Die ABA-Therapie - von Drill und Dauerbeschuss

Hallo ihr Lieben,

welcome back! In den nächsten Blogbeiträgen wird es um Therapiemethoden bezüglich der Autismus-Spektrums-Störung gehen. Was ich betonen möchte, bevor ich wirklich ins Thema einsteige: Autismus ist nicht heilbar! Therapien lassen den Autismus nicht verschwinden, sie sind darauf ausgelegt, den Alltag für die Betroffenen und Angehörigen zu erleichtern, die "Symptome" abzuschwächen oder den autistischen Menschen zu unterstützen, gewisse Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie Selbstständigkeit zu ermöglichen. Als Einstieg werde ich über die viel kritisierte ABA-Therapie schreiben. Ich gebe offen zu, dass ich ein massiver Gegner dieser Methode bin. Aber dazu später mehr. Erst mal: 

Was ist das überhaupt?

ABA steht für Applied Behavior Analysis (Angewandte Verhaltensanalyse) und ist eine intensive Form der Verhaltenstherapie. Ziel ist es, dem Betroffenen durch Konditionierung das autistische Verhalten "abzugewöhnen". Der Plan ist quasi, den Autisten so normal und unauffällig wie möglich zu machen. Am häufigsten wird sie bei Kindern angewandt, Idee dahinter ist, dass Kinder noch am besten formbar sind. Intensiv bedeutet bei dieser Therapiemethode, dass das Kind eigentlich fast nonstop mit dieser Methode behandelt wird, gewünscht sind bis zu 40 h pro Woche, für mehrere Jahre

Wie funktioniert die Methode?

Bei der Methode wird mit "Belohnung" und Verstärkung gearbeitet. Der Therapeut gibt dem Kind eine bestimmte Aufgabe (z. B. Blickkontakt aufzunehmen oder die Hand zu geben). Er macht es vor, dann soll der Autist das Ganze nachmachen. In der Regel wird er es nicht von selbst tun, da der Autismus ihn dabei einschränkt und es nicht seine gewöhnliche Verhaltensweise ist. In diesen Fällen wird das Kind durch den Therapeut geführt (er hebt zum Beispiel den Kopf des Kindes in die gewünschte Richtung oder führt die Hand). Wenn das Kind das gewünschte Verhalten dann zeigt (sei es selbstständig oder durch das geführte Verhalten), wird es umgehend belohnt, mit etwas, dass das Kind unbedingt haben will oder mag (z. B. ein Keks, Sirup, oder das geliebte Kuscheltier). Korrekte Verhaltensweisen werden verstärkt, unerwünschte werden ignoriert. Solange das Kind die Aufgabe nicht erfüllt, muss es das immer und immer wieder wiederholen und bekommt seine Belohnung nicht. Dadurch, dass das korrekte Verhalten umgehend belohnt wird, soll das Kind lernen - das ist gutes Verhalten, wenn ich das häufig an den Tag lege, bekomme ich das was ich möchte. 

Warum steht diese Methode so sehr in der Kritik?

Die Kinder erlernen dadurch das Verhalten, was neurotypische Menschen an den Tag legen und fallen dadurch weniger auf, was für weniger Konflikte sorgt. Außerdem lernen die autistischen Kinder dadurch auch wichtige Dinge, wie selbstständig essen, auf die Toilette gehen, etc. Klingt pauschal erst mal gut. Was spricht also dagegen? 

  • Permanenter "Dauerbeschuss"
Im Normalfall dauert eine normale Therapiestunde (z. B. Logopädie, Physiotherapie, Psychotherapie, ...) 30 - 45 min. Bei dieser Therapiemethode wird der Autist aber, wie oben beschrieben, 40 Stunden pro Woche mit dieser Methode quasi permanent bombardiert. Ein neurotypischer Erwachsener hat in der Regel eine 40-Stunden-Arbeitswoche, nach dieser ist er in der Regel zumindest ein bisschen erschöpft, sie gehen dabei aber einer Tätigkeit nach, die ihnen liegt und die ihnen im besten Fall auch noch Spaß macht, dennoch sind sie erschöpft. Bei der ABA-Therapie sind die Kinder aber ständig damit beschäftigt, gegen ihr instinktives Verhalten zu arbeiten, es ist also höllisch anstrengend für sie. Im Prinzip haben sie eigentlich NIE Pause, weil nach den Therapieeinheiten die Eltern zu Hause weitertherapieren. Ohne sie als Co-Therapeuten würde man ja nie diese 40-Stunden erreichen können pro Woche. Das schlimmste ist aber dabei: da der Autist diese Verhaltensweisen nicht automatisch beherrscht und erst dann kurz Entspannung für das Kind angesagt ist, wenn das erwünschte Verhalten umgesetzt wird, treibt es die Kinder teilweise deutlich über ihre Belastungsgrenzen. Ich finde es absolut unmöglich, einem Kind quasi dauerhaft aufzuzeigen, welches Verhalten sie nicht gut können und permanent therapieren. 40 Stunden Logopädie in der Woche würde jeder eigentlich als komplett irre betrachten - bei der ABA-Therapie ist dieser Umfang akzeptiert... Was läuft da falsch?

  • Es ist der blanke Drill 
Die Therapiemethode hat fast 100 Prozent Erfolgsquote - nach der jahrelangen Therapie verhält sich das Kind fast überhaupt nicht mehr autistisch. Wundern tut mich das nicht. Dass das Konzept funktioniert, liegt aber nicht daran, dass der Mensch vom Autismus geheilt wurde, sondern weil er über Jahre hinweg gebrochen wurde. Die geforderten Verhaltensweisen entsprechen nie, aber auch wirklich nie, dem natürlichen Naturell eines autistischen Menschen. Warum setzt er das Verhalten dann trotzdem um? Ganz einfach, es wurde darauf konditioniert - "Tu was ich will, dann lasse ich dich in Ruhe." Diese Therapieform ist die reinste Quälerei! Für schwer autistische Menschen ist Körperkontakt der blanke Horror, da es einen intensiven Reiz auf der Haut auslöst, die für den Autisten nur schwer zu ertragen ist. Der Hauptbestandteil der Therapiemethode liegt aber nun mal darin, den Autisten zu führen, damit er der erwünschten Bewegung/dem gewünschten Verhalten nachgeht. Das geht nicht ohne Berührung. Der Autist wird damit ständig diesem Reiz ausgesetzt, der für ihn so fürchterlich ist. Schon alleine um das zu umgehen, wird der Autist ab einem gewissen Punkt das Verhalten umsetzen. Gleichzeitig wird ihm aber auch beigebracht: "Du bekommst nur eine Pause oder das gewünschte Kuscheltier (oder etwas anderes, dass das Kind liebt), wenn du das machst. Vorher machst du das immer wieder, bis du es gelernt hast." Es ist Dressur. Würde man ein nichtautistisches Kind so erziehen? Es würde einem doch niemals einfallen, dem Kind sein Lieblingsspielzeug zu entziehen oder ihn ständig etwas wiederholen zu lassen, weil es vielleicht noch nicht zuverlässig aufs Töpfchen geht oder beim Sport sich nicht traut, die Stange hinauf zu klettern. Man würde es vielleicht immer wieder bestärken, wenn es Schritte in die richtige Richtung macht und würde es vielleicht immer wieder mal versuchen, aber doch nicht dauerhaft! Und schon gar nicht mit einer Bestrafung, wenn es nicht funktioniert. Bei autistischen Kindern ist das okay? Nein!!

Meine Meinung dazu: 

Ich kann verstehen, wenn Eltern sich wünschen, dass ihre autistischen Kinder nicht so sehr in ihrer Störung gefangen sind und vielleicht verschiedene Verhaltensweisen an den Tag legen, weil sie dadurch im Leben einfach weiter kommen. Selbstverständlich ist es notwendig zu lernen, selbstständig zu essen oder auf die Toilette zu gehen, und es ist sicher auch sinnvoll sprechen zu lernen, telefonieren zu können oder in Kontakt mit anderen Menschen zu treten. Und ja, es ist vollkommen verständlich, dass Eltern sich wünschen, dass ihre Kinder gewisse Dinge selbstständig erledigen können. Viele dieser Dinge kann man autistischen Kindern aber auch über die normale, liebevolle Erziehung beibringen. Autisten können nicht alles, aber vieles lernen - es braucht nur Zeit und vielleicht ein paar Tricks, weil das autistische Gehirn ja anders arbeitet. Eine Methode ist zum Beispiel Teacch (siehe nächster Beitrag). Man sollte aber bei allen Versuchen, das Kind zu unterstützen, immer daran denken, dass manche Dinge einfach nicht erlernt werden können, oder eine Quälerei für den autistischen Menschen bedeuten könnten. Für Nichtautisten ist manches ein gewöhnliches Ritual, für autistische Menschen aufgrund der veränderten Wahrnehmung vielleicht fürchterlich. Man würde sich selbst zum Beispiel niemals in einen Ameisenhaufen setzen, weil es einfach unerträglich ist. Ein treffender Vergleich ist es aber, wenn man manche Autisten dazu zwingt einem die Hand zu geben. Auch in die Augen gucken, muss nicht zwangsläufig sinnvoll sein. Mir geht es zum Beispiel so, dass ich mich schlechter auf das Gesagte konzentrieren kann, wenn ich nicht in die Augen gucken muss. Es irritiert einfach zu sehr und lenkt zu intensiv ab. Mein Tipp: fragt die autistische Person warum sie bestimmte Verhaltensweisen an den Tag legt und überlegt gemeinsam mit ihr, ob es sinnvoll ist, sie abzulegen. Und ja, das geht über verschiedene Techniken auch mit frühkindlichen Autisten. 

Habt einen schönen Tag!
Anne

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