Fahr doch mal weg! - Autismus und Urlaub

Willkommen zurück, 

heute geht es ums Verreisen! Könnt ihr euch noch an euren letzten Urlaub erinnern? Schließt doch mal die Augen, ihr könnt eure Erinnerungen bestimmt wieder wachrufen, auch wenn es vielleicht ein bisschen länger her ist. :-) Wohin ging es, was war am schönsten, was würdet ihr am liebsten nicht wiederholen? Die meisten Menschen fahren sehr gerne in den Urlaub, weil es neue Eindrücke bringt. Außerdem sorgt es oft für Erholung, weil man mal nicht an die Arbeit denkt und außerdem vielleicht neue Menschen kennenlernt.

Ich höre sehr häufig den Satz: "Fahr doch mal in den Urlaub! Das tut dir bestimmt gut, du musst doch auch mal raus!" Meine Reaktion darauf ist in der Regel relativ gleich: "Nein, danke." Und es gibt einige autistische Menschen, die bei der Auffassung völlig mitgehen. Ich für meinen Teil verreise absolut ungern. Mein Urlaub ist am allerbesten, wenn ich zu Hause in meinem gewohnten Umfeld bin und nicht weg muss. Und selbst das ist irgendwie blöd, weil mir da die entsprechende Struktur fehlt, die ja durch die Arbeit eigentlich vorgegeben ist. Woanders übernachten? Eher nicht... Bis ich bei meinem besten Freund übernachtet habe, musste extrem viel Vorbereitung passieren. Wenn ich schon bei einer Nacht Schwierigkeiten habe, wie soll es denn dann im Urlaub klappen? Ich liebe Tagesausflüge, aber richtig mal ne Woche wegfahren, da bräuchte ich danach direkt noch eine Woche Urlaub. 😉 Aber was genau sind die Probleme für autistische Menschen am in den Urlaub fahren? 

  • gewohnte Strukturen sind aufgrund anderer Umstände/Umgebungen nicht einhaltbar
  • fremde Umgebung 
  • man bekommt eventuell nicht dieselben Produkte, an die man sich bereits gewöhnt hat
  • woanders übernachten = neue Reize (Bettwäsche fühlt sich anders an, Licht fällt anders ins Fenster, etc.)
  • das Transportmittel (z. B. Flugzeug) macht Angst, stresst wegen zu vielen Menschen
  • ...
Man kann aber gewisse Maßnahmen treffen, damit der Urlaub auch für einen autistischen Menschen schön sein kann. Hier mal eine kleine Auswahl an Tipps:

- vorab intensiv mit Reiseziel beschäftigen

Wie fast immer beim Umgang mit autistischen Menschen: Vorhersehbarkeit ist das A und O. Man kann sich vorab schon mal bei Google Bilder vom Ferienhaus/dem Hotel/der Jugendherberge anschauen. Von den Zimmern, von eventuellen Aufenthaltsräumen... Fast jedes Hotel zeigt allein schon aus Werbezwecken Bilder von seinen Räumlichkeiten. Der Autist kann so quasi schon mal sehen, wie seine Unterkunft aussehen wird. Man kann auch schon mal mithilfe von Google Maps schauen, was man alles besichtigen will und schon mal einen entsprechenden Plan schmieden. 

- ggf. Ferienhaus statt Hotel

In einem Ferienhaus ist man für sich und sein eigener Herr. Es ist hier deutlich besser möglich, gewohnte Routinen durchzuführen, weil man an keine Zeiten gebunden ist. Zudem kann man zum Beispiel seine eigene Bettwäsche mitnehmen und seine Produkte, die man immer isst. Manche autistische Menschen haben nämlich starke Schwierigkeiten von ihren gewohnten Lebensmitteln abzuweichen (dazu bald mehr). Man kann sich in dem Ferienhaus eben deutlich leichter "wie zu Hause" einrichten. Wenn man mit dem Hotel spricht, ist es aber höchstwahrscheinlich auch dort möglich, zum Beispiel seine eigene Bettwäsche mitzubringen. Kommunikation ist alles. 

- detaillierten Plan über Reise erstellen

Reisen bedeutet für alle Menschen seine Routinen gewissermaßen über Bord zu werfen. Für einen Autist kann das schwierig werden. Hier kann es hilfreich sein, wenn man zum Beispiel mittels TEACCH einen so konkreten Plan wie möglich erstellt, was zu welchem Zeitpunkt wo passieren wird. Meistens muss der Plan dann detaillierter sein als zu Hause. Also beispielsweise 08:00 Uhr aufstehen und Morgenroutine, 08:30 Uhr Frühstück, 09:00 Uhr Aufbruch zur Schwimmhalle. Wie konkret der Plan ausfallen muss ist logischerweise unterschiedlich. Außerdem ist es wichtig, alle Gegebenheiten die anders als zu Hause ablaufen könnten, vorher mit dem Autisten zu besprechen. Jegliche Art von Überraschungen sind nicht gut, wenn die Routinen ohnehin schon nicht funktionieren wie immer. 

- Auto statt Reisebus als Transportmittel wählen

Wenn man natürlich irgendwohin nicht mit dem Auto kommt, weil man nun mal über das Meer muss, dann muss man selbstverständlich das Flugzeug nehmen. Wenn man aber mit dem Reisebus ans Ziel fahren könnte, geht effektiv auch das Auto, wenn man denn eins hat. Das Auto hat den entscheidenden Vorteil, dass man sich nicht mit hundert anderen Menschen auseinandersetzen muss, im Auto ist man nur mit seinem gewohnten Personenkreis zusammen. Außerdem kann man sich seine Pausen so einteilen, wie man es gerade braucht. Wenn ein autistischer Mensch z. B. alle 30 min sich unbedingt bewegen muss, ist das mit dem Auto natürlich deutlich leichter zu arrangieren, während es mit einem Reisebus quasi unmöglich ist, auf solche Bedürfnisse einzugehen. 

All das kann helfen, um eine Reise für eine autistische Person angenehmer zu gestalten. Es ist aber absolut kein Garant dafür, dass das auch tatsächlich hilft. Genau wie es auch neurotypische Menschen gibt, die es absolut hassen in den Urlaub zu fahren, gibt es auch autistische Personen, für die es einfach unerträglich ist in den Urlaub zu fahren, egal welche Maßnahmen ergriffen werden. Es gibt aber logischerweise auch Autisten die es lieben zu vereisen und die es kaum bis gar nicht stört. Probiert einfach aus, was für euch oder die autistische Person in eurer Familie/in eurem Freundeskreis passt. :-) 

Anne


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