Autismus und Nachteilsausgleich in der Schule

Hallo ihr Lieben,

im letzten Beitrag habe ich bei der Frage, ob man seine Diagnose offenlegen sollte, erwähnt, dass es hilfreich sein kann, sie in der Schule zu erwähnen, da dadurch ein Nachteilsausgleich beantragt werden kann. Außerdem habe ich versprochen, heute ein bisschen näher darauf einzugehen. Warum sollte man darüber nachdenken, so etwas zu beantragen? Ist das nicht eine Art Extrawurst und unfair gegenüber nichtbehinderten Mitschülern, die keinen Nachteilsausgleich erhalten? Nein. Es handelt sich bei einem Nachteilsausgleich definitiv nicht um Ungerechtigkeit oder eine Extrawurst. Stattdessen ist es einfach eine Art Gerechtigkeit. Egal wie bemüht die Lehrer der Schule sind - Kinder mit Einschränkungen, egal ob psychischer oder körperlicher Art, haben es in der Schule auf jeden Fall zum Teil schwerer, weil sie durch ihre Behinderung gewisse Dinge einfach nicht so gut können, wie ihre gesunden Klassenkameraden. Durch den Nachteilsausgleich kann man diese aber entsprechend ausgleichen. 

Jeder Schüler mit einer Einschränkung hat einen Anspruch darauf, das ist sogar im Gesetz verankert - einerseits im Grundgesetz (Man darf nicht aufgrund seiner Behinderung benachteiligt werden! - Wenn der Schüler durch seine Einschränkung gewisse Dinge nicht machen kann, oder sie deutlich erschwert sind und der Schüler bekommt keine Erleichterung, dann wird er deswegen benachteiligt.) Außerdem gibt es dazu in den einzelnen Schulgesetzen der Bundesländer sowie im Sozialgesetzbuch IX gesetzliche Regelungen dazu. Grundsätzlich braucht ihr also definitiv keine Bedenken haben. Wenn ihr das Gefühl habt, dass euer Kind durch den Autismus spezielle Schwierigkeiten hat, sprecht einfach mal die entsprechende Klassenlehrerin an. Es genügt ein formloser Antrag (eine Email/Brief reicht in der Regel vollkommen aus!). 

Ein Nachteilsausgleich ist grundsätzlich nie identisch, selbst bei einer identischen Diagnose, wird immer genau geschaut, was braucht der spezielle Schüler konkret. Womit kann man ihn bestmöglich unterstützen. Deswegen gilt der Nachteilsausgleich auch immer nur für einen begrenzten Zeitraum, das liegt daran, dass immer wieder perfekt angepasst werden kann: Was braucht der Schüler/die Schülerin, kann er gewisse Dinge inzwischen besser und benötigt den Nachteilsausgleich nicht mehr, braucht er vielleicht einen anderen? Wenn einmal Nachteilsausgleiche festgelegt worden sind, müssen sie von allen Lehrern berücksichtigt werden und es darf auch nicht auf dem Zeugnis vermerkt werden, wenn er gegeben wurde. 

Es gibt ganz viele Möglichkeiten, wie ein solcher Nachteilsausgleich aussehen kann, hier kommen mal ein paar Anregungen, sowie die kurze Erklärung, warum das sinnvoll sein kann. 

  • Extraraum für Prüfungen, Tests 
Autistische Menschen haben eine Reizfilterschwäche. Das heißt, sie sind deutlich leichter ablenkbar durch Reize in ihrer Umgebung. Je nach dem wie reizoffen der Autist ist, kann ihn bereits leichtes rascheln von Papier ablenkend sein. Ich durfte teilweise in einem Extraraum schreiben, besonders wenn ich Klassenarbeiten nachschreiben sollte. Es mag sich irre anhören, aber ich war immer deutlich besser, als wenn ich in der Klasse geschrieben hätte. Die Aufgaben waren logischerweise die gleichen, aber dadurch, dass in den Raum wirklich nichts ablenkbares war, konnte ich mich wesentlich besser konzentrieren. Es kann auch helfen, wenn man Kopfhörer aufsetzen darf (selbstverständlich ohne Musik.)
  • schriftliche Aufgaben statt mündlichen Vorträgen ermöglichen
Vielen Autisten fällt es besonders in Situationen, in denen sie aufgeregt sind, das Sprechen extrem schwer. Das liegt daran, dass sich die Worte dann irgendwie im Kopf verfangen. Ich würde es folgendermaßen beschreiben: Man weiß genau, was man sagen möchte, aber vor Aufregung fliegen die Wörter im Kopf hin und her, man muss versuchen, das richtige Wort zu fangen, aber gleichzeitig darf man nicht den Anfang des Satzes vergessen, den man sich schon erarbeitet hat. Bei schriftlichen Beiträgen kann man seine Wörter besser greifen, vor allem weil man sie vor sich sieht. Aus dem Grund kann diese Regelung vielen autistischen Kindern extrem helfen. 
  • individuelle Pausengestaltung
Mit allen anderen Schülern auf dem Pausenhof sein zu müssen, kann extrem anstrengend sein. Für die meisten autistischen Kinder ist das keine Erholung, sondern bedeutet eine zusätzliche Anstrengung. Schon alleine wegen den akustischen Reizen! Es könnte für sie wesentlich entspannender sein, wenn sie stattdessen z. B. einfach im Klassenraum bleiben können, oder vielleicht in die Schulbibliothek gehen kann. Denn im Endeffekt ist ja die Pause dazu da, um sich zu entspannen von der Konzentration im Unterricht. 
  • Verzicht auf Gruppenarbeiten, keine Benotung von Mannschaftsspielen beim Sport
  • bei Aufgabenstellung Metaphern/Sprichwörter vermeiden bzw. erklären
Menschen im Autismus-Spektrum haben häufig Probleme mit Koordination und Bewegungsabläufen. Es kann daher zum Beispiel hilfreich sein, dass motorische Leistungen im Sportunterricht nicht bewertet werden, es ist sogar möglich, die Benotung in einem solchen Fach grundsätzlich auszusetzen. Dadurch entsteht wesentlich weniger Stress und der Schüler kann deutlich entspannter am Unterricht teilnehmen und vielleicht sogar über sich hinauswachsen. Dasselbe gilt für Geometrie. Es ist möglich, dass die Exaktheitstoleranz ein bisschen höher gesetzt wird. 

Es gibt noch ganz viele andere Möglichkeiten, wie man den Aufenthalt von autistischen Kindern in der Schule deutlich einfacher machen kann. Sprecht einfach mal mit der Lehrerin oder dem Lehrer, garantiert gibt es auch für euer Kind ein paar sinnvolle Möglichkeiten. 

Habt einen schönen Tag!
Anne

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