"Ich esse nur Nudeln!" - Autismus und Essen - Teil 1

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habt ihr ein absolutes Lieblingsgericht? Also einer meiner Lieblingsgerichte sind Nudeln und Schnitzel. Nudeln könnte ich ständig essen. Habt ihr auch schon mal gedacht: "Das könnte ich täglich essen?" Garantiert habt ihr das auch schon mal umgesetzt und mehrere Tage hintereinander dasselbe gegessen, einfach weil es so köstlich war. Im Prinzip sind die meisten aber doch eher so veranlagt, dass sie spätestens nach einer Woche mal wieder etwas anderes brauchen und haben eine relativ große Auswahl an Lebensmitteln, die sie zu sich nehmen. 

Menschen im Autismus-Spektrum haben aufgrund ihrer Schwierigkeiten, sich auf Veränderungen einzulassen sowie ihrer veränderten Reizverarbeitung eine sehr spezielle Ernährungsweise. Zum Beispiel kann es sein: 

  • sie essen oder trinken ausschließlich dieselbe Speise/dasselbe Getränk (z. B. nur trockene Nudeln)
  • sie akzeptieren nur orangegefärbtes Essen, blaues oder grünes kommt ihnen nicht über die Lippen
  • die Speisen auf dem Teller dürfen sich auf keinen Fall vermischen
  • neue Lebensmittel oder gar Gerichte werden nicht toleriert
  • Cornflakes werden nur aus einer immer identisch gleichen Verpackung gegessen
  • ...
Natürlich treffen diese Extremformen nicht auf alle autistischen Menschen zu, grundsätzlich lässt sich aber sagen, dass Autisten sich sehr einseitig ernähren. Einfach weil es sehr schwierig ist, sich auf neue Lebensmittel einzulassen. Getreu dem Motto: "was ich immer esse überrascht mich nicht mehr, das ist kein zusätzlicher Reiz, den das Gehirn verarbeiten muss von den Dutzenden die man so am Tag erlebt." Je nachdem wie viele (oder wenige) Lebensmittel der Mensch im Autismusspektrum aber zulässt, kann die einseitige Ernährung zu Schwierigkeiten führen. Zum Beispiel im Urlaub, wo es vielleicht nicht das hundertprozentige identische Produkt gibt, bzw. kann es zu Mangelerscheinungen kommen, wenn das tolerierte Produkt nicht alles enthält, was der Körper braucht. In diesem Beitrag möchte ich euch Tipps geben, wie ihr (falls ihr Autist seid) mehr Lebensmittel in euren Alltag unterbringen könnt oder ihr als Elternteil/Erzieher ein paar zusätzliche Produkte mit einführen könnt. Im nächsten Beitrag gebe ich dann zusätzliche Hinweise, woran es liegen kann, dass gewisse Nahrungsmittel nicht gegessen werden. 

- Immer wieder anbieten und intensive Beschäftigung mit Lebensmittel zulassen. 

Es kann beispielsweise helfen, auf einem Extrateller (ganz wichtig: viele Autisten akzeptieren es nicht, wenn sich Geschmäcker mischen. Es kann also Probleme geben, wenn das fremde Lebensmittel mit dem gewohnten in Berührung kommt) mit anzubieten. Einfach mit hinstellen zu dem anderen Essen. Wenn der Autist sieht, dass ihr es mit vollkommener Selbstverständlichkeit esst, wird es gegebenenfalls irgendwann selber mal davon probieren, ganz ohne Druck! Grundsätzlich hilft es aber auch schon, dass er das Lebensmittel immer wieder sieht. Lasst es auch unbedingt zu, dass z. B. euer autistisches Kind das Lebensmittel ganz genau unter die Lupe nimmt. Mit dran riechen oder zermatschen in der Hand. Es mag vielleicht nicht 100 %- ig den gewünschten Tischmanieren entsprechen, aber nur wenn es das Lebensmittel mit seinen ganzen Sinnen erfässt, hat es die Möglichkeit sich langsam damit auseinander zu setzen. Es bekommt schon mit, welche Konsistenz es im Mund erwarten wird, welche Temperatur, ... Je mehr Reize über die Hand wahrgenommen werden, desto weniger Überraschung erwartet den Autist, wenn er sich irgendwann doch dazu entscheidet, es einfach mal in den Mund zu stecken. :-)

- Ritual erschaffen

Wie ihr schon wisst: Autisten lieben Rituale. Warum das nicht mal ausnutzen? Man könnte zum Beispiel vereinbaren, dass immer Mittwochs ein neues Obst ausprobiert wird. Natürlich muss auch etwas für die autistische Person dabei herausspringen, damit es sich auch lohnt, sich zu überwinden. Beispielsweise das Lieblingsessen. Man kann es auch spielerisch anstellen: zum Beispiel kann man losen, welches Obst (oder Gemüse oder was auch immer) heute probiert werden soll. Dann geht man gemeinsam zum Markt oder ins Kaufhaus. Je nachdem wie selbstständig euer Kind ist, kann man ihm zum Beispiel ein Bild von dem neuen Produkt in die Hand drücken und er sucht selber wo es zu finden ist, da gibt es ganz viele Möglichkeiten. Wichtig ist, dass die autistische Person möglichst viel Spaß daran hat, denn es erfordert schon eine Menge Überwindung ein neues Lebensmittel auszuprobieren. 

- Konsistenz verändern

Manche Autisten haben eine Über- oder Unterempfindlichkeit im Mund. Das heißt, sie brauchen vielleicht ganz weiche Lebensmittel, weil ihnen knuspriges eventuell im Mund schmerzt. Oder sie brauchen gerade feste Lebensmittel, weil sie dadurch eine sensorische Stimulation erreichen. Wenn getoastetes Brot also zum Beispiel nicht funktioniert, probiert es doch mal mit ungetoastetem, oder püriert z. B. die Möhren. Da gilt es einfach auszuprobieren. Ich kann beispielsweise Kartoffelbrei von der Konsistenz her nicht ertragen, Kartoffeln dagegen esse ich. Das kann natürlich von Lebensmittel zu Lebensmittel variieren, aber ich würde grundsätzlich empfehlen, bevor man ein Lebensmittel komplett abschreibt, zunächst erst mal die Konsistenz zu verändern und dann noch mal anzubieten.

- mit Soße/Beilagen zusätzliche Lebensmittel einführen

Ich kenne einen kleinen autistischen Jungen, der ausschließlich Nudeln isst. In so einem Fall könnte man versuchen, ihm zum Beispiel verschiedene Beilagen zu den Nudeln schmackhaft zu machen. Also beispielsweise kann man einfach mal Gulasch, Tomatensoße oder Spinat mit anbieten. Einfach als zusätzliches Angebot, damit die Nudeln nicht so trocken sind. Vielleicht funktioniert es ja und derjenige hat dann mit ein bisschen Geduld ein Lebensmittel mehr, dass er toleriert. Einen wichtigen Tipp habe ich aber noch: andere Lebensmittel untermischen, mit der Idee, dass z. B. ein bisschen zermatschter Blumenkohl im Kartoffelpüree nicht auffallen wird, weil die Konsistenz passt, gehen garantiert nach hinten los! Autisten haben einen irre guten Geschmackssinn, ich schmecke Zwiebeln zum Beispiel sofort raus, wenn sie irgendwo eingearbeitet sind und dann ist es komplett vorbei. Die können noch so winzig sein oder bei der Produktion vorher zermahlen und untergerührt worden sein, ich erkenne sie. Auch wenn es sich um Zwiebelpulver handeln sollte - keine Chance. Wenn ihr Pech habt, verbindet der Autist dann vielleicht den für ihn unangenehmen Geschmack mit dem Lebensmittel dass er eigentlich isst und dann ist auch das "gute Lebensmittel" zunichte. 

Probiert es doch einfach mal aus! Vielleicht funktioniert ja der eine oder andere Tipp auch bei eurem Kind! :-) 

Anne

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