für Geocaching interessiert und er hat vorgeschlagen, dass wir ja mit den Hunden, seiner Schwester, ihrem Freund und seinem kleinen Bruder eine Geocaching-Spazier-Runde machen könnten. Erst dachte ich "Oh mein Gott, ich kenne die drei doch kaum". Dann haben wir aber das gemeinsame Ziel verfolgt den Cache zu finden und die Hunde bei ihrem Toben im See zu beobachten, sodass es viel unverkrampfter war, als wenn wir jetzt explizit gesagt hätten: wir treffen uns jetzt zum Kaffee trinken. An einem anderen Tag vorher hatte er mir doch tatsächlich vorgeschlagen, wir könnten den Freund seiner Schwester doch mal im Jugendclub besuchen, was ich logischerweise abgelehnt habe, immerhin kannte ich ihn da kaum. Bei der Spazier-Tour bin ich aber ganz automatisch mit den beiden ins Gespräch gekommen, ohne dass es irgendwie schwierig gewesen wäre, denn wir mussten uns ja darüber austauschen, wo der Cache sein könnte... Im Nachhinein betrachtet: Cleverer Trick. 😀

  • Sagt den Menschen, denen ihr uns vorstellen wollt, am besten vorher wie wir ticken.
Gerade wenn wir aufgeregt sind, verhalten wir uns teilweise "autistischer" als wir es im Normalfall tun würden. Darüber müsst ihr euch im Klaren sein. Ihr dürft euch nicht wundern, wenn es uns noch schwerer fällt als ohnehin schon, irgendjemand in die Augen zu schauen oder uns zu unterhalten. Das ist ganz normal. Es ist aber immer hilfreich, wenn die Personen, die wir kennenlernen sollen, schon vorher darüber Bescheid wissen, dass wir uns möglicherweise ein bisschen anders verhalten, als sie es erwarten würden. Im Prinzip wirken die meisten autistischen Menschen in so einer Situation einfach extrem schüchtern. Ihr müsst jetzt also nicht sonst was erwarten, ihr müsst einfach damit rechnen, dass wir eher in uns gekehrt sind und uns nicht unterhalten werden. Es ist aber vor allem auch für eure Freunde/Familie wichtig, dass sie das nicht auf sich beziehen, sondern es als "normal für die ersten Treffen" hinnehmen und es nicht als Unhöflichkeit wahrnehmen. 

  • Es ist hilfreich, wenn die Personen erst mal gar nicht so sehr auf uns eingehen. 
Mir hat es bei dem Zusammentreffen mit den einzelnen Familienmitgliedern von ihm am meisten geholfen, dass keiner von ihnen versucht hat, mich krampfhaft in die Unterhaltung mit einbinden zu wollen. Ich wurde so genommen, wie ich in dem Moment war - nämlich extrem schüchtern und schweigsam. Bei den ersten Treffen habe ich außer "Hallo" so gut wie gar nichts gesagt. Es ging nicht. Das Gute war, dass sie mir nicht den Eindruck vermittelt haben, als wäre das irgendwie schlimm. Sie haben mich ganz normal mit angesprochen, einfach immer mal wieder (dann habe ich auch geantwortet), aber nicht auf Krampf, sondern so wie es situationsabhängig gepasst hat. Es wurde quasi nichts in Richtung "Oh, du bist aber ruhig, erzähl doch mal was!" gesagt, sondern sie haben sich ganz normal untereinander unterhalten. So hatte ich die Möglichkeit in der Situation in Ruhe anzukommen und die Menschen aus der Beobachterperspektive ein bisschen kennenzulernen. Irgendwann habe ich dann von alleine angefangen zu Dingen die erzählt wurden, Rückfragen zu stellen oder von selber etwas zu erzählen. Erst sehr wenig, dann später immer mehr. 
  • Weicht uns nicht von der Seite. 
Wenn ihr uns euren Freunden/Familienmitgliedern vorstellt, müsst ihr euch der Tatsache bewusst sein, dass ihr unser absoluter Sicherheitsanker seid. Ihr seid in dem Moment Bezugsperson Nummer 1. Der Mensch, den wir kennen und dem wir vertrauen. Es reicht in dem Moment nicht, wenn ihr im selben Raum seid, aber auf der gegenüberliegenden Seite des Tisches sitzt - ihr müsst explizit neben uns sitzen. Zumindest am Anfang ist das immens wichtig. Am allerbesten ist es natürlich, wenn niemand anderes zusätzlich neben uns sitzt, sondern nur ihr, aber das geht ja nicht immer. Also auch wenn es vielleicht am Anfang ein bisschen anstrengend für euch ist, tut uns den Gefallen.
  • Kündigt bitte, bitte vorher an, was ihr vorhabt. 
Überrumpelt werden ist immer in gewisser Weise irgendwie unangenehm, das geht euch ja vermutlich auch so. Wenn ihr also vor habt, uns euren Familienmitgliedern/Freunden vorzustellen, solltet ihr das schon offen sagen, damit wir die Chance haben, uns darauf einzustellen. Das ist ganz wichtig für uns. Wenn ihr uns nichts sagt und dann plötzlich kommen wir an unseren Treffpunkt und dort ist plötzlich euer Kumpel, kann uns das schon ganz schön aus der Bahn werfen. Der Ansatz ist vermutlich, dass wir uns vorher nicht so viele Gedanken darum machen können, aber ich kann euch versichern: lieber machen wir uns unendlich viele Gedanken über das Treffen, als wenn wir mitten ins kalte Wasser geworfen werden und gar nicht wissen, wie wir reagieren sollen. 
  • Wählt Treffpunkte aus, die für uns bekannt sind. 
Wenn wir jemand Fremdes kennenlernen sollen, ist das schon extrem aufregend und bisweilen macht uns das sehr unsicher. Wenn wir uns dann aber auch noch an einem vollkommen fremden Ort treffen, wird es noch schwieriger für uns. Am besten für ein Treffen wäre z. B. eure Wohnung oder wenn wir etwas gemeinsam unternehmen, dass wir vorher schon häufig gemacht haben, sodass wir uns nur auf die fremde Person und nicht auch noch auf eine fremde Umgebung konzentrieren müssen. 

Das wären so die wichtigsten Tipps, die mir auf Anhieb - aus Erfahrung einfallen. Wenn ihr die befolgt, besteht die recht hohe Chance, dass das gemeinsame Kennenlernen für alle Beteiligten stressfrei, angenehm und insgesamt positiv verläuft. Wie kleinschrittig ihr vorgehen müsst, müsst ihr natürlich von Autist zu Autist sehen. Vielleicht reichen 2 Treffen mit einer Person, bevor ihr die nächste einführen könnt, möglicherweise aber auch mehrere Wochen. Am allerschönsten sind aber logischerweise immer die Treffen, wo wir euch für uns alleine haben und uns nicht auf eine andere Person einstellen müssen. ❤️

Viel Spaß bei der Zusammenführung und einen schönen Tag für euch!
Anne

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