Autismus und Schule - Probleme im Sportunterricht

Hallo ihr Lieben,

willkommen zurück. Der Sportunterricht ist so ein Thema für sich - entweder man liebt ihn oder man hasst ihn, ein Zwischending gibt es in der Regel nicht. Wenn ich so an meine Schulzeit zurückdenke, kann ich mit Gewissheit sagen, dass das Fach, was ich am aller-wenigsten mochte, definitiv der Sport- und der Schwimmunterricht war und ich weiß von einigen Autisten, dass ihnen das ähnlich ergangen ist. Es gab definitiv auch Disziplinen, die mir richtig doll Spaß gemacht haben:

  • Federball
  • Tischtennis
  • Parcour (da wurden mehrere Geräte aneinander gebaut und man musste sie überwinden ohne den Boden zu berühren)
  • Weitsprung, Kugelstoßen, Weitwurf
  • Orientierungslauf
  • Slack-Line (Nur mit Unterstützung und ausschließlich simples darüber laufen!)
Nicht dass ich besonders gut in diesen Dingen bin, aber sie machen mir trotzdem unglaublich viel Spaß. Es ist auch nicht so, dass ich mich grundsätzlich nicht gern sportlich betätige, es macht mir z. B. richtig doll Spaß im Kletterwald mein Können auszuprobieren, in der Trampolinhalle mich auszupowern oder z. B. spazieren gehen. Ich hatte auch richtig liebe Sportlehrer/innen, die sich Mühe gegeben haben, den Sportunterricht so zu gestalten, dass alle Schüler mit ihren individuellen Fähigkeiten mitmachen können, und trotzdem war dieses Fach nie der Renner... Woran liegt das?

Nun, am allerschlimmsten finde ich Mannschaftspiele (insbesondere sowas wie Fußball, Basketball, Völkerball). Das liegt einfach daran, dass dabei alles viel zu schnell passiert. Es macht mir großen Spaß für mich alleine ein paar Körbe zu werfen oder gemeinsam mit jemandem anderes den Ball hin und her zu kicken, aber da läuft alles in einem gemächlichen Tempo ab und es gibt nicht hundert Dinge auf die man sich konzentrieren muss. Woher soll ich zum Beispiel erahnen, dass mir gleich jemand den Ball zu wirft oder wo ich hin rennen soll, damit mein Mitspieler dann einen Korb machen kann? Noch dazu kam, dass ich den Ball oft an den Kopf bekommen habe. Es ist einfach total überfordernd, in dem Haufen aus Mitschülern herauszufiltern, wo der Ball ist, was gleich passieren wird und was zur Hölle ich machen sollte. Ich stand in diesen Sportstunden eigentlich immer nur hilflos im Feld rum und hatte keinen blassen Schimmer, was zu tun ist. Es war immer der reinste Hass. Noch dazu war es meistens bei solchen Sportarten immer extrem laut in der Halle, weil alle irgendwie aufgeheizt waren... 

Ein großes Problem am Sportunterricht ist auch die Benotung im Sportunterricht. Die meisten Menschen im Autismus-Spektrum haben Schwierigkeiten mit der Koordination und dem Gleichgewichtssinn. Beim Bodenturnen ist es zum Beispiel arg schwierig, die Bewegungen sauber und grazil zu absolvieren, genau darum geht es aber, wenn es benotet wird. Oder beim Springseilspringen, geht es bei der Note um die Anzahl der Sprünge in einer bestimmten Zeit. Wenn wir aber schnell springen müssen, ist das Risiko viel zu hoch, dass es uns mitsamt dem Seil auf den Hallenboden packt, weil wir uns einfach verheddern. Es ist also in gewisser Weise unfair, uns nach diesem Kriterium zu bewerten. Wenn man dagegen sagt: okay, 40 Sprünge (egal in welcher Zeit), 30 Sprünge sind eine 2, ... dann hätten wir deutlich weniger Druck und könnten es vor allem in unserer Technik machen. Grundsätzlich finde ich Noten im Sportunterricht schwierig, weil die zu Unzufriedenheit mich sich selber führen und vielleicht den Spaß an der Bewegung verderben, weil man durch schlechtere Noten eventuell denkt: "wozu, ich bin ohnehin unsportlich."

Viele autistische Menschen haben außerdem Probleme mit dem Körperkontakt, der bei vielen Sportarten nicht ausbleibt. Gerade bei Mannschaftssportarten oder den sogenannten "Kleinen Spielchen" wie z. B. Völkerball kann durch das wilde Hin- und Herrennen durchaus passieren, dass einen mal jemand anrempelt oder fast umrennt. Gerade diese zufälligen und daher unvorhersehbaren Berührungen sind unheimlich anstrengend für Autisten. Die meisten mögen ja schon geplante Berührungen nicht... Im Sportunterricht war ich eigentlich daher immer bemüht, den anderen auszuweichen. Das ist zwar auch ne Art von Bewegung, war aber in der Regel nicht das, was von mir erwartet wurde. 

Außerdem ist beinahe alles in diesem Unterricht absolut unvorhersehbar und chaotisch. Der Sportlehrer mag zwar einen konkreten Ablaufplan verfolgen, wie die Stunde ablaufen soll und die Spiele die gespielt werden, folgen gewissen Spielregeln, aber in der Regel ist es für uns vollkommen undurchsichtig was gerade von uns verlangt wird. Das liegt vor allem daran, dass man sich bei den meisten Spielen auf seine Mitspieler einstellen muss und erraten muss, was die als nächstes tun, um möglicherweise ein Tor zu schießen oder irgendetwas anderes gemeinsam zu erreichen. Nun sind Autisten aber nicht gerade für ihre emphatischen Fähigkeiten bekannt... Ein weiterer Grund ist, dass es uns unheimlich schwer fällt, vorgemachte Bewegungen nachzuahmen. Unsere Spiegelneuronen, die dafür verantwortlich wären, das was wir sehen auf unseren Körper zu übertragen, arbeiten schlechter. Nur weil man es uns vorgemacht hat, heißt es quasi noch lange nicht, dass wir nicht aufgepasst haben, wenn wir es falsch machen... 

Das sind nur einige der Herausforderungen, die auf autistische Schüler einströmen, wenn sie in der Schule den Sportunterricht besuchen. Auch im Schwimmunterricht gibt es einige Probleme. Darum werde ich im nächsten Beitrag explizit auf diese Unterrichtsstunde eingehen und zu guter Letzt Anregungen geben, wie man diese beiden Fächer für Kinder (nicht nur autistische) angenehmer und planbarer gestalten kann. 

Bis dahin, habt einen schönen Tag! Sport frei! ⚽🏓⛹
Anne

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