Autismus und Schule - Tipps für einen autismusgerechten Sport- und Schwimmunterricht

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In den letzten beiden Beiträgen habe ich aufgezeigt, warum der Sport- und Schwimmunterricht für Schüler im Autismus-Spektrum sehr schwierig und anstrengend sein kann. Es gibt wirklich einige Herausforderungen auf die sie stoßen. Was soll man nun also tun? Diese Kinder grundsätzlich von diesen Unterrichtsfächern zu befreien, halte ich für absolut keine gute Idee, auch wenn ich selber oft nicht viel Spaß an diesem Unterricht hatte und echt Probleme hatte zum Teil. Warum nicht? 
  • Gerade der Schwimmunterricht kann lebensrettend sein, wenn man ins Wasser fällt und man hat nie schwimmen gelernt, ist das lebensgefährlich!

  • Durch den Sportunterricht lernt man seine Stärken kennen. Es werden einem so viele Sportarten gezeigt, die einem vielleicht sogar richtig Spaß machen und zu einem Hobby werden können - ohne den Unterricht würde einem diese Chance genommen werden. 

  • In der Schule sitzt man die meiste Zeit und auch nachmittags bewegen sich einige Kinder nicht unbedingt. Gerade um Schulstress abzubauen, ist diese Bewegung aber immens wichtig!
  • Man kann mit wenig Aufwand dafür sorgen, dass auch autistischen Kindern der Sport- und Schwimmunterricht Spaß macht und vor allem fairer wird:

Tipps für den Schwimmunterricht

Es müssen vor allem die Randbedingungen verbessert werden. Ein Punkt wäre schon mal, auf das Haare föhnen zu verzichten. Ich verstehe natürlich warum die Erzieher/Lehrer das verlangen (Erkältungsgefahr), aber mal ganz ehrlich: eine Mütze oder die Kapuze aufzusetzen tut es doch genauso... Außerdem ist es ohnehin ein Mythos, dass man krank wird, wenn man mit nassen Haaren nach draußen geht. 

Dann könnte man den Ablauf vor und nach dem Schwimmen besser verdeutlichen. Hier eignet sich zum Beispiel TEACCH hervorragend. Man könnte zum Beispiel ein Handtuch auf die Stelle legen, wo das Duschzeug und der Badeanzug abgelegt werden sollen. Oder eine Checkliste, wann was in welcher Reihenfolge gemacht werden muss. Diese kann man ja je nach Bedarf detailliert in kleinen Teilschritten oder in groben Abschnitten gestaltet werden. Einlaminieren zum Schutz gegen Feuchtigkeit, in die Schwimmtasche packen - et voila, der Schüler kann sich hervorragend darauf einstellen und sich vor allem selbstständig auf den Schwimmunterricht vorbereiten, ohne ständig durch die Begleitperson ermahnt/erinnert zu werden. 

Die Zeitspanne beim Ausdauer-Schwimmen lässt sich gut durch einen großen Time-Timer, der am Beckenrand steht, verdeutlichen. Es handelt sich dabei um eine Art Eieruhr, die eine Farbscheibe beinhaltet und anzeigt, wie viel Zeit noch für eine Aktivität übrig ist. Je weniger Zeit bleibt, desto kleiner wird die rote Fläche. 

Weiterhin kann es helfen, wenn der Schüler zum Beispiel auf der Außenbahn schwimmen darf. Dort hat er die Außenkante des Beckens, an der er sich hervorragend festhalten kann, wenn Bedarf besteht. Falls das nicht möglich ist, kann auch die legendäre lange Holzstange helfen, mit der der Schwimmlehrer neben dem Becken herläuft. Die kann der Schüler dann anfassen, wenn er das Gefühl hat unsicher zu werden. Außerdem wäre es günstig, wenn man die Anzahl der Schüler, die auf einer Bahn schwimmen, ein bisschen eindämmen kann. Wenn man also zum Beispiel 2 autistische Schüler hat, die Probleme mit körperlichen Berührungen haben, könnte man sie auf einer Extrabahn schwimmen lassen. (Natürlich ist das immer eine Organisations- und Platzfrage und ist nicht immer umsetzbar.) 

Tipps für den Sportunterricht

Eine gute Lösung kann es zum Beispiel sein, über einen Nachteilsausgleich nachzudenken. Es ist möglich, autistische Schüler von der Benotung im Sportunterricht wegen ihren Koordinationsstörungen zu befreien. Dadurch würde schon mal eine Menge Druck wegfallen und der Spaß am Sportunterricht deutlich erhöht werden. Wenn man die Benotung nicht ganz wegfallen lassen möchte, könnte man aber auch versuchen, die Anforderung der Aufgabe so abzuändern, dass sie für den Schüler im Autismus-Spektrum genauso machbar ist, wie für die Mitschüler auch. Wie das gehen kann, habe ich ja schon in dem entsprechenden Beitrag angedeutet. 

Man kann dem Schüler auch die Möglichkeit geben, statt an dem Mannschaftsspiel mit zu machen, eine andere Aktivität wahrzunehmen. Zum Beispiel könnte der Schüler statt mit Basketball zu spielen auf einem abgegrenzten Feld auch 20 Körbe werfen, oder zum Beispiel Springseil springen oder seine Fähigkeiten im Umgang mit dem Spielgerät trainieren. So kann man verhindern, dass der Schüler durch die Schnelligkeit des Spiels überfordert wird oder versehentlich mit den anderen Spielern zusammenknallt. Es gibt im Rahmen des Nachteilsausgleichs sogar die Möglichkeit die Kinder von Mannschaftsspielen ganz offiziell zu befreien, aber es ist natürlich immer schöner, wenn der Sportlehrer auch so schaut, was dem Kind gut liegt. 

Spielregeln von kleinen Spielen können teilweise besser verstanden werden, wenn sie durch den Lehrer kleinschrittiger erklärt werden. Bei manchen Autisten ist die Reizverarbeitungs-Geschwindigkeit herabgesetzt. Das bedeutet, dass mündliche Anweisungen oder Bewegungen die vorgeführt werden, nicht so schnell verarbeitet und gespeichert werden und im Umkehrschluss auch nicht richtig umgesetzt werden können.  Hier kann es helfen mit Visualisierung zu arbeiten - also Bilder von den einzelnen Handlungsabläufen machen und beschriften,  damit der Schüler in Ruhe gucken kann, was von ihm erwartet wird. Papier ist geduldig - er kann es in seinem eigenen Tempo verstehen. Außerdem sind kleinschrittige Handlungsanweisungen grundsätzlich besser als größere. Man kann beim vormachen von Bewegungsabläufen auch versuchen, das tun gleichzeitig zu kommentieren und sehr langsam dabei vorzugehen und es mehrmals zu wiederholen. Von der Methode "Ich führe deine Hände um dir zu verdeutlichen was du tun sollst") kann ich persönlich nur abraten, weil es viel zu unangenehm ist, als dass es dem Schüler irgendetwas bringt. 

Fazit: Sportunterricht und Schwimmunterricht ist teilweise wegen den Rahmenbedingungen nicht so günstig für Schüler/innen im Autismus-Spektrum, aber wenn alle Beteiligten Interesse daran haben, kann mit kleinen Maßnahmen bereits schon viel verbessert werden und dazu beitragen, dass es vielleicht nicht mehr nur zwei Pflichtfächer sind, sondern vielleicht Unterricht, der sogar richtig Spaß machen kann. 

In diesem Sinne - Sport und Schwimmfrei! 
Anne 

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