Europäischer Tourette-Tag (07.06.)

Guten Tag!

In 3 Tagen jährt sich der Europäische Tag des Tourette-Syndroms (Tourettes-Awareness-Day). Da ich auf diesem Blog nicht nur über Autismus, sondern auch über andere seltene Krankheiten / Störungen aufmerksam machen möchte, dachte ich, dass das doch mal eine gute Gelegenheit wäre, einen entsprechenden Beitrag dazu zu schreiben. Das Tourette-Syndrom ist nämlich ebenfalls so selten wie Autismus: nur 0,5 - 1 % der Weltbevölkerung sind von dieser neurologisch-psychiatrischen Störung betroffen. 

Was ist das Tourette-Syndrom überhaupt?

Diese Störung äußert sich hauptsächlich durch sogenannte Tics. Das sind plötzlich auftretende, sich wiederholende Zuckungen mit verschiedenen Körperteilen, bzw. Lautäußerungen und Handlungen. Genauer genommen wird zwischen motorischen Tics (z. B. zucken, grimassieren, schnipsen, stampfen, unkontrollierten Handlungen, etc.) und vokalen Tics (Räuspern, grunzen, pfeifen, unkontrolliertes aussprechen von einzelnen Wörtern/Sätzen, etc.) unterschieden. Im Prinzip kann man diese Tics mit dem Gefühl vergleichen, dass man empfindet, wenn man niesen muss. Betroffene können diese Handlungen nicht steuern und definitiv auch nicht dauerhaft unterlassen. Es ist vielen Patienten möglich, diese Tics zumindest für eine kurze Zeit bis max. einige Stunden zu unterdrücken. Das erfordert aber eine massive Selbstbeherrschung und Anstrengung. 

Diagnostik des Störungsbildes

Die Diagnostik des Tourette Syndroms gestaltet sich schwierig. Es gibt nämlich leider keine Möglichkeit, das Tourette Syndrom über neurologische Tests oder Blutuntersuchungen eindeutig diagnostizieren zu können. Es gibt nur die Möglichkeit andere Erkrankungen auszuschließen, die Tics auslösen können, bzw. Symptome auslösen, die Tics ähnlich sind, wie z. B. Nebenwirkungen von Medikamenten, Hirntumore, Epilepsie, oder eine Streptokokkeninfektion. 

Damit die Diagnose Tourette gestellt werden kann, müssen aber noch andere Voraussetzungen erfüllt sein:

- die Tics müssen bereits ein komplettes Jahr (mindestens) anhalten

- Symptome müssen bereits vor dem 18. Lebensjahr aufgetreten sein, also bereits im Kindes-/Teenageralter

- es müssen verschiedene Ticformen, u. a. mehrere motorische Tics sowie mind. 1 vokaler Tic aufgetreten sein

Wenn man vom Tourette-Syndrom spricht, denken die meisten Menschen sofort an "verrückte Leute" die ständig andere Menschen beleidigen, Schimpfwörter oder obszöne Begriffe ausstoßen. In Fachkreisen bezeichnet man diese besondere Art der vokalen Tics als Koprolalie. Das kommt aber tatsächlich gar nicht so häufig vor, wie allgemeinhin angenommen. Tatsächlich tun das nur ca. 15 % - 20 % aller Betroffenen. Der Rest hat vielleicht auch vokale Tics, diese sind aber meistens Geräusche oder harmlose Wörter. Außerdem gehören eben noch die motorischen Tics dazu.

Therapie des Tourette-Syndroms

Eine Heilung des Syndroms ist leider nicht möglich, es ist lediglich (eingeschränkt) möglich, die Symptome des Tourette-Syndroms zu lindern. Die wichtigste Therapie ist die Aufklärung des Patienten sowie dessen Umfeld über die Erkrankung. Schon alleine zu wissen, warum die Symptome überhaupt auftreten und die Tatsache, dass man nichts dafür kann, hilft den meisten schon unglaublich. Im Rahmen einer Verhaltenstherapie lernen Betroffene zusätzlich, wie sie es schaffen können, ihre Tics zu unterdrücken (z. B. aktive Ablenkung, Umlenkung der Tics in unauffälligere Tics, etc.) Das Ziel bei der Verhaltenstherapie ist tatsächlich nicht die Heilung der Tics, sondern der Umgang mit ihnen, bzw. können Betroffene bei dieser Therapie lernen, die Anzeichen für gleich ausbrechende Tics überhaupt zu erkennen. 

Bei schweren Symptomen wie z. B. Selbstverletzung, starken Schmerzen (durch die ständigen Muskelzuckungen können massive Verkrampfungen entstehen), massive psychische Probleme, die durch die starken Symptome entstehen können (z. B. Depression) oder andere starke Auffälligkeiten besteht die Möglichkeit der Linderung mit gewissen Medikamenten, sogenannte Neuroleptika. Diese können die Symptome um 50 % lindern, das gelingt aber nicht immer und in der Regel haben diese Medikamente eine ganze Stange an Nebenwirkungen. Wenn es ohne diese Medikamente klappt, ist es in der Regel besser.

Als sozusagen letztes Mittel kommt noch ein Hirnschrittmacher in Frage. Dieser wird in den Bauch eingepflanzt und soll das Gehirn mittels elektrischer Impulse stimulieren. Das wird allerdings nur gemacht, wenn die Symptome extrem stark sind und keine anderen Therapien mehr helfen. Die Forschung ist nämlich noch nicht besonders weit in diesem Bereich, man weiß zum Beispiel nicht hundertprozentig sicher, welches Gehirnareal überhaupt stimuliert werden muss. Zusätzlich ist die Wirkung auf Tourette-Patienten nicht sicher bestätigt, bei manchen können die Symptome fast vollständig verschwinden, bei anderen wirkt er gar nicht. 

Wie kann man Tourette-Betroffenen selbst helfen?

Das wichtigste ist, dass man sich nicht über die Tics und damit den Betroffenen lustig macht. Viele TouretterInnen nehmen ihre Einschränkung mit Humor und können über die Tics lachen, das schaffen aber nicht alle. Am besten ist es, mit demjenigen offen darüber zu sprechen und ihn zu fragen, was er / sie für einen Umgang damit bevorzugt. Außerdem ist es hilfreich, wenn man die Tics nicht ständig kommentiert oder den Betroffenen gar bittet, damit aufzuhören. Sicher kann es nerven, wenn jemand neben einem sitzt, der die ganze Zeit vor sich hinzuckt oder irgendwelche Dinge in den Raum brüllt. Aber bedenkt bitte, wie sich der Betroffene fühlt - er kann sich das ja schließlich nicht aussuchen, ob er das jetzt lässt, weil es ihn gerade nervt, oder ob er es gerade will - die Tics sind rund um die Uhr da und können ja nicht kontrolliert werden. Da kann man die Tics doch wohl mal eine Weile ertragen, oder? Ich kann den youtube-Kanal "Gewitter im Kopf" empfehlen. Er wird von Jan Zimmermann (hat das Tourette-Syndrom sowie Epilepsie) und seinem Kumpel Tim Lehmann geführt, es wird dort über dieses Störungsbild ziemlich gut und humorvoll informiert.

Habt einen schönen Tag!
Anne

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