Ist Autismus heilbar?

Hallo ihr Lieben,

herzlich willkommen zurück.  Der heutige Post richtet sich an alle, die gerade erfahren haben, dass sie eine autistische Person in ihrem Umkreis haben und noch nicht so richtig etwas von dem Störungsbild wissen. Vielleicht seid ihr ein Angehöriger oder ein Freund und seid bei euren Überlegungen auf die Frage gestoßen, ob Autismus heilbar ist. 

Die Antwort auf diese Frage ist im Prinzip recht einfach, sie lautet nein. Autismus ist nicht heilbar. Ich vergleiche ihn gern mit einer Art Betriebssystem, das von dem nichtautistischer Menschen abweicht. Also so ähnlich wie Ios und Android. Autismus ist Ios und das Gehirn der Neurotypen arbeitet mit Android. Ich bin technisch jetzt nicht so versiert, aber ich würde behaupten, dass man ein IPhone mit Android niemals bedienen können würde, wenn man versuchen würde, das Betriebssystem runterzumachen und zu ändern, weil es vollkommen auf die Arbeit mit dem Betriebssystem Ios ausgelegt ist. Ein autistisches Gehirn arbeitet genauso gut, wie das von nicht-autistischen Menschen, aber anders. Die Wahrnehmung, das fühlen, das denken sind anders. Also nein, man kann den Autismus nicht wegmachen. 

Die gute Nachricht ist: es ist auch gar nicht notwendig, da man mit ihm sehr gut leben kann, wenn man sein Leben ein bisschen darauf anpasst. Das wichtigste ist die Auswirkungen des Autismus zu erkennen, die einem das Leben schwer machen, das ist ganz individuell, es könnte zum Beispiel sein, dass man sehr schnell an einer Reizüberflutung leidet, oder keine Berührungen ertragen kann, oder gewisse Sprüche von Mitmenschen nicht versteht, weil einem Ironie, Sarkasmus oder Sprichwörter nicht so liegen. Dafür muss man zunächst ganz viel ausprobieren und in viele Situationen reingehen. Das kann schief gehen, weil man seine Grenzen überschätzt hat. Dann kann man versuchen zu reflektieren (z. B. mit Unterstützung einer anderen Person, sei es Freunden, Familienmitgliedern oder eben der Psychologin) was dazu geführt hat, dass es nicht so gelaufen ist, wie es laufen sollte. 

Wenn man das rausgefunden hat, kann man dann gemeinsam nach Lösungen suchen. Wenn einen zum Beispiel die Reize stören, sorgt man dafür, dass man sich zurückziehen kann und benutzt Kopfhörer/Ohrenstöpsel, Sonnenbrille etc. Mit diesen Hilfsmitteln kann der Autist schon viel länger in einer Situation bleiben und sie vielleicht sogar genießen. Oder wenn man eben Schwierigkeiten in der Kommunikation hat (also in Anlehnung an das Sprichwort-Beispiel), wäre natürlich in allererster Linie das Umfeld gefragt, dass diese Art von Kommunikation eindämmt und möglichst klar kommuniziert. Dafür ist in der Regel aber die Offenlegung der Diagnose erforderlich. Wer das nicht möchte, kann sich aber auch die verwirrenden Situationen notieren und dann im Nachhinein mit der Person des Vertrauens besprechen und sich erklären lassen. 

Das waren nur zwei kleine Beispiele. Man wird durch den Autismus eingeschränkt, wer das Gegenteil behauptet hat diese Störung nicht. Es ist aber quasi nichts unmöglich! Ein autistischer Mensch kann dasselbe tun, wie ein neurotypischer Mensch. Er muss nur organisieren, dass die Umstände so abgestimmt sind, dass er sich entfalten kann oder die Situation die ihn anstrengt zumindest ertragen kann. Das erfordert teilweise extrem viel Kreativität und wird garantiert nicht bei den ersten Malen klappen, aber es lohnt sich, den Mut dafür aufzubringen. Eine Frau bei youtube, die über Autismus aufklärt, beendet jedes ihrer Videos mit den Worten "Nichts ist unmöglich, Autismus!" 

Die ABA-Therapie (eine Form der Verhaltenstherapie) führt dazu, dass man annehmen könnte, dass Autismus heilbar ist. Mit der kann man autistische Menschen durch Konditionierung dazu bringen, sich zu verhalten wie ein neurotypischer Mensch. Es handelt sich dabei um jahrelange Behandlung, die meist deutlich mehr als 40 Stunden pro Woche umfasst. (Wer mehr dazu wissen will, kann sich gern den Beitrag zur ABA-Therapie durchlesen.) Das ist aber ein fürchterliches Missverständnis - der Autismus wird dadurch nicht aufgehoben, bzw. wird der Mensch nicht geheilt - er verwandelt sich lediglich in eine willenlose Marionette. Er wird komplett verbogen. Was auch immer passiert: zieht bitte niemals diese Behandlungsmethode in Erwägung. Es kann tiefe Verletzungen in der Seele dieses Menschen hinterlassen. 

Was allerdings noch wichtig zu erwähnen wäre: es gibt tatsächlich ein paar Dinge, die autistische Menschen trotz massiver Anstrengung niemals erlernen können. In diesem Punkt stimmt der obengenannte Satz definitiv nicht. Vieles kann sich ein autistischer Mensch antrainieren, aber z. B. Mimik von Gegenübern lesen, werden Menschen im Autismus-Spektrum niemals intuitiv beherrschen. Die Grundemotionen können die meisten Autisten recht zuverlässig erkennen, aber die Zwischenemotionen wie z. B. Eifersucht, Angst, Ekel, ... sind verdammt schwierig zu erkennen. Und es ist auch nichts, was man auswendig lernen könnte. Oder sich in sein Gegenüber hineinzuversetzen, auch das kann sehr schwierig sein. Ich kann nicht so richtig beschreiben, woran das Problem darin liegt, aber es ist unheimlich schwer. Wir sind aber mitnichten empathielose Roboter, wenn man uns erklärt, was man fühlt und wie das Gefühl ausgelöst wurde, können wir wahnsinnig mitfühlend sein und sogar trösten. Aber egal wie viel Mühe wir uns geben, wir werden es nicht intuitiv erlernen. Das liegt einfach an dem anderen arbeiten unseres Gehirns. 

Grundsätzlich sollte man versuchen, den Autisten so zu lassen wie er ist, denn so kann er z. B. am allerbesten seine Stärken zu Tage bringen und ein richtig guter Freund oder ein liebevoller Partner oder Familienmitglied sein. Fazit: Autismus ist nicht heilbar, man kann aber mit Organisation, Kreativität und Unterstützung sehr gut damit leben. 

Habt einen schönen Tag!
Anne

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